Montag17. November 2025

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StallpflichtDrei Millionen Tiere getötet: Vogelgrippe erreicht Spaniens Touristenherz

Stallpflicht / Drei Millionen Tiere getötet: Vogelgrippe erreicht Spaniens Touristenherz
Das spanische Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung hat eine Stallpflicht für Geflügel eingeführt Foto: Clara Margais/dpa

Abgesperrte Stadtparks, eingezäunte Teiche und überall Warnschilder: Die Vogelgrippe ist mittlerweile in der spanischen Touristenhochburg Sevilla angekommen.

Die Schwäne, Enten und weißen Tauben im berühmten María-Luisa-Park gehören für viele Urlauber so selbstverständlich zu Sevilla wie die weltbekannte Plaza de España und das Tapas-Essen in der Altstadt. Doch derzeit sind Teile des von Touristen viel besuchten Stadtparks abgesperrt, Teiche eingezäunt, Schilder warnen vor einem unsichtbaren Feind: der Vogelgrippe. Nachdem dort etliche tote Wildvögel entdeckt wurden, ließ die Stadt die Wasserstellen abriegeln – mitten in einem der beliebtesten Naherholungsgebiete Andalusiens.

Die umgangssprachlich auch als Geflügelpest bezeichnete hochansteckende Viruskrankheit ist damit endgültig im Urlaubsland Spanien angekommen. Über die Zugrouten aus Deutschland, Frankreich oder Schweden tragen jetzt Wildvögel wie Gänse, Kraniche oder Störche den Erreger H5N1 in den Süden Europas. Nachdem sich der Virus auch in Spanien unter Wildvögeln wie in Geflügelfarmen schnell ausbreitet, herrscht nun im ganzen Land Vogelgrippen-Alarm.

Harte Maßnahmen angeordnet

Die Mitte-links-Regierung unter Premier Pedro Sánchez hat deswegen harte Maßnahmen angeordnet. Sämtliches Geflügel, das bisher im Freien gehalten wurde, muss ab sofort im ganzen Land in Ställe oder überdachte Gehege gebracht werden. Das betrifft industrielle Mastbetriebe, Bio-Höfe und auch private Hühnergehege für die Selbstversorgung. Bisher galt die Stallpflicht nur für besonders gefährdete Gemeinden in der Nähe von Feuchtgebieten oder in Regionen mit vielen Geflügelbetrieben.

Landwirtschaftsminister Luis Planas begründet den Lockdown für alle freilaufenden Hühner, Gänse, Enten und Truthähne mit dem „erhöhten Risiko der Ausbreitung dieser sehr ansteckenden Krankheit“. Die Gefahr sei mit der Ankunft von Zehntausenden Zugvögeln in spanischen Feuchtgebieten gestiegen, sagte er. Gleichzeitig begünstige der Temperatursturz im Herbst das Überleben des Virus in der Umwelt. Ziel der Stallpflicht sei es, jeglichen Kontakt zwischen Nutzgeflügel und infizierten Wildvögeln zu verhindern.

Die Lage ist ernst: Seit Juli wurden in ganz Europa 139 Ausbrüche der aviären Influenza in Geflügelbetrieben registriert. In Spanien sind es bislang 14 Epidemieherde, etwa die Hälfte davon in der zentralspanischen Region Kastilien und León. Hinzu kommen Tausende infizierte Wildvögel. Hunderte von verendeten Tieren in den Zugvogel-Ruhegebieten in spanischen Naturparks lassen eine Ahnung von der Dimension dieser Seuche aufkommen. Insgesamt mussten in spanischen Geflügelbetrieben in diesem Jahr bereits fast drei Millionen Tiere getötet werden, vor allem Legehennen.

Wie stark der spanische Agrarsektor betroffen ist, zeigt ein Blick nach Madrid. In Valdemoro, einem Vorort im Süden der Hauptstadtregion, wurden auf einer einzigen Großfarm 450.000 Hühner gekeult, um einen massiven Virusausbruch zu stoppen. Kurz darauf erreichte der Virus auch das touristische Herz der Millionenstadt: Ein Königspfau in Madrids berühmter grüner Lunge, dem Retiro-Park – nur wenige Gehminuten vom Prado-Museum und der Altstadt entfernt – wurde positiv auf H5N1 getestet.

Sorge in Andalusien nimmt zu

Auch im südspanischen Andalusien nimmt die Sorge zu. In der Tourismus-Hochburg Sevilla wurde unter anderem sogar ein Virusausbruch unter den Vögeln in den Gärten des königlichen Palastes Alcázar entdeckt. Zudem gab es Infektionsherde nahe dem südlich Sevillas gelegenen Nationalpark Doñana, einem der wichtigsten Rastgebiete für Zugvögel Europas.

Noch dramatischer ist die Situation im Nordosten Spaniens. In der Region Aragonien hat sich die Vogelgrippe vor allem unter Kranichen ausgebreitet, die jedes Jahr in riesigen Schwärmen zur Überwinterung an die Gallocanta-Lagune kommen, einen bei Naturtouristen beliebten Salzsee zwischen den Städten Saragossa und Teruel.

Allein in diesem Gebiet werden in den nächsten Wochen bis zu 100.000 Zugvögel erwartet. Experten sprechen von einer „perfekten Sturm-Situation“. In den stark frequentierten Feuchtgebieten drängen sich die Tiere an engen Stellen, fressen und trinken gemeinsam – ideale Bedingungen für die Weitergabe des Virus.

Für Verbraucher in Spanien ist die Vogelgrippe vor allem im Supermarkt spürbar. Die Eierpreise sind nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums um mehr als 30 Prozent gestiegen, auch Hähnchenfleisch hat sich verteuert. Produzenten und Bauernverbände betonen aber, dass trotz der Verluste die Versorgung gesichert sei.

Für Menschen ist das Risiko nach Einschätzung von Virologen weiterhin gering. Bisher gibt es in Spanien keinen bestätigten Vogelgrippen-Fall beim Menschen. Gefährdet sind vor allem Personen, die direkt mit infizierten Tieren oder Kadavern arbeiten – etwa auf Farmen oder bei Reinigungsarbeiten in betroffenen Parks. Gekochtes Geflügelfleisch und Eier gelten als sicher, da der Erreger bei Temperaturen über 70 Grad zerstört wird.