27. Oktober 2025 - 8.31 Uhr
Akt.: 27. Oktober 2025 - 10.19 Uhr
Luxembourg Song ContestAudition-Wochenende zeigt die unterschiedlichsten Facetten der Musikszene
Nervosität lag am Freitag und Samstag in den RTL-Räumlichkeiten auf dem Kirchberg in der Luft. Denn an drei Tagen traten 58 Künstlerinnen und Künstler vor eine fünfköpfige Jury, um sich für den Luxembourg Song Contest 2026 im Januar zu qualifizieren. Teilnahmeberechtigt sind Sängerinnen, Sänger und Bands, die entweder die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzen, seit mindestens drei Jahren im Land wohnen oder einen nachgewiesenen kulturellen Bezug zu Luxemburg haben. Wer es ins Finale schafft, wird am Donnerstag, dem 30. Oktober, auf den Plattformen von RTL Lëtzebuerg offiziell bekannt gegeben.
Doch zunächst heißt es vorsingen. Für einige „alte Hasen“ ist der Prozess bereits vertraut. Rafa Ela, mit bürgerlichem Namen Rafaela Teixeira Fernandes, stammt aus Differdingen und ist unter LSC-Fans kein unbekanntes Gesicht: Bereits zweimal stand sie im Finale. Nervös ist sie trotzdem, gibt sie vor ihrem Auftritt am Samstag zu. „Es hilft zwar, wenn man weiß, was einen erwartet, aber das Herz schlägt trotzdem schneller.“ In diesem Jahr versucht sie es gleich mit zwei Songs – ein üblicher Schritt, denn auf 58 Kandidatinnen und Kandidaten kommen 83 Beiträge. Viele hoffen, mit mehreren Liedern ihre Chancen zu erhöhen. Pro Band oder Sängerin und Sänger sind maximal drei Songs erlaubt.

„Ein bisschen habe ich schon die Mentorrolle übernommen“, lacht Rafa Ela. Andere Künstlerinnen und Künstler würden oft gezielt auf sie zukommen, um Fragen zum Ablauf zu stellen. „Dann versuche ich, sie zu beruhigen. Wir sitzen ja alle im selben Boot.“ Auch andere frühere Finalistinnen und Finalisten wie MÄNA, Luzac oder Naomi Ayé stehen in diesem Jahr erneut auf der Kandidatenliste.

Aber sie sind nicht die Einzigen, die vom LSC-Fieber gepackt wurden und nicht mehr losgelassen werden. Auch Hugo One versucht bereits zum dritten Mal sein Glück, bislang ohne Finaleinzug. „Im vergangenen Jahr habe ich es haarscharf verpasst, diesmal klappt es hoffentlich“, sagt der 28-Jährige. Er setzt auf gute Vorbereitung und mentale Stärke. Gelassen angehen will es auch Mitbewerberin Madame Yoko. Die Drag-Künstlerin stammt aus Belgien, ist aber längst ein fester Bestandteil der luxemburgischen Szene – u.a. durch Auftritte bei der Luxembourg Pride. Mittlerweile lebt sie in Merzig. Ihre Songs entstanden gemeinsam mit einem schwedischen Songwriter-Team und basieren auf persönlichen Erfahrungen. „Angst vor dem Auftritt habe ich nicht. Ich hoffe nur, dass die Jury die Botschaft meiner Lieder versteht.“ Für Madame Yoko wäre es ein Kindheitstraum, es bis zum Eurovision Song Contest zu schaffen. Ihre Leidenschaft für Drag wurde geweckt, als Conchita Wurst 2014 den ESC gewann.

Für die junge Sängerin Sousa aus Esch, die im roten Ballkleid zu den Auditions erscheint, ist es dagegen die allererste Teilnahme. „Vor Kameras, vor einer Jury, vor Publikum zu singen – das ist alles neu für mich“, gibt sie leicht nervös zu. Gesungen hat sie schon als Kind, doch mit 14 Jahren legte sie eine Pause ein. Jetzt hat sie die Begeisterung wieder gepackt. Ihren Song hat sie über die sogenannte „Team-up“-Liste gefunden, die es Talenten ermöglicht, sich mit Songwriterinnen und Songwritern zu vernetzen. „In meinem Viertel sind die Menschen offen, herzlich und direkt. Diese Freundlichkeit will ich auf die Bühne bringen“, sagt sie.

Aus dem hohen Norden Luxemburgs hingegen stammt LSC-Neuling Patricia Venâncio. Die 29-Jährige aus Clerf steht am Samstagnachmittag vor der Jury. Hauptberuflich arbeitet sie als Kampagnenmanagerin im Jugendbereich. „Wenn ich vor der Tür stehe, geht meine Nervosität durch die Decke“, gesteht sie. Musik begleitet sie schon lange, doch während des Studiums trat sie in den Hintergrund. „Ich dachte immer, man muss sich zwischen Musik und Arbeit entscheiden. Jetzt merke ich, dass beides möglich ist.“ Als sie den Bewerbungsaufruf für den LSC sah, habe es „in den Fingern gejuckt“. Nach Rücksprache mit Freunden entschied sie sich, mitzumachen. Auch sie fand ihre Songs über die Team-up-Liste. „Beim Auftritt war es wie in einem Tunnel – ich kann mich an kein Detail erinnern. Aber es hat sich richtig angefühlt. Es war mega cool“, erzählt sie im Anschluss.

Nicht nur Solokünstlerinnen und -künstler, sondern auch mehrere Bands haben ihren Weg auf den Kirchberg gefunden. Das Trio ShiroKuro stammt ursprünglich aus Lüttich, doch ein Bandmitglied besitzt auch die luxemburgische Staatsangehörigkeit. Damit zeigen sie beispielhaft, wie der Luxembourg Song Contest 2026 auch Talente aus der Grenzregion anzieht. „Wir kennen uns aus dem Konservatorium in Lüttich und spielen seit Jahren zusammen. Der LSC ist für uns eine große Chance“, erzählen sie. Die Band Candy Trees wurde eigens für den Wettbewerb gegründet. Sie besteht aus drei Studierenden der Universität Luxemburg: Die Italiener Francesco (25) und Mikele (26) promovieren in Physik, während die Ukrainerin Alina (24) ihren Master in European Governance macht. „Luxemburg ist ein multikulturelles Land – und wir repräsentieren die jungen Expats, die hier eine zweite Heimat gefunden haben. Gleichzeitig stehen wir für die jungen Studierenden der Uni Luxemburg, die versuchen, die Welt von heute ein Stück besser zu machen“, sagt Francesco.
Eine internationale Jury entscheidet darüber, wer am 24. Januar 2026 in der Rockhal beim großen Finale antreten wird. Sie besteht aus fünf international erfahrenen Persönlichkeiten der Eurovision-Welt: Karin Gunnarsson, Produzentin des schwedischen „Melodifestivalen“ und Mitglied der schwedischen Grammy-Jury, Gísli Berg, Executive Producer des isländischen „Söngvakeppnin“, sowie Paul Jordan, besser bekannt als „Dr. Eurovision“. Ergänzt wird die Jury durch Ludovic-Alexandre Vidal, den französischen Texter des luxemburgischen Beitrags 2025, und die norwegische Sängerin und Songwriterin Elsie Bay.
„Wir haben uns in diesem Jahr bewusst für eine Jury entschieden, die besonders viel Erfahrung im Bereich Produktion mitbringt“, erklärt David Gloesener, Head of Eurovision bei RTL. „Das ist ein Bereich, in dem wir in Luxemburg nicht so stark aufgestellt sind – und wir wollen genau dieses Know-how stärker einfließen lassen. Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammensetzung. Die Jury diskutiert viel und bringt unseren Künstlerinnen und Künstlern großes Interesse und Wertschätzung entgegen.“
„Das Wichtigste ist, authentisch zu sein“, sagt Karin Gunnarsson. Nur so könnten Künstlerinnen und Künstler das Publikum wirklich erreichen. „Ich bin sehr beeindruckt von der Qualität der luxemburgischen Musikszene – und vom Mut der Sängerinnen und Sänger, vor einer Jury aufzutreten.“ Ludovic-Alexandre Vidal ergänzt: „Wir alle achten auf unterschiedliche Qualitäten in den Songs. Das führt hoffentlich dazu, dass wir am Ende eine gute Mischung für das nationale Finale finden.“ – „Das Schöne am Eurovision ist, dass selbst bisher unbekannte Künstlerinnen und Künstler die Chance bekommen, mit ihrem Talent zu überzeugen“, sagt Paul Jordan. Ihre Aussagen zeigen, worauf es in diesem Wettbewerb letztlich ankommt: auf Vielfalt, Persönlichkeit und echte Bühnenpräsenz.
Israel wieder ein Streitthema
Auch in diesem Jahr gibt es wegen Israel beim Eurovision Song Contest 2026 Kontroversen. Mehrere Länder und Fans kritisieren die Teilnahme des Landes vor dem Hintergrund des anhaltenden Nahost-Konflikts. Diskussionen um mögliche Boykottaufrufe und Protestaktionen überschatten damit erneut einen Teil der Vorberichterstattung zum Wettbewerb. David Gloesener von RTL sagt dazu: „Die Position von Luxemburg ist von der Regierung klargestellt worden. Diese Entscheidung liegt in den Händen der EBU. Viele Delegationen, auch wir, würden uns wünschen, das Thema stünde überhaupt nicht zur Debatte. Andere haben eine klare Haltung in die eine oder andere Richtung, aber die kann man an einer Hand abzählen.“
De Maart

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