Wird das Recht auf Abtreibung in der Luxemburger Verfassung verankert, oder nicht? Es ist eine der entscheidenden Fragen der diesjährigen parlamentarischen „Rentrée“. Dabei hat die Thematik durchaus das Potenzial, die CSV-DP-Koalition zu entzweien.
Man lehnt sich mit der Prognose, dass die CSV-DP-Koalition nicht als die gesellschaftspolitische Reformmannschaft der vergangenen Jahrzehnte in die Geschichte eingehen wird, wohl nicht zu weit aus dem Fenster. Mit diesem Versprechen ist die konservativ-liberale Regierungskoalition auch nicht angetreten. Die Prioritäten liegen klar auf wirtschafts- und arbeitspolitischen Reformen, um „Lëtzebuerg fir d’Zukunft ze stäerken“. Oder wie Vizepremierminister Xavier Bettel es weitaus weniger subtil ausdrückt: „Méi Cash an der Täsch.“
Dementsprechend ist die Debatte, die derzeit in der Chamber um eine mögliche Verankerung des Rechtes auf Abtreibung geführt wird, umso spannender. Innerhalb der DP, das geht aus den Diskussionen in der Institutionenkommission am Montag deutlich hervor, ist man sich noch uneins. Eines steht fest: Ohne textliche Änderungen werden die Liberalen den vorliegenden Entwurf des Linken-Politikers Marc Baum wohl kaum annehmen. Innerhalb der nächsten Wochen soll geklärt werden, ob die DP mit einem textlichen Gegenentwurf antworten will oder nicht. Es sind aber größtenteils Detailfragen, dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf Abtreibung will sich eine DP nicht grundlegend verschließen.
Wichtige Zeit, die die CSV nutzen muss, um eine eigene Position in der Materie auszuarbeiten. Diese ist derzeit nicht bekannt – und steht wohl auch noch nicht fest. Dass innerhalb der CSV nicht jeder mit Marc Baums Gesetzesvorschlag einverstanden ist, ist wenig verwunderlich. Mit Verweis auf das unsägliche Interview von Kardinal Jean-Claude Hollerich bei RTL am Wochenende muss festgestellt werden: Alte Reflexe greifen bei einigen CSV-Abgeordneten wohl doch noch. Ob sich überhaupt eine einheitliche Position innerhalb der CSV-Reihen erarbeiten lässt, ist fraglich. Möglicherweise könnte es darauf hinauslaufen, dass, wie bereits bei der Abstimmung zum Euthanasie-Gesetz, der Fraktionszwang aufgehoben werden könnte.
Sollte eine CSV sich nämlich weigern, über dieses Recht auf Abtreibung abzustimmen, könnte der ohnehin schon wacklige Koalitionsfrieden auf eine weitere Bewährungsprobe gestellt werden. Und ob die CSV-DP-Koalition diese übersteht, erscheint angesichts der rezenten Wochen fraglich.
Nicht erst seit der Sozialrunde, die laut Patrick Dury unter Luc Friedens Ägide beispiellos chaotisch verlief und wo Vizepremierminister Xavier Bettel ein ums andere Mal den Vermittler spielen musste, ist bekannt, dass es innerhalb der Koalition leicht kriselt. Fürs öffentliche Ansehen ist wenig hilfreich, dass sich Luc Frieden auf der Pressekonferenz als „Chef einer harmonischen Regierung“ bezeichnet und sich Xavier Bettel direkt im Anschluss, vor Sarkasmus triefend, als „Vizechef einer harmonischen Regierung“ betitelt. Und im nächsten Atemzug der vom CEO in seiner „Rede zur Lage der Nation“ dekretierten Rentenreform kurzum das elektorale Mandat aberkennt.
Außenminister Xavier Bettel war im ersten Jahr seiner Amtszeit in Luxemburg kaum präsent, kümmerte sich wenig um innenpolitische Belange. Eine historische Klatsche für Luc Frieden im Politmonitor, ein kriselnder Sozialdialog, eine stockende Rentenreform später und Bettel ist wieder da – in außen- wie in innenpolitischen Fragen. So auch am Montagmorgen, als er sich bei der Protestbewegung der Abtreibungsbefürworter kurzerhand das Megafon schnappte. Es sind Bilder, die wirken. Bilder, die vermitteln, dass Bettel das Leadership-Vakuum derzeit voll auszunutzen weiß und quasi nach Belieben Druck auf den Koalitionspartner ausüben kann.
		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
                          
Bitte H. Wiltgen, mal eine Betroffene fragen. Meinen die Abtreibungsgegner wirklich alle Abtreiberinnen würden das alle aus einer Laune heraus tun?
Die reaktionären Aussagen von Kardinal Jean-Claude Hollerich im Kontext, das Recht auf Abtreibung in der Luxemburger Verfassung zu verankern, lassen sowohl Atheist*innen wie moderne Katholik*innen fassungslos zurück, benutzt Kardinal Hollerich doch tatsächlich die Rhetorik der Ultrarechten indem er versucht, durch Tatsachenverdrehung und Unwahrheiten Ängste zu schaffen, welche in seine Strategie passen. Nach Analyse der Thematik und unabhängig davon, wie man persönlich zum Thema Abtreibung steht, wird dem freidenkenden Menschen, ob Katholik*in, Atheist*in oder Agnostiker*in, allerdings schnell glasklar, dass die von Kardinal Hollerich geschürten Ängste vor Zwang und Druck auf Sand gebaut, also absolut unberechtigt sind, geht es bei der, von der Partei déi Lénk vorgelegten Initiative, doch lediglich darum, das derzeit bereits gesetzlich geregelte Recht auf Abtreibung zusätzlich, nach französischem Vorbild, in der Verfassung zu verankern um es optimal zu schützen. An der Detailregelung, welche eh nicht in eine Verfassung aufgenommen wird, sind in diesem Kontext keine Änderungen geplant.
Spannend bleibt nun die Reaktion der verschiedenen Akteur*innen und Parteien. Im RTL Kloertext vom 26. September 2024 mit den engagierten Katholik*innen Linda Schuster, Théo Péporté und Jean-Marie Weber wurde überdeutlich, dass moderne Katholik*innen keineswegs bereit sind ihrem Bischof blind zu folgen und durchaus engagierte und konstruktive Kritik einbringen. Zudem hat sich Weihbischof Léon Wagner bisher eher als moderater, vermittlungsoffener Mensch geoutet.
Von den demokratischem Parteien haben déi Lenk von der LSAP und déi Gréng klare Unterstützung für ihre Initiative erhalten, Die DP scheint ebenfalls offen für eine Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung, was für eine liberal denkende Partei eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, hat jedoch verschiedene Bedenken insbesondere bzgl Formulierungen angebracht, so, dass, wie in Demokratien üblich, eine Kompromisslösung absolut realistisch erscheint.
Dass die CSV sich mit einer Entscheidungsfindung noch etwas schwerer tut ist eigentlich kaum verwunderlich und auch verständlich, schliesslich ist sie der katholischen Kirche traditionell am engsten verbunden, wobei der Mitglieder- und Unterstützer*innenkreis der heutigen CSV zweifellos Menschen von Atheist*innen über moderne Katholik*innen zu Traditionalist*innen umfasst. Es gilt also für die CSV, mehr als für die anderen demokratischen Parteien, die verschiedensten Befindlichkeiten zu berücksichtigen um keine potentiellen Wähler*innen zu verprellen. Allerdings wird auch eine moderne, liberale CSV erkennen müssen, dass die Katholische Kirche ein zwar zu respektierender, jedoch minoritärer Teil unserer modernen Gesellschaft ist und sie deshalb nicht die gesamte Gesellschaft massgeblich beeinflussen darf.
Die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung dient ausschliesslich der Absicherung dieses Rechts, legt niemanden einen Zwang auf, jede Frau kann wie bisher selbst ganz alleine und frei über ihren eigenen Körper entscheiden.
In Frankreich wurde nach vielen Diskussionen dbzgl eine parteiübergreifende Einigung erzielt. Ich bin demnach optimistisch, dass Luxemburg sich daran inspirieren wird und die demokratischen Parteien im Interesse der Frauenrechte einen Konsens finden werden werden. Alle Befürworter*innen einer freien und offenen Gesellschaft werden dies zu würdigen wissen.