Donnerstag6. November 2025

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SozialrundeOpposition nach Chamber-Kommission: „Regierung hat Luxemburger Modell zu Grabe getragen“

Sozialrunde / Opposition nach Chamber-Kommission: „Regierung hat Luxemburger Modell zu Grabe getragen“
Das Ende des Luxemburger Sozialmodells? Die Chamber-Abgeordneten hatten unterschiedliche Interpretationen zum Verhandlungsende am Mittwoch Foto: Editpress / Alain Rischard

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Die Abgeordneten sind am Donnerstagnachmittag offiziell über die Verhandlungen in der Sozialrunde informiert worden. Größter Fan der Regierung ist nach der Sitzung die ADR.

Zwei Stunden lang saßen Abgeordnete und Regierungsmitglieder am Donnerstagnachmittag in der Chamber zusammen. Während DP-Präsidentin Carole Hartmann den Vermittlungsversuch der Regierung lobte, zieht CSV-Fraktionspräsident Marc Spautz eine kritischere Bilanz. LSAP-Fraktionspräsidentin Taina Bofferding, die Grünen-Abgeordnete Sam Tanson wie auch der Linken-Politiker Marc Baum sehen hingegen in der Sozialrunde und der angekündigten Rentenreform ein Scheitern der Regierung. ADR-Fraktionspräsident Fred Keup war dahingegen voll des Lobes für die Regierung.

Die Oppositionsabgeordneten Sam Tanson, Taina Bofferding und Marc Baum (v.l.n.r.) teilen die Interpretation von OGBL-Gewerkschaftspräsidentin Nora Back (r.)
Die Oppositionsabgeordneten Sam Tanson, Taina Bofferding und Marc Baum (v.l.n.r.) teilen die Interpretation von OGBL-Gewerkschaftspräsidentin Nora Back (r.) Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Die Regierung war wohl in anderen Verhandlungen als die Sozialpartner“, konstatiert die Grünen-Abgeordnete nach der Chamber-Sitzung am Donnerstag. „Der Sozialdialog hat eine starke Delle davongetragen, das Tripartite-Modell scheint am Ende – und das ist ein großes Problem, das die Regierung verkennt.“ Dass es für Arbeitnehmer nicht schlimmer komme, sei der Mobilisierung der Gewerkschaften zu verdanken. Bei der Rentenreform moniert die Grünen-Politikerin mangelnde Seriosität. „Keine ernst zu nehmende Antwort bei Fragen nach neuen Finanzierungswegen, keine Einschätzungen zu den Folgen der Maßnahmen für künftige Rentner“, zählt Tanson auf. Letzten Endes habe die Regierung vor allem eins gewollt: „d’Kou vum Äis huelen“ und die selbst ausgelöste Krise schnellstmöglich beenden. „Ich denke sehr wohl, dass eine Einigung möglich gewesen wäre“, sagt Tanson. Es sei Luxemburger Tradition, miteinander im Tripartite-Modell zu diskutieren. Ein Modell, das nun infrage gestellt wurde, weil sich die Diskussionen als „ein bisschen kompliziert“ erwiesen. Denn: „Was, wenn im ‚Comité permanent du travail et de l’emploi’ (CPTE) keine Einigung hinsichtlich der Arbeitszeitorganisation gefunden wird?“, fragt Tanson. Eine Frage, auf die CSV-Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) der Grünen-Abgeordneten höchst „konfus“ antwortete. „Die Regierung hat keinen Plan B, wenn diese Gespräche scheitern.“

„Keine Lust auf Diskussionen“

Sich verschärfende Sozialkonflikte, weil die Regierung keine Lust auf Diskussionen hatte – so in etwa resümiert LSAP-Fraktionspräsidentin Taina Bofferding die zweistündige Sitzung am Donnerstagnachmittag. „Die Regierung bricht mit dem Luxemburger Sozialmodell“, so Bofferding. Die Fronten zwischen den Sozialpartnern mögen verhärtet gewesen sein, die Meinungen divergieren. „Es ist doch gerade dann die Aufgabe der Regierung, diese wieder einander anzunähern.“ Der nun gewählte Ausweg sei dann doch zu einfach. Vor allem, weil die Gewerkschaften auch nach 16 Uhr noch bereit gewesen wären, zu diskutieren. „Die Regierung war nicht wirklich an einem Kompromiss interessiert, sonst hätte sie diese Situation anders gehandhabt“, sagt Bofferding. Eine Notwendigkeit, die Diskussionen gestern bereits zu beenden, habe keine bestanden. „Die Schlussfolgerungen der Regierung, die der Presse vorgestellt wurden, waren die gleichen, die die Regierung um 10 Uhr morgens vorgelegt hat“, moniert Bofferding. „Das war eine Alibiveranstaltung, ohne dass der Wille zum Kompromiss bestanden hätte.“

Die Regierung hat das Luxemburger Modell zu Grabe getragen

Marc Baum, Abgeordneter von „déi Lénk“

Überraschend kommt für die LSAP, dass die Regierung nun behauptet, sie habe kein Mandat für eine Rentenreform. Warum dann die breite Konsultationskampagne? „Letztlich dreht sie nur an ein paar Schrauben, um sich für die nächsten drei Jahre über Wasser zu halten“, sagt Bofferding. Das sei angesichts des nächsten Wahltermins auch kein Zufall. „Sie machen es sich ein bisschen zu leicht, indem sie das auf die nächste Regierung abdrücken.“

Marc Baum von „déi Lénk“ formuliert es noch etwas drastischer. „Gestern war kein guter Tag für unser Land“, sagt der Escher Politiker. „Die Regierung hat das Luxemburger Modell zu Grabe getragen.“ Baum befürchtet, dass in Zukunft mehr gegeneinander gearbeitet als miteinander geredet wird. Vertrauensbildende Vorschläge für die anstehenden Diskussionen im CPTE von der Linken seien von Arbeitsminister Georges Mischo ausgeschlagen worden. Auch die Vorschläge zur Rentenreform kritisiert der Linken-Politiker scharf. „Wir sind überhaupt nicht mit der Verlängerung der Beitragsdauer einverstanden“, sagt Baum. „Von der Regierung wurde nicht einmal berechnet, was diese Maßnahme dem System überhaupt bringe.“

DP glücklich, Spautz sieht Verbesserungen

DP-Präsidentin und Abgeordnete Carole Hartmann hatte eine ganz andere Lesart. „Wir sind als DP glücklich, dass der Sozialdialog wieder eine neue Dynamik bekommen hat“, sagt die DP-Politikerin. Der Sozialdialog habe immer für den sozialen Frieden gesorgt und soll in der jetzigen Form auch weiterbestehen. Die Regierung habe versucht, ein Gleichgewicht zu finden. „Kein Scheitern, sondern ein Zuhören und ein Schlussfolgern.“ Hartmann hatte dem Sozialdialog vor der Sozialrunde ein ‚Malaise’ diagnostiziert, den Tod des Tripartite-Modells erkennt Hartmann nicht an. „Das CPTE ist ein wichtiges Gremium, das wir wieder in Schwung bringen müssen, um arbeitsrechtliche Reformen zu diskutieren. Das nun vorliegende Reformpaket in puncto Renten rechtzeitig durch die Chamber zu bringen, sei ambitioniert. „Ich traue uns das als Parlament jedoch zu.“ 

Carole Hartmann nahm die Regierung mit Georges Mischo (Mitte) in Schutz, Marc Spautz (r.) differenzierte von Fall zu Fall
Carole Hartmann nahm die Regierung mit Georges Mischo (Mitte) in Schutz, Marc Spautz (r.) differenzierte von Fall zu Fall Foto: Editpress/Alain Rischard

Deutlicher wird da schon CSV-Fraktionspräsident Marc Spautz. „Ich hätte es bevorzugt, wenn eine Einigung zustande gekommen wäre“, meint der CSV-Politiker. Das sei aber laut Aussage von Premierminister Luc Frieden nicht möglich gewesen. Die Regierung habe daraufhin ihre Vorschläge durchgesetzt. Ein persönliches Anliegen des ehemaligen Gewerkschafters ist die von der Regierung geplante Liberalisierung der Sonntagsarbeit. „Ich finde es gut, dass der Kollektivvertrag spielt, um die künftig zu regeln“, sagt Spautz. Das sei eine merkliche Verbesserung zu den eingangs vorgelegten Plänen der Regierung. Dass eine große Rentenreform nun lediglich bis zu den nächsten Wahlen verschoben wurde, sieht Spautz weniger dramatisch. „Dann kommt es zu einem Schlagabtausch der besten Ideen und jede politische Partei muss Farbe bekennen.“ Ob mit einem Wähler-Mandat oder nicht: „Es ist wichtig, dass jetzt etwas getan wurde, weil sonst das Renten-Ajustement und die Jahresendzulage hätten gestrichen werden müssen.“ 

Beim ADR-Abgeordneten Fred Keup konnte man sich indes nicht sicher sein, ob dieser Mehrheits- oder Oppositionsabgeordneter ist. „Ich bin jetzt einfach mal das Gegenteil von populistisch und sage, dass wir eine verantwortungsvolle Politik für die Zukunft unseres Landes brauchen“, sagte der ADR-Politiker nach der Kommissionssitzung. Das bedeute, dass das Rentenproblem nicht unangetastet bleiben könne. „Wir kommen nicht umhin, die Beitragsjahre wie auch den Beitragssatz zu erhöhen.“ Den Weg habe die ADR vorgegeben und das mache die Regierung nun auch, auch wenn man sich im Detail nicht immer einig sei.

Weitere Details zu Steuerfreibeträgen

Finanzminister Gilles Roth (CSV) hat am Donnerstagnachmittag weitere Details zu dem von der Regierung am Mittwoch bekannt gegebenen Reformpaket genannt. Demnach soll der monatliche Steuerfreibetrag für Arbeitnehmer, die trotz Anspruch auf Rente weiterarbeiten und noch keine 65 Jahre alt sind, 750 Euro betragen. Für ein Bruttoeinkommen von 40.000 Euro würde das eine Nettoerleichterung von jährlich 2.198 Euro in Steuerklasse 1, 1.631 Euro in Steuerklasse 1a und 928 Euro in Steuerklasse 2 bedeuten.

Reinertz Barriera Manfred
5. September 2025 - 6.21

Fazit der Veranstaltung: Das luxemburger Modell des Sozialdialoges ist "game over" für unseren CEO...

Altwies Yves
4. September 2025 - 21.28

"Je n'ai pas peur des profiteurs
Ni même des agitateurs
J'fais confiance aux électeurs
Et j'en profite pour faire mon beurre"

Jacques Dutronc "L'opportuniste" (1969)