Donnerstag6. November 2025

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FraktionskritikContra als politisches Projekt: LSAP bleibt inhaltlich blass

Fraktionskritik / Contra als politisches Projekt: LSAP bleibt inhaltlich blass
Taina Bofferding ist als Fraktionschefin der LSAP intern nicht unumstritten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die LSAP hat das Chamber-Jahr mit einer Logement-Kampagne abgeschlossen, blieb im Vergleich zu anderen Oppositionsparteien jedoch eher blass. Das hat konkrete Gründe.

„Jidderee fir sech, d’Kamera fir mech.“ Dieser Spruch geistert seit Monaten durch die Gänge der Hausnummer 34 am Krautmarkt, dem Sitz der LSAP-Fraktion. Er resümiert auf pointierte Weise, warum die LSAP in den vergangenen Monaten schwächelt und im Vergleich zu anderen Oppositionsparteien wie „déi Lénk“ oder „déi gréng“ blass blieb. Die LSAP, oder vielmehr deren Abgeordnete, ist vor allem mit sich selbst beschäftigt und blieb in den großen politischen Debatten zur Rente und zum „état de la nation“ hinter den Erwartungen zurück, die an die größte Oppositionspartei gerichtet werden. Die Ursachen dahinter sind vielfältig.

Fraktionschefin Taina Bofferding wird in Gesprächen mit Vertrauten der Partei als einer der Gründe aufgeführt, warum die politische Arbeit der LSAP-Fraktion nicht die eigentlich erhoffte politische Wirkkraft entfaltet. Dass Bofferding in der Chamber nicht unbedingt mit den rhetorischen Fähigkeiten der ehemaligen Anwältin Sam Tanson konkurrieren kann, sei dahingestellt. Doch selbst punktuell schafft es Bofferding in den öffentlichen Chambersitzungen nur selten, gezielt Druck auf die Regierungsparteien auszuüben. Bezeichnend: Es war Sam Tanson, die Premierminister Luc Frieden wieder in seine Schranken wies, als dieser sich über die lange Debatte beim „état de la nation“ beschwerte – und eben nicht die Fraktionspräsidentin der größten Oppositionspartei. Die Probleme richten sich jedoch auch nach innen: Der Südpolitikerin wird aus Partei- und Fraktionskreisen ein Mangel an Führung und Leadership innerhalb der eigenen Fraktion attestiert.

Finger weg vom öffentlichen Diskurs

Die LSAP hat es in den vergangenen Monaten verpasst, innenpolitische Akzente zu setzen. Bei der Rentendebatte hielt sich die Fraktion auffällig zurück – bedingt durch die ambivalente Rolle ihres Rentensprechers Mars Di Bartolomeo, der als Sozialminister 2012 entscheidend an der damaligen Reform beteiligt war, die bereits Rentenkürzungen vorsah. Während „déi Lénk“ bereits im September vergangenen Jahres konkrete Reformvorschläge vorstellte, hüllte man sich bei der LSAP bis zur öffentlichen Debatte in der Chamber in Schweigen. Nach der Debatte wurde – Oppositionsrolle und regierungsinternes Chaos obligent – viel Kritik geübt. Dies konnte jedoch nur kurzzeitig darüber hinwegtäuschen, dass von der LSAP weiterhin kein zusammenhängendes Konzept vorgelegen hat. Und das war kein Zufall, sondern Strategie. Als der LSAP-Generalsekretär Sacha Pulli im vergangenen September einen Forum-Artikel im Tageblatt zur Rentenreform publizierte, echauffierten sich Stimmen aus der Fraktion in internen Sitzungen und forderten, dass sich niemand zur Rentendebatte äußere. Man solle erst den Regierungsparteien das Feld überlassen, damit diese sich die Finger verbrennen, lautete das Credo. Eine Forderung, der ohne weiterführende Diskussion und Einspruch seitens der Fraktionspräsidentin nachgegeben wurde.

An dieser Strategie hielt die LSAP auch dann fest, als es den Linken kontinuierlich gelang, anhand ihrer eigenen, von der IGSS durchgerechneten Rentenreform Druck auf die Regierung, CSV und DP auszuüben. Ein überstürzt wirkender Kurswechsel erfolgte erst nach Luc Friedens Rede zur Lage der Nation, als die LSAP am 20. Mai mittags um 12.30 Uhr eine Pressekonferenz für 16 Uhr am selben Tag einberief. Ein für den Medienbereich kurzes Zeitfenster, das den Eindruck einer desorientierten Partei auf der Suche nach politischer Signifikanz nur noch verstärkte. 

Angespannte Stimmung

Mit der Anfang Juli lancierten Logement-Kampagne ist die LSAP das erste Mal in den vergangenen zehn Monaten innenpolitisch in die Offensive gegangen. Vorher machte sie vor allem mit Pressekonferenzen zur Lage in Gaza auf sich aufmerksam. Wobei auch der Zeitpunkt der Logement-Offensive – kurz vor den Sommerferien – strategisch äußerst fragwürdig ist. Das späte Datum soll unter anderem deswegen zustande gekommen sein, weil die Chamber-Fraktion sich mit inhaltlichen Prioritäten lange schwergetan haben soll. Der Kampagnenstart musste in der Folge immer weiter bis schlussendlich Anfang Juli verzögert werden. Ob dieser in der politischen Sommerpause die nötige Wirkkraft entfalten kann, muss sich dann in den kommenden Monaten zeigen.

Zu dieser bescheidenen politischen Bilanz der vergangenen Monate gesellt sich eine angespannte Stimmung in Partei und Fraktion. Das eingangs erwähnte Zitat hätte den Weg an die Öffentlichkeit nicht gefunden, wenn das Problem nicht weiter reichen würde als eine gewisse politische Orientierungslosigkeit. Das wirkt sich auch auf das Personal aus: In den vergangenen Monaten haben mehrere Mitarbeiter die Fraktion verlassen, darunter auch die Koordinatorin Nathalie Schmit, die Taina Bofferding aus dem Innenministerium wieder mit in die Fraktion begleitet hatte. Und auch die zweite parlamentarische Sekretärin Vanessa Tarantini wird die Fraktion im September verlassen. In der Parteileitung zeigt man sich ob der Abwesenheit der Abgeordneten sowohl bei internen als auch externen Veranstaltungen unzufrieden bis desillusioniert. Auf dem Zentrumsfest der LSAP am 9. Juni in Lintgen waren Yves Cruchten und Claire Delcourt, die erst kurz zuvor ihr Kind zur Welt brachte, als einzige Abgeordnete anzutreffen, wie Besucher dem Tageblatt berichten. Die ursprünglich angekündigte ehemalige Spitzenkandidatin Paulette Lenert sagte hingegen vorher ab. Ein Bild, das sich durch die vergangenen Monate zieht und entsprechenden Frust bei Partei und Mitgliedern ausgelöst hat.

Das hat mittlerweile dazu geführt, dass zwei Namen immer öfter in den Partei- und Fraktionsgängen kursieren: Ben Polidori und Nicolas Schmit. Polidori, weil er unter den Mitarbeitern als äußerst engagiert gilt und somit mittlerweile als „unser bester Abgeordneter“ umschrieben wird. Polidoris Vorteil ist, dass er als Parteineuzugang mit den partei- und fraktionsinternen Machtkämpfen, die bereits mit Blick auf die kommenden Wahlen geführt werden, wenig am Hut hat. Das Ringen um die künftig vakanten LSAP-Präsidentschaftsposten wird immerhin ein erstes Indiz dafür liefern, wer internes Durchsetzungsvermögen beweist und sich 2028 möglicherweise LSAP-Spitzenkandidat nennen darf.

Alte Koryphäen

Die internen Streitigkeiten sind auch der Grund, warum immer wieder der Name Nicolas Schmit in den Fraktionsgängen fällt. Der ehemalige EU-Kommissar soll auf Wunsch einiger Sozialisten wieder reaktiviert werden, um bei den kommenden Nationalwahlen den politischen Schwergewichten wie Luc Frieden oder auch Xavier Bettel etwas entgegenzusetzen. Bedeutet: Es fehlt das nötige Vertrauen in das derzeitige Führungspersonal. Es erinnert an die Situation innerhalb der CSV, die sich jahrelang nicht in der Opposition zurechtfand und es nicht schaffte, einen Spitzenkandidaten aus den eigenen Reihen zu benennen. Nachdem Claude Wiseler 2018 gescheitert war, musste 2023 Luc Frieden aus der politischen Rente geholt werden. Ein Erfolgsrezept für die CSV, an dem sich einige LSAPler wohl gerne inspirieren würden. Dass auch Luc Frieden die historisch schlechten Wahlergebnisse der CSV aus den vergangenen Jahren nicht verbessern konnte, ist mit seinem Aufstieg zum Premierminister schnell in Vergessenheit geraten.

Wie stark die LSAP derzeit nach einer politischen Linie sucht, veranschaulichen die intern geführten Diskussionen um den 28. Juni. Die Unterstützung respektive die Teilnahme der LSAP an der nationalen Großdemonstration von OGBL und LCGB stand tatsächlich lange Zeit zur Debatte, wie es aus Fraktions- und Parteikreisen heißt. „Wenn die Demo schiefgeht, hängen wir mit drin“, lauteten die vorher in Partei- und Fraktionskreisen angeführten Bedenken. Die Entscheidung, an der Demo teilzunehmen, wurde der LSAP mit Luc Friedens Ankündigungen zur Rentenreform in seiner Rede zur Lage der Nation schließlich aus der Hand genommen. Die allgemeine Stimmungslage nach den Ankündigungen zur Rentenreform machte die Teilnahme zum Selbstläufer. So geht Opposition mit viel Kalkül und wenig Haltung.

Dunord Hagar
25. August 2025 - 21.06

Würde sagen, nicht nur die ganze Regierung ist inhaltlich blass, sondern auch äusserlich kreidebleich...

Guth Guy
25. August 2025 - 14.10

Fir d’Fraktiounschefin gëllt v’run alllem dee Satz: jidderee fir sech , 
»KAMERA FIR MECH ».

Nomi
25. August 2025 - 10.28

Wei soll daat go'en mat Bofferding ?

Guy Mathey
25. August 2025 - 9.05

Das Verhalten der LSAP in Sachen Rentenreform ist in der Tat absolut beschämend! Déi Lenk sind die einzige Partei, welche schnell klar Position bezogen hatte und mit absolut belastbaren Vorschlägen an die Öffentlichkeit trat.

Reinertz Barriera Manfred
25. August 2025 - 7.26

Als stärkste Oppositionspartei müsste die LSAP eben einige Konzepte haben, um die Regierung anzugreifen; die gibt es zur genüge; man muss sie nur aufgreifen und konkrete Lösungen, Alternativen zur Debatte bringen: Wohnungsnotstand und Rentenreform sind nur einige der Dauerbrenner, wo die LSAP einfach versagt hat, also ir Konzepte ausarbeiten und Vorschläge machen z.B. um die Regierung mal zu fordern....