Mittwoch5. November 2025

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Flughafen FindelVirtuell oder real? Fluglotsen und Ministerium streiten um neuen Tower

Flughafen Findel / Virtuell oder real? Fluglotsen und Ministerium streiten um neuen Tower
Der Kontrollturm des Flughafens Findel muss saniert oder ersetzt werden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Seit Jahren steht fest: Der Flughafen Findel soll einen neuen Kontrollturm bekommen. Nun berichtet die Gewerkschaft der Fluglotsen von Plänen aus dem Mobilitätsministerium, statt eines neuen Gebäudes einen virtuellen Tower einrichten zu wollen. Für die Lotsen ein No-Go – sie drohen mit Streik.

In den vergangenen 35 Jahren stand der Flughafen Findel nur einmal still. Während Fluglotsen europaweit immer wieder streikten, lief der Verkehr in Luxemburg weiter. Selbst in Covid-Zeiten. Das könnte sich bald ändern. Denn die Gewerkschaft der Fluglotsen hat eine rote Linie gezogen und die hat die Form eines virtuellen Kontrollturms. „Wenn wir dazu gezwungen werden, dann ist Game Over, dann steht der Betrieb“, sagt Christian Seidel, Präsident der „Guilde luxembourgeoise des contrôleurs de la circulation aérienne“ (GLCCA).

Luxemburgs Flughafen soll einen neuen Kontrollturm bekommen. Dieses Projekt hat schon die Vorgängerregierung aus LSAP, DP und „déi gréng“ 2018 auf den Weg gebracht. Auch die Chamber hat bereits grünes Licht für die Investitionen gegeben. Das ist sieben Jahre her. Heute gibt es zwar einige Baustellen auf dem Flughafengelände, keine jedoch für einen neuen Tower. Selbst auf einen Standort konnte man sich bislang nicht festlegen. Nun steht auf einmal die Frage im Raum, ob der neue Kontrollturm tatsächlich ein reales Gebäude werden soll – oder ein virtueller Tower. Letzteres kündigt Transportministerin Yuriko Backes (DP) am Samstag im Interview mit dem Luxemburger Wort an.

„Es ist ein europäisches Phänomen“, sagt Max Fischbach, „viele Air Navigation Service Provider in Europa rüsten ihre kleineren Flughäfen damit aus.“ Fischbach ist Vorstandsmitglied der Fluglotsengewerkschaft. Bei einem virtuellen Tower oder „Remote Tower“ müssen die Fluglotsen nicht mehr mit Blick auf die Landebahn arbeiten. Er ermöglicht es Lotsen, den Flughafenverkehr von einem anderen Standort aus mithilfe eines Systems aus hochauflösenden Kameras, Sensoren, Mikrofonen und Augmented-Reality-Tools zu verwalten. Anstatt aus dem Fenster zu schauen, überwachen die Fluglotsen die Flugzeuge über eine Wand aus Bildschirmen und Datenfeeds. Ein System, das in den Augen der Gewerkschaft zu viele Risiken bietet.

Max Fischbach, Vorstandsmitglied der Fluglotsengewerkschaft, und Christian Seidel, Präsident der „Guilde luxembourgeoise des contrôleurs de la circulation aérienne“
Max Fischbach, Vorstandsmitglied der Fluglotsengewerkschaft, und Christian Seidel, Präsident der „Guilde luxembourgeoise des contrôleurs de la circulation aérienne“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Remote Tower machen Sinn in verschiedenen Locations“, sagt GLCCA-Präsident Seidel. Virtuelle Tower sind in ganz Europa im Einsatz, im nahen Saarbrücken (dort wird von Leipzig aus gelotst), aber auch in London und Norwegen. Kleine, entlegene Flughäfen eigneten sich gut für diese Art von Flugverkehrskontrolle, erklärt Seidel. London City ist weltweit der größte Flughafen, der mit einem virtuellen Tower arbeitet. 40.000 Bewegungen zählt er im Jahr, Luxemburg hat mehr als 100.000. Doch nicht nur Flugvolumen spielt eine Rolle, auch die Wetterverhältnisse. „Wenn bei Nebel die Sicht unter 1.500 Meter sinkt, wird London City dichtgemacht“, sagt Seidel. Mit Kameras lässt sich unter diesen Bedingungen nicht mehr sicher arbeiten. „Wenn wir in Luxemburg bei unter 1.500 Meter zumachen würden, dann haben wir zwei Monate im Jahr zu.“ Außerdem habe London im Vergleich zu Luxemburg noch fünf weitere Flughäfen und sei kein NATO-Flughafen, so Seidel. Ausfälle wären also weniger dramatisch.

Sicherheitsbedenken überwiegen

Für die Fluglotsen ist Findel zu groß und die Wege zu komplex, um den Verkehr über einen rein virtuellen Tower zu kontrollieren. Flugzeuge von Luxair und Cargolux müssen die Landebahn queren, um zwischen Parking und Wartung bewegt zu werden. Eine Situation, die es auf vielen anderen Flughäfen nicht gibt. Vielerorts werden virtuelle Tower als Experimente getestet. In den USA, einst Vorreiter der neuen Technologie, rückt die Federal Aviation Administration (FAA) mittlerweile wieder von diesem Konzept ab. Die luxemburgischen Fluglotsen fragen sich, warum man – abgesehen von den vermeintlich geringeren Kosten – nun hierzulande mit dieser Idee spielt. „Auch wenn es funktionieren würde, könnten wir dann nicht mehr 100 Prozent des Volumens lotsen, was wir heute lotsen“, sagt Seidel.

Vor allem aber überwiegen bei den Gewerkschaftern die Sicherheitsbedenken. Kameras sind anfällig, sie können beschlagen, Insekten können die Sicht versperren, Laserpointer sie blenden. Auch Vogelschwärme, die sich außerhalb des Sichtfelds der Kamera bewegen, könnten zu einer Gefahr werden, so die Lotsen. Wenn das Netz zusammenbricht, so wie in dieser Woche geschehen, hat ein virtueller Tower Probleme. Auch könnte er Zielscheibe von Cyberattacken werden. „Ein Fenster kann man nicht hacken“, sagt Fischbach. „Durchs Fenster sieht man immer durch.“ Der Sicherheitsexperte hat auch wirtschaftliche Bedenken. Mit dem Equipment eines virtuellen Towers mache man sich abhängig von einem Anbieter, der später dieses Monopol ausnutzen könnte. „Die machen das genau wie Apple“, sagt Fischbach, „die bringen immer wieder neue Produkte raus und die alten werden nicht mehr unterstützt und obsolet.“ Auch für die vielen Sportflieger, die den Flughafen nutzen, könnte es mit einem virtuellen Tower zu Einschränkungen kommen, weil die von den Lotsen auf Sicht kontrolliert werden. „Wenn sie über den Kamerarand fliegen, sieht man sie nicht mehr“, so Seidel.

Sportflieger hätten mit einem virtuellen Tower das Nachsehen
Sportflieger hätten mit einem virtuellen Tower das Nachsehen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Ursprünglich war auf Findel geplant, einen neuen Turm zu bauen, um den alten Tower dann als Ersatz im Notfall nutzen zu können. Solch eine im Expertensprech „contingency“ genannte Maßnahme ist von der EU vorgeschrieben. „Für den Fall, dass ein Tower ausfällt, muss ein Flughafen noch weiterlaufen können. Die Lotsen sollen dann von einer zweiten Location aus arbeiten“, sagt Fischbach. Das gibt es aktuell auch schon auf dem Luxemburger Flughafen. Als „Raum mit einem Funkgerät und einem Radar“, beschreibt Seidel diesen Notfall-Tower. Würde von dort aus gelotst, sei der Flugverkehr sehr eingeschränkt. „Wir müssen uns aus dem Fenster rauslehnen, um die Piste zu sehen. Das ist nicht ideal“, so Fischbach.

Wie genau die Pläne des Mobilitätsministeriums für den zweiten Tower von Findel aussehen, wissen die Fluglotsen nicht. Sie fühlen sich von den Entscheidungen ausgeschlossen. „Wieso redet keiner im Voraus mit uns?“, fragt sich Seidel. „Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Geld soll investiert werden, aber die Betroffenen würden nicht gefragt. Mitte Juni richteten sich sowohl die CSV- als auch die LSAP-Fraktion mit einer parlamentarischen Frage zu den aktuellen Plänen an Ministerin Backes. Eine Antwort steht, Stand Freitagnachmittag, noch aus – obwohl die Frist nach Verlängerung bereits am Donnerstag abgelaufen war.

Baut den Tower, der vorgesehen war, dann gehen wir rüber und dann könnt ihr den alten Turm abreißen, wenn ihr wollt, und eure ‚virtual contingency‘ machen

Max Fischbach, Vorstandsmitglied der Fluglotsengewerkschaft

Den Gewerkschaftern ist es indes wichtig, deutlich zu machen, dass sie sich nicht gegen neue Technik sperren. Sie seien auch nicht per se gegen einen virtuellen Tower, sagen Seidel und Fischbach. Ihre Sorge ist vor allem, dass aus einer Übergangslösung ein Dauerzustand werden könnte, wenn die Lotsen in einen virtuellen Tower ziehen, ohne dass der Bau eines neuen Towers begonnen wurde. „Baut den Tower, der vorgesehen war, dann gehen wir rüber und dann könnt ihr den alten Turm abreißen, wenn ihr wollt, und eure ‚virtual contingency‘ machen“, sagt Fischbach.

Im Zweifel bis zum Streik

Um den Standort eines neuen Kontrollturms haben sich die Fluglotsen bereits Gedanken gemacht: direkt gegenüber dem alten Tower, auf der anderen Seite der Piste, der Seite von Sandweiler. „Das hat sehr viele Vorteile“, sagt Seidel. „Im Moment schauen wir immer nach Süden, unser Radar zeigt aber nach Norden. Es ist alles spiegelverkehrt.“ Man schaue außerdem immer in die Sonne, die meisten Tower weltweit stünden im Süden und schauten nach Norden. Kritik an diesen Plänen kommt aus der Gemeinde Sandweiler. Dort sorgen sich Anwohner, der neue Tower könnte ihre Aussicht stören, in ihre Gärten schauen. Unbegründet, sagt Seidel. Erstens sei der Tower nicht so hoch und zweitens schaue man als Lotse ja nach Norden zur Piste und nicht nach Süden zu den Häusern. Und noch einen anderen Vorteil hätte der neue Standort für die Gemeinde. Der Circuit der Sportflieger würde sich verschieben. Noch drehen sie über Sandweiler ihre Runden, weil die Lotsen sie dort im Blick haben und auf sie „aufpassen“ könnten, so Fischbach. Mit dem neuen Tower würden sie dann im Norden des Flughafens fliegen – über Autobahn und Wald.

Neben dem Streit um den neuen Turm gibt es noch ein weiteres dringliches Thema, das die Gewerkschafter umtreibt: Aktuell arbeiten die Lotsen pro Schicht mindestens zu dritt, in drei verschiedenen Positionen mit unterschiedlichen Verantwortungen, die sie während der Schicht durchtauschen. „Momentan sind wir sehr am Limit“, sagt Seidel. Die Personaldecke ist dünn, viele Kollegen gehen in naher Zukunft in Rente. Wird jemand krank, müssen die anderen Überstunden machen.

In den vergangenen 35 Jahren stand der Flughafen Findel nur einmal still. Die Streitpunkte damals: Personal und der Tower. „Jetzt sind wir wieder am gleichen Punkt“, sagt Seidel.


Luxemburg will seinen Flugverkehr künftig mittels eines virtuellen Kontrollturms lenken. Die Fluglotsen sind strikt dagegen. Was halten Sie von dem Vorhaben?

Reinertz Barriera Manfred
28. Juli 2025 - 6.19

Ich glaube man muss diese Ministerin durch einen Virtuelle Ministerin ersetzen, die kostet weniger Geld und macht weniger Mist

Nomi
27. Juli 2025 - 22.04

Yuriko : Vill Ahnung, Ahnung vun Naischt !

Guy Mathey
27. Juli 2025 - 17.20

Niemand wird die Vor und Nachteile der einzelnen Systeme besser bewerten können, als erfahrene Fluglotsen, welche sich auch über die verschiedensten Technologien genauestens informiert haben. Zur Auslotung der für den Luxemburger Flughafen optimalsten Lösung muss, sollte dies nicht längst der Fall sein, eine Arbeitsgruppe geschaffen werden, in welche die lokalen Spezialisten ihr Know how einbringen können.

Norbe Milla
27. Juli 2025 - 12.13

Natürlich virtuell, dann können die Fluglotsen von zuhause auf der Couch lotsen.
No Problemo.

Nomi
27. Juli 2025 - 11.35

Viruellen Tower :;
Huet d'Uriko net mat kridd dass bei der Post all Kommunikatio'un ausgefall war.
Dann ass den virtuellen Tower och blann, an dann kennen d'Lotzen net visuell een Flieger an No'ut ob d'Pist krei'en !

Nomi
26. Juli 2025 - 14.16

Geht di Schrecksekonn bei der Post net duer ?

goelff jean-pierre
26. Juli 2025 - 11.02

....der neue Tower könnte die Aussicht stören und man könnte auch Salat und Möhren kontrolliert wachsen sehen......Junge,Junge,son' Stus made in Lëtzeburg!