Schützen Luxemburgs Medien einen Kriminellen? Wer die vergangenen Tage auf Facebook und Co. unterwegs war, könnte das meinen. Was ist passiert?
Vor wenigen Wochen wurde ein 19-Jähriger in Mamer von einer Gruppe vermummter Jugendlicher brutal misshandelt. Das Opfer hatte sich über soziale Medien mit einem 13-jährigen Mädchen verabredet. Am Treffpunkt warteten jedoch mehrere Jugendliche auf ihn – und schlugen brutal zu.
Einer der mutmaßlichen Täter sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Die Anti-Terror-Polizei ermittelt, da hinter ähnlichen Akten der Selbstjustiz meist ein Netzwerk steht. Auf Facebook, Instagram und Co. sprießen die Gerüchte: Der Name des mutmaßlichen Haupttäters sei längst bekannt und er habe familiäre Beziehungen zur Politik, aber die Medien berichten nichts darüber – gibt es in diesem Fall, wie es online formuliert wird, gar eine „Nachrichtensperre“? Schreibt der Staat uns vor, was wir berichten dürfen und was nicht?
Selbstverständlich nicht. Und deswegen möchten wir als Tageblatt-Redaktion Stellung beziehen: Ja, uns ist die Identität von einem der mutmaßlichen Täter bekannt. Schon früh gab es Hinweise auf Verbindungen ins öffentliche Leben und in die Politik. Am Freitag bestätigte uns das nahe familiäre Umfeld des mutmaßlichen 19-jährigen Täters seine Identität. Jedoch handelte er nicht alleine. Zumindest einige der Mittäter sind gesichert noch minderjährig – und spätestens ab hier wird von uns Medien allerhöchste Sorgfaltspflicht verlangt.
Nach juristischer Prüfung sind wir deshalb zu dem Schluss gekommen, dass in diesem Fall der Jugendschutz schwerer wiegt als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Unsere Entscheidung, keine Namen zu nennen, hat also nichts mit einer angeblichen „Nachrichtensperre“ zu tun. Das würde gegen das Prinzip der Pressefreiheit verstoßen – und wäre mit uns nicht machbar. Es hat vielmehr mit unserer journalistischen Verantwortung zu tun. Eine freie Presse ist ein hohes Gut in einer demokratischen Gesellschaft. Pressefreiheit bedeutet aber nicht, alles jederzeit preiszugeben. Sie heißt auch: abwägen. Hierbei berufen wir uns auf den für Journalisten geltenden Deontologie-Kodex, der unter anderem einen besonderen Schutz von Minderjährigen vorsieht.
In der Chamber bestätigte Innenminister Léon Gloden (CSV) auf Nachfrage der LSAP-Abgeordneten Taina Bofferding, dass es sich um einen Fall von sogenanntem „Pädo-Hunting“ handelt. Ein Begriff, der von Rechtsextremen selbst geprägt wurde, um ihrer Form der Selbstjustiz einen vermeintlich heroischen Anstrich zu verleihen. Die Täter locken dabei Menschen, die sie verdächtigen, pädophile Neigungen zu haben, in eine Falle, um sie anschließend zu misshandeln und öffentlich zu demütigen. Das Phänomen hat sich inzwischen über rechtsextreme Netzwerke in ganz Europa verbreitet. Die selbsternannten „Pädophilenjäger“ haben es nicht nur auf Pädophile abgesehen, sie gehen auch gegen queere Menschen vor.
Die Ermittlungen im Fall Mamer dauern an. Ob es sich hier um ein rechtsextremes Netzwerk handelt, muss von den Behörden festgestellt werden.
Die Tageblatt-Redaktion wird den Fall mit der gebotenen Sorgfalt weiterverfolgen. Wenn eine Gruppe Jugendlicher einen brutalen Überfall verübt – und es sich dabei um den zweiten dokumentierten Fall von „Pädo-Hunting“ in Luxemburg handelt –, dann besteht ein legitimes öffentliches Interesse an der Affäre. Unabhängig davon, wer die Täter sind.
De Maart

The hunt for hellhounds is on
Ein Lob den Ermittlern der Polizei, die dem familiären Umfeld des Täters in diesem Fall bewiesen hat, wie effizient sie gegen Gewalt auf der Strasse vorgehen kann.