Drei Deutschrussen sollen Sprengstoff- und Brandanschläge auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland geplant haben, mit dem Ziel, die deutsche Unterstützung für die Ukraine zu sabotieren. So lautet der Vorwurf der Bundesanwaltschaft gegen drei Männer, die sich aktuell vor dem Oberlandesgericht München verantworten müssen. Ein anderer Fall: Im Juli 2024 brannte im DHL-Logistikzentrum in Leipzig ein Luftfrachtpaket, das einen ganzen Container mit in Brand steckte. In dem aus dem Baltikum verschickten Paket befand sich eine Brandvorrichtung. Es war einer von mehreren vergleichbaren Vorfällen in Europa. Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Brandsätze vorsätzlich verschickt wurden, um logistische Infrastruktur in westlichen Staaten zu schädigen.
Es sind nur zwei Beispiele in einer immer länger werdenden Liste von Sabotage-, Spionage- und anderen Einflussnahmeaktionen in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Was viele dieser Fälle gemeinsam haben: Ausgeführt werden sie von sogenannten „Low Level Agents“, auch „Wegwerf-Agenten“ genannt, die im Dienst russischer Nachrichtendienste agieren sollen. Der Verfassungsschutz beschreibt damit Personen, die von ausländischen Nachrichtendiensten niedrigschwellig angeworben werden. Es handelt sich also nicht um professionelle Mitarbeiter oder langfristig angeworbene Agenten, sondern um ungelernte Einzeltäter, die häufig für geringe Geldbeträge Aufträge ausführen, deren genaues Ausmaß sie womöglich nicht genau kennen.
Nach Einschätzung des Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen, versucht Russland durch den Einsatz dieser „Wegwerf-Agenten“, die Sabotage- und Spionageabwehr der Zielländer zu umgehen. „Es geht zum einen darum, die Methoden immer wieder anzupassen, dass Operationen erfolgreich sind. Das heißt also, im Werkzeugkasten hat sich etwas verändert, um Abwehrstrategien von Sicherheitsbehörden entgegenzuwirken“, sagte Selen dem Tageblatt mit Blick auf das russische Vorgehen.
Russland testet massiv unsere Schwachstellen aus und versucht sehr gezielt, Infrastruktur auszuspähen
Selens zweiter Punkt ist noch brisanter: Russland legt offenbar immer weniger Wert darauf, die Urheberschaft solcher gefährlicher Operationen zu verschleiern. Es bestehe durchaus die Bereitschaft, „die ,Deniability‘ nicht mehr im Vordergrund zu sehen, sondern den operativen Erfolg. Auch das beobachten wir seit Jahren hinsichtlich russischer Nachrichtendienste“, betonte der BfV-Präsident. Dabei ist „Deniability“, also die Abstreitbarkeit, eine durchaus relevante nachrichtendienstliche Fähigkeit, mit der die Verantwortung für bestimmte Operationen geleugnet und die Anonymität eines Nachrichtendienstes gewahrt werden kann. Dass Russland darauf wenig Wert legt, zeigt die Skrupellosigkeit im hybriden Kampf gegen westliche Staaten.
Selen sieht darin keine neue Entwicklung der letzten Monate, sondern spricht von einer „fortlaufenden Lageverschärfung“. Der BfV-Vizepräsident geht davon aus, dass man „fortlaufend auch entsprechende Lageanpassungen oder Operationsanpassungen“ erleben werde. Und Selen warnt: Man werde es „mit einem langfristigen Konflikt zu tun haben, was die Auseinandersetzung mit russischen Nachrichtendiensten angeht“.
Die Wehrhaftigkeit der Demokratie erhöhen
Parteiübergreifend warnen Sicherheitspolitiker vor dieser Entwicklung. „Russland testet massiv unsere Schwachstellen aus und versucht sehr gezielt, Infrastruktur auszuspähen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese. Mit Blick auf den russischen Einsatz von Low-Level-Agents sagte Wiese: „Wir müssen uns auf diese Art der Vorgehensweise vorbereiten, den Zivil- und Katastrophenschutz ausbauen und auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür schaffen.“ Ähnlich sieht es der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter, der eine ernüchternde Bestandsaufnahme abgibt: „Da bislang keine nennenswerten Maßnahmen oder Reaktionen aus Deutschland erfolgt sind, hat Russland bislang nichts zu befürchten, sondern stärkt sich de facto durch unsere Schwäche.“ Kiesewetter weiter: „Dazu muss die neue Bundesregierung anerkennen, dass wir nicht mehr in Friedenszeiten sind, sondern Russland uns seit Jahren angreift und wir Kriegsziel sind.“
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz beschreibt das Agieren der russischen Seite als „immer unverhohlener“. Die Gefahr, die von „Wegwerf-Agenten“ ausgehe, nehme stetig zu. „Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, die Wehrhaftigkeit und Resilienz unserer Demokratie mit Blick auf dieses sicherheitspolitisch relativ neue Phänomen zu erhöhen“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums. „Eine Neuaufstellung der Spionageabwehr, aber auch die verbesserte, enge Abstimmung zwischen den zahlreichen Behörden und Diensten auf Bundes- und Landesebene sowie mit unseren europäischen Partnern ist weiterhin dringend geboten.“ Rechtsstaatlich entschlossenes Handeln sei das Gebot der Stunde, so von Notz weiter.
De Maart
So hat eben jede seite seine wegwerf agenten.
Fuer die Nato sind es die ukrainischen soldaten an der front.