Donnerstag23. Oktober 2025

Demaart De Maart

VerwaltungsgerichtZwei Bettler gegen Luxemburg: Das Urteil soll noch vor der Sommerpause fallen

Verwaltungsgericht / Zwei Bettler gegen Luxemburg: Das Urteil soll noch vor der Sommerpause fallen
Erlaubt oder verboten? Das soll nun das Verwaltungsgericht klären. Foto: Julien Garroy / Editpress

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Zwei Bettler wehren sich gegen die Polizeiverordnung der Stadt Luxemburg. Die Plädoyers seitens der Stadt und des Innenministeriums bringen interessante Gegensätze zutage.

Zwei Bettler gegen Léon Gloden (CSV), die Stadt Luxemburg und das umstrittene Bettelverbot: Am Montagnachmittag geht es beim Verwaltungsgericht auf Kirchberg um Dekrete aus dem 18. Jahrhundert, eine Verfassungsrevision, eine Rechtsunsicherheit im Strafgesetzbuch und mehrere Gutachten. Highlight des Prozesses ist aber die Argumentation der Anwälte des Innenministeriums und der Stadt Luxemburg.

Zur Erinnerung: Die hauptstädtische Polizeiverordnung verbietet in Artikel 42 „toute autre forme de mendicité“. Während die ehemalige Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) das Inkrafttreten dieser Verordnung blockierte, revidierte Gloden diese Entscheidung kurz nach Amtsantritt. Dagegen haben nun die beiden Bettler geklagt. Gloden und Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) argumentieren seitdem, dass damit nur die „organisierte Bettelei“ anvisiert sei.

Kritik hagelte es vonseiten der Staatsanwaltschaft, des Verfassungsexperten Luc Heuschling und zuletzt auch durch ein Gutachten der Chamber, das das Bettelverbot als „wahrscheinlich verfassungswidrig“ einstufte. Hinzu kommt noch eine Rechtsunsicherheit im „Code pénal“: Während die hiesige Gerichtsbarkeit in mittlerweile zwei Urteilen die Lesart verfolgt, dass die „mendicité simple“ abgeschafft wurde (was unter „toute autre forme de mendicité“ fallen dürfte), meinte nicht zuletzt Léon Gloden, dass die „mendicité simple“ nicht aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. „Es ist ein sehr technisches Dossier“, resümiert Me Frank Rollinger, der die beiden Bettler vor Gericht vertritt, vor dem Prozess gegenüber dem Tageblatt. Me Frank Rollinger ließ sich vor Gericht vertreten, was den vorsitzenden Richter ob der „politischen Dimension“ zu einer Rüge veranlasste. Auch der Umstand, dass bei einem der beiden Bettler ein fester Wohnsitz ermittelt werden konnte, ließ Zweifel an deren Notwendigkeit des Bettelns aufkommen.

Paradoxe Plädoyers

Auf dieser Frage gründete nebst prozeduraler Bedenken die Argumentation der Stadt und des Innenministeriums. Diese argumentierten, dass die beiden Kläger keine Beweise erbracht hätten, dass sie Bettler sind und auf das Betteln angewiesen seien. Zudem müsste die Gegenseite belegen, dass das Betteln an den spezifischen Orten und Uhrzeiten, die mit der Polizeiverordnung verboten wurden, notwendig sei. Und letztens: „Sie müssen beweisen, dass Artikel 42 eine konkrete Auswirkung auf ihre Situation hat“, so der Rechtsbeistand der Stadt Luxemburg. Er jedenfalls könne keine Besserung, keine „mise en pratique“ dieses Reglements feststellen, da noch immer zahlreiche Bettler anzutreffen seien. Auf Klägerseite würden somit jegliche Beweise für ein konkretes Interesse an der Klage fehlen. Das Gegenteil dessen, was Lydie Polfer also vor einigen Monaten behauptete, als sie die Wirksamkeit der Maßnahmen nach einem Jahr Bettelverbot hervorhob.

Die Auslegung des Strafgesetzbuches, das „tendenziöse und falsche Gutachten“ der Chamber und die Frage, nach welcher Verfassung (im Juli 2024 trat die neue Verfassung in Kraft, Innenminister Léon Gloden traf seine Entscheidung Ende 2023) letztendlich geurteilt werden müsse, steht in diesem Gerichtsverfahren im Raum. Und auch über die Anwendbarkeit des Lacatus-Urteils des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg wird am Montagnachmittag auf Kirchberg diskutiert. Während Me Frank Rollinger im Urteil ein „Recht auf Betteln, das im Prinzip jedem zusteht“ erkennt, meint die Gegenseite, dass die Umstände dieses Urteils nicht auf den vorliegenden Fall zutreffen. Das Urteil soll noch vor der Sommerpause gesprochen werden.

Lacatus-Urteil

Der Fall einer Romni, die in Genf gebettelt hatte, wurde 2021 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt. Das Urteil ist unter dem Namen Lacatus-Urteil bekannt. Betteln war in der Schweiz grundsätzlich verboten und mit einer Gefängnisstrafe geahndet. Dadurch, dass es aber der einzige Lebensunterhalt der Frau sei, könne sie nicht strafrechtlich belangt werden, so das Urteil der Richter. Ein allgemeines Bettelverbot und die darauf ausgeschriebenen Gefängnisstrafen seien ein unverhältnismäßiger Eingriff ins Privatleben.

Luxemburger Richter Georges Ravarani im Lacatus-Urteil zum Recht auf Betteln:
„Die Entscheidung, zu betteln, ist Teil des Rechts auf Selbstbestimmung und der persönlichen Autonomie, ein Prinzip, das der Auslegung der Garantien in Artikel 8 (der Europäischen Menschenrechtskonvention, Anm. d. Red.) zugrunde liegt“, schreibt der Luxemburger Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und zitiert aus weiteren Urteilen: „So definiert ist Betteln als Form des Rechts, sich an andere zu wenden, um Hilfe zu erhalten, eindeutig als eine elementare Freiheit zu betrachten.“

Staater
6. Mai 2025 - 15.28

Viru Méint soutz op der Theaterplatz e jonke Mënsch ze heeschen. E war frëndlech proper a manéierlech. Ech hun em oft 10 oder 20 Euro gin wann ech an de Parking gâng oder erauskomm sin. Du sôt e mer eng Kéier e hätt elo eng Wunnéng kritt an da géif et him besser goen. Haut sëtzt e nach ëmmer do knaschteg, dréckeg an total besoff. Domm a frech Bemierkungen si selbstverständlech. Doraus hun ech geléiert dass ee kéng Perele soll bei d'Sei geheien. "What a waste of good money"!

Sammal
6. Mai 2025 - 9.15

"..andere bitten um Hilfe zu erhalten.." Allein,damit ist es nicht getan. Stockbesoffen Passanten anpöbeln ist auch ein Grundrecht? Wo ist die Grenze? Soweit kommt es noch dass sie uns jetzt anklagen können weil ihr Geschäftsmodell nicht angenommen wird. Es wäre eigentlich einfach um das Problem zu lösen.
Der Becher bleibt leer. Dann werden die meisten Bettler schon einen Ausweg finden.
Landstreicherei war früher verboten und heute?

Hottua Robert
6. Mai 2025 - 3.49

Die im päpstlichen "Luxemburger Wort" angepriesenen Nazis haben BettlerInnen unter anderem wegen ihrer völkisch schlechten Gene in allen besetzten Gebieten in Vernichtungslagern rassenhygienisch "behandelt". MfG, Robert Hottua, Gründer der LGSP

Dunord Hagar
5. Mai 2025 - 22.34

Dat kléngt wéi wann do hannendrun de Kollwelter an den Tonnar puer Fiedem géifen zéien...

Philippe
5. Mai 2025 - 22.07

All Leit an Organisatiounen die geint en Bettel Verbuet sin sollen hier Paie oder hiert Gehalt Organisatiounen och hiert Heeschegeld matt den Bettler an Bettlerinnen DEELEN matt OP iwert Bank dann ass alles ok Bettel Befürworter and Geigner, an Gewënner ass Bettel Vollek.
Fir aarm Schaffend Leit gett keen Gedausch gemaach.

Reinertz Barriera Manfred
5. Mai 2025 - 21.29

Es ist wohl jedem klar dass das einfaches Betteln keine Straftat sein kann, was aber aggressives Betteln angeht das müsste man dann genauestens definieren die Frage ob ein Platzverweis angewendet werden kann ist auch rechtlich ziemlich unklar...

Grober J-P.
5. Mai 2025 - 20.48

"ein fester Wohnsitz ermittelt werden konnte, ließ Zweifel an deren Notwendigkeit des Bettelns aufkommen."
Wenn es schon Mitte des Monats nicht mehr reicht fürs Essen, trotz "Wohnsitz" würde auch "ganz passiv" betteln, vor der Kathedrale z.B. und auf JC warten oder vor dem Caritas Gebäude. Mit ein bisschen Glück könnte ich was von Marie-Josée erhaschen!
Wo hat er denn den Wohnsitz?