„Seit rund vier Jahren beschäftigen wir uns mit diesem Thema und sind dafür heute erneut vor Gericht. Das ist ermüdend. Doch solange wir keine Einsicht in die Dokumente haben, hören wir nicht auf“, sagte Thorben Grosser am späten Donnerstagmorgen im Verwaltungsgericht auf dem Kirchberg. Zuvor hatte das Mitglied des „Zentrum fir urban Gerechtegkeet“ (ZUG) an einer Sitzung teilgenommen, bei der die Stadt Luxemburg gegen ein Urteil von November 2024 Berufung einlegte. Dieses verpflichtete die Gemeinde, dem Zentrum Einsicht in eine Studie zur Sicherheit an Zebrastreifen zu gewähren.
Im Berufungsverfahren gegen diese Entscheidung am Donnerstag argumentierten Me Kariger und Me Helminger für die Stadt, dass eine interne Datenbank mit Informationen zu den Zebrastreifen sensible Informationen enthalte und deshalb für eine Veröffentlichung neu erstellt werden müsse – was mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden sei. Auch sei die Richtigkeit der enthaltenen Informationen nicht gewährleistet, was ebenfalls gegen deren Herausgabe spreche. Und: Die Anwälte erklärten, dass es sich um ein nicht vollendetes Dokument handelt und die Stadt dieses laut Gesetz also nicht veröffentlichen müsse.
Keinen Einblick für Justiz
Nach der Sitzung bezeichnete Federico Gentile vom ZUG dieses Argument als „absurd“. „Unsere Welt ändert sich ständig und da ist es nur normal, dass eine Datenbank entsprechend aktualisiert wird. Es gibt immer wieder eine neue Version“, sagte der 37-Jährige und wies darauf hin, dass die Stadt diese Informationen ja auch fortwährend nutze. Während der Sitzung stellte der Anwalt des ZUG, Me Durand, fest: „Diese Datenbank wird nie fertig und für immer ein Entwurf sein. Wenn man so argumentiert, wird die Gemeinde die Informationen also nie kommunizieren.“

„Es ist sehr schwer für mich und den Gerichtshof, zu verstehen, wie diese Datenbank funktioniert“, stellte der Anwalt des ZUG weiter fest. Denn auch die Justiz hatte trotz Nachfrage bei der Gemeinde keinen Einblick darin erhalten – wie der Sitzungspräsident bestätigte. Lediglich ein Video zur Funktionsweise der Datenbank hatte die Stadt bereitgestellt. „Wie wollen Sie entscheiden, wenn Sie diese Informationen nicht haben?“, fragte Me Durand den Sitzungspräsidenten. Der wollte vom ZUG wissen, warum das Zentrum eine Einladung der Gemeinde zur Einsicht in deren Studie abgelehnt hatte.
„Die Stadt wollte uns dabei nur eine Karte mit 37 von ihr als problematisch eingestuften Zebrastreifen zeigen“, erklärte Federico Gentile nach der Sitzung. Warum es der Stadt zufolge nur 37 Fußgängerüberwege waren, laut ZUG aber 475, wäre damit nicht geklärt gewesen. Und: Das Zentrum hätte keine Dokumente erhalten, die es mit der Öffentlichkeit hätte teilen können. Außerdem sollte der Termin im Beisein eines Mitglieds der kommunalen Rechtsabteilung stattfinden. Einsicht in die Dokumente sollte ZUG nur während einer oder zwei Stunden erhalten. „Wir sind eine Ökonomin, ein Informatiker und ich bin Eventmanager. Uns fehlt die Expertise, das ganze Material in so kurzer Zeit durchzugehen“, so der 38 Jahre alte Thorben Grosser.
Veröffentlichungen als Regelfall
Zur Sprache kam auch ein bereits öfters vom Mobilitätsschöffen der Stadt Luxemburg, Patrick Goldschmidt (DP), erwähntes Abkommen, das vor rund 20 Jahren festhielt, dass Parkplätze nahe Fußgängerüberwegen doch gesetzeskonform seien. „Man erklärt uns, dass es eine Vereinbarung mit dem Ministerium gibt – allerdings ohne Beleg. Wie kann man sich auf etwas berufen, das nicht existiert?“, fragte Me Durand. Er wies darauf hin, dass die Stadt nicht einfach aufgrund einer Vereinbarung mit dem Ministerium die Straßenverkehrsordnung missachten könne.
Der Hintergrund
Im November 2021 stellte das „Zentrum fir urban Gerechtegkeet“ (ZUG) fest, dass 475 Zebrastreifen in der Hauptstadt – etwa ein Drittel – nicht den Vorschriften entsprechen. Der Grund: Parkplätze in Nähe der Fußgängerüberwege würden die gesetzliche Sichtfreiheit von fünf Metern einschränken. In einer eigenen Studie kam der kommunale „Service circulation“ daraufhin nur auf 37 problematische Überwege. ZUG verlangte eine Veröffentlichung dieses Dokumentes und klagte, als die Stadt das verweigerte. Mit Erfolg: Im November 2024 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Gemeinde zur Offenlegung der Dokumente. Die Stadt legte Berufung ein, sodass der seit dreieinhalb Jahren andauernde Streit am Donnerstag vor Gericht Thema war.
Die Anwälte der Stadt forderten abschließend: „Die Nicht-Kommunikation solcher Dokumente muss das Prinzip sein.“ Demnach sollen diese nicht veröffentlicht werden müssen und wenn eine Gemeinde das nicht tut, sollte sie auch nicht zur Nennung eines Grundes verpflichtet sein müssen. Das bedeute nämlich einen hohen Arbeitsaufwand für die Kommunen. Me Durand erinnerte daran, dass geltendes Gesetz die Veröffentlichung als Regelfall sehe und Dokumente nur in Ausnahmen nicht mit der Öffentlichkeit geteilt werden müssen. Ob die Stadt ihre Studie zur Sicherheit an Zebrastreifen offenlegen muss, werden beide Parteien in den kommenden Wochen schriftlich erfahren. Federico Gentile fragte abschließend: „Wenn wir keinen Zugang zu einer Studie bekommen, die als Reaktion auf unsere Analyse entstanden ist, was darf man dann noch anfragen?“
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De Maart

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