„Alle unsere Berater sind derzeit online.“ Der Anrufbeantworter des Kundendienstes von Sichel scheint am Mittwochnachmittag noch stoisch die Stellung zu halten. Doch der Eindruck trügt: Hinter den Kulissen ist bereits Schluss.
„La société SICHEL SA a définitivement fermé ses deux points de vente, à Esch-sur-Alzette et à Bertrange“ – so steht es nüchtern auf der Facebook-Seite und der Website des Unternehmens. Damit ist klar: Ein weiterer Traditionsname der Luxemburger Geschäftswelt ist Geschichte.
Seit mehreren Jahren, so heißt es in der offiziellen Mitteilung, habe das Möbel- und Dekorationshaus Sichel mit großen Herausforderungen zu kämpfen gehabt. Das gesamte Team habe sich vereint bemüht, den Betrieb am Leben zu erhalten. Doch leider müsse man heute feststellen, dass die Schwierigkeiten unüberwindbar geworden sind.
Mit „großer Traurigkeit und tiefem Bedauern“ bestätigt die Geschäftsführung dann noch einmal die endgültige Schließung der letzten beiden Standorte: in Esch und Bartringen. 18 Mitarbeiter sind davon betroffen. Eine offizielle Insolvenz wurde am Mittwoch noch nicht gemeldet – doch es scheint nur noch eine Frage der Zeit.
Hintergründe
Aus Kreisen der hauptstädtischen Geschäftswelt heißt es, einer der beiden Geschäftsführer der Sichel SA sei seit Wochen schwer erkrankt. Laut einer für Sichel arbeitenden Kommunikationsagentur sei eine auf Insolvenzrecht und Liquidationsverfahren spezialisierte Anwaltskanzlei mit Sitz in Luxemburg-Stadt mit dem Dossier betraut. Die betreffende Kanzlei von Me Max Mailliet erteilt auf Nachfrage hin aber keine Auskunft.
Was die Filiale in Esch betrifft – vormals das Geschäft „CK“ –, so ist zu hören, dass sie erst vor wenigen Monaten eröffnet wurde. Der erhoffte Kundenzustrom blieb jedoch aus. Wenn überhaupt geöffnet war, sei selten Betrieb gewesen. Auch der Escher Geschäftsverband kann wenig zur Aufklärung beitragen – in der kurzen Zeit habe es keinen Kontakt zur Geschäftsführung gegeben.
Mehr war am Mittwoch nicht zu erfahren. Laut Paperjam sei der Verlust im Geschäftsjahr 2023 mit über 638.000 Euro fast dreimal so hoch wie im Vorjahr gewesen.
„Dank Ihnen hatten wir die Ehre, zur Gestaltung vieler Wohnräume in Luxemburg beizutragen.“ Dieser Satz aus der Abschiedserklärung klingt nach. Denn auch wenn sich über die Jahre Besitzer, Sortiment und Standorte änderten und die jüngeren Geschäfte wenig bis nichts mehr mit den Anfangsjahren gemein hatten – eines blieb: der Name Sichel.
Für viele war er ein Qualitätssiegel: für Spielzeug, Hochzeitslisten und hochwertige Inneneinrichtungsgegenstände zum Beispiel. In Esch erinnert man sich auch noch an das Jahr 1994, als der Dachstuhl des damaligen Geschäftes gegenüber vom Rathaus lichterloh in Flammen stand.
Ein Haus mit Geschichte
Soweit sich die Spuren zurückverfolgen lassen, beginnt die Geschichte des Sichel 1873 mit der Eröffnung einer Eisenwarenhandlung durch die Brüder Gillain in Esch. Später übernehmen Julius Sichel & Cie, eine Familie aus dem Elsass, das Geschäft. Sie errichten auch das heute denkmalgeschützte Haus in der Alzettestraße 5 mit seiner markanten, reich verzierten Fassade.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts wandelt sich das Unternehmen mehrfach. 1975 übernimmt die Familie Schwertzer die Geschäfte und führt sie bis 2018, mit einer klaren Diversifizierungsstrategie. Danach folgen die heutigen und wohl letzten Eigentümer. Sie hatten den Anspruch, die Marke nachhaltig im 21. Jahrhundert zu etablieren. Nun ist dieses Kapitel geschlossen. Einen Geschäftsübernehmer scheint es nicht gegeben zu haben.
De Maart









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