„Eigentlich wollte ich gar nichts machen“, erzählt Goldrake. „Doch dann kamen die Anfragen und die Idee: 25 Shows in 25 Gemeinden.“ Was als kleine Geste gedacht war, wurde zum Selbstläufer. Der Saal ist ausverkauft.
Am CELO warten schon die Gemeindetechniker Joël Fischer und Stephan Weber. Gemeinsam mit Goldrake beginnen sie, das Equipment aus dem Transporter zu laden. Requisiten, Kisten, Behälter. Einige Teile müssen per Gabelstapler über den Hintereingang ins Bühnenhaus gebracht werden. In kurzer Zeit füllt sich der Bühnen- sowie der Backstagebereich mit Kabeln, Kisten und Geräten. Die beiden Techniker kennen den Ablauf: Zwei bis drei größere Produktionen pro Jahr finden im CELO statt.
„Mir maachen eisen Hobby als Aarbecht“

Die Kommunikation läuft direkt, kollegial. Der Austausch zwischen allen Beteiligten funktioniert reibungslos. Die beiden verantwortlichen Gemeindetechniker begleiten jede Produktion mit Erfahrung – und mit Herz. Im Gespräch merkt man: Die beiden lieben, was sie tun. „Solche Produktionen sind für uns wie ein Spielplatz“, sagen sie. „Das ist nicht einfach nur ein Konzert oder eine Diskussionsrunde, das ist eine Inszenierung, bei der es auf absolute Präzision ankommt.“
Bevor sein Team eintrifft, beginnt Goldrake mit der Vorbereitung seiner eigenen Requisiten. Ballons, Spielkarten, Rasierklingen, Leinwände. Dazwischen liegen Zitronen, frische Rosen und Orangen. „Die hab ich heute Morgen frisch gekauft“, sagt er und lacht. Alles ist sorgfältig sortiert, beschriftet, in Reih und Glied ausgelegt. Ordnung sei Teil seiner Arbeitsweise, erklärt er, fast schon meditativ.
Diese Phase der Vorbereitung übernimmt er bewusst selbst: „Ich könnte das alles delegieren. Aber das sind meine Momente. Ich brauche das. Es ist meine Art, mich zu fokussieren und die Show vor meinem inneren Auge durchzugehen. Wenn ich die Requisiten vorbereite, bin ich gedanklich schon mitten in der Show.“
Gegen 12 Uhr trifft Luc Motsch ein, einer von Goldrakes beiden Bühnenassistenten. Er beginnt sofort damit, die großen Illusionen aufzubauen, die großen Tricks zu montieren. Alles ist zerlegt, alles muss präzise wieder zusammengesetzt werden – sonst funktioniert der Trick nicht.
„Wir brauchen ungefähr zwei Stunden, um alles aufzubauen“, sagt er. Während der Show ist Motsch ständig in Bewegung. Reinschieben. Rausrollen. Umstellen. Schweigend, präzise, effizient. „Wir markieren jede Position auf dem Boden“, erklärt er. „So wissen wir im Dunkeln, was wohin muss.“ Der 35-jährige Motsch kommt aus Belgien, ist Zirkuspädagoge, Mitgründer der Zirkusschule „Cirq’en toi“ in der Wallonie und selbst Magier. Er kennt jede Requisite, jede Schraube. „Wir haben die Abläufe beim ersten Show-Wochenende in Bascharage gemeinsam durchgespielt. Seitdem hat sich die Show entwickelt und heute sitzt jeder Handgriff.“
Der Mann mit der Cuelist
Auch Eric Slunecko von der Firma Lemon Event Support ist inzwischen im CELO angekommen. Er unterstützt und komplettiert das Technikangebot des Kulturzentrums. Sein Job? Licht, Ton, Pyro, Ambiance. Alles, was die Show zum Leben erweckt – ohne selbst gesehen zu werden. Während der Show sitzt Slunecko nicht auf der Bühne, sondern im Technikraum – isoliert, mit Blick auf ein halbes Dutzend Monitore, Lichtpult, Soundboard und ein komplexes System aus Timings, Cues und Verantwortung.
Im Vorfeld besucht die Lemon-Crew die Veranstaltungsorte, klärt mit dem lokalen Team, was vorhanden ist, was noch mitgebracht werden muss, welche Eigenheiten der Raum hat. Gibt es eine Rampe zur Bühne? Wo kommt der Strom her? Für jede Venue muss die Show technisch neu eingepasst werden – und dabei trotzdem identisch wirken.
Um 13.30 Uhr kehrt David Goldrake zurück auf die Bühne. Er war kurz mit einem Kollegen essen, nun folgt der technische Durchlauf. Im Gespräch mit Luc wird schnell klar, dass auch in seiner Abwesenheit alles planmäßig lief. Gemeinsam überprüfen sie die Positionen der Requisiten. Auf dem Bühnenboden werden mit buntem Gaffa-Tape Markierungen gesetzt. Sie zeigen an, wo jede Illusion später zu stehen hat. Ein Versehen hier – und der Trick funktioniert nicht.
Schmetterlinge im Bauch
Um 14 Uhr kommt Irina Chechulina, die zweite Bühnenassistentin. Sie ist von einem anderen Projekt direkt angereist. „Ich muss jetzt erst mal runterkommen, dafür brauche ich Bewegung“, sagt sie, geht auf die Bühne – und beginnt, mit einem Tuch den Wassertank zu reinigen. Später wird Goldrake darin gefesselt untertauchen. „Die Scheiben müssen klar sein, damit er das Publikum sieht und das Publikum ihn.“

Irina, 46, stammt ursprünglich aus Russland. Schon mit sechs Jahren begann sie mit Akrobatik – erst spielerisch, später auf professionellem Niveau. Heute ist sie Zirkuskünstlerin, Pädagogin, Performerin und Magierin. In Luxemburg leitet sie künstlerische Projekte der Zirkusschule „Zaltimbanq“ in Limpertsberg.
„Die Show gibt mir jedes Mal Gänsehaut. Ich liebe dieses Kribbeln. Bei David mitzumachen, war eine neue Herausforderung – aber auch eine Art Weiterbildung.“ Sie beschreibt den Backstage-Alltag als konzentriert, aber kollegial. „Jeder kennt seinen Platz. Trotzdem: Kurz vor der Show bekomme ich immer noch Schmetterlinge im Bauch.“
Jetzt wird’s ernst
Im Technikraum laufen parallel die letzten Tests. Wenn der Aufbau steht, beginnt Eric Sluneckos eigentliche Arbeit. Während andere kurz durchschnaufen, testet Eric die komplette Show Szene für Szene durch: Lichtstimmungen, Sounds, Pyro-Effekte. „Ich habe eine Cuelist“, sagt er, „die ich während der Show durchklicke – Knopf für Knopf.“ Aber bis es so weit ist, muss jedes Element einzeln konfiguriert werden. Jeder Lichtwechsel, jeder Musikeinsatz ist geplant. Improvisiert wird nur im Notfall.

Zwischendurch gibt es Kommunikation mit dem Haus – über Intercom, Handzeichen, Blickkontakt. Slunecko spricht mit dem lokalen Technikteam, mit Goldrakes Stagehands, mit dem Magier selbst. Es ist ein ständiger Flow von kleinen Anpassungen, Troubleshooting, Erfahrung.
Auch was das kreative Konzept angeht, ist er involviert. In Bascharage – der ersten Station der Tour – war noch Lighting-Designerin Tabitha S. Rodman aus den USA dabei, die über 20 Jahre lang für die Blue Man Group tätig war, um die Lichtstimmungen festzulegen. Farben, Bewegungen, Fokuslinien. Seitdem trägt Slunecko das ganze Design von Show zu Show mit. Er übersetzt und verfeinert es.
Maske, Make-up, Mindset
Kurz vor 16 Uhr trifft der erste Teil des CELO-Servicepersonals ein. Der Eingangsbereich wird vorbereitet, Merchandise-Stand und Meet&Greet-Zone aufgebaut. Währenddessen zieht sich das Kernteam zurück. In der Garderobe verwandelt sich der Zivilist David Goldrake in den Illusionisten. Duschen, Haare, Make-up. Das übernimmt Goldrake seit Jahren selbst: „Ich kenne mein Gesicht. Ich weiß, wie es wirken muss.“
Auf das Vorurteil angesprochen, dass Männer kein Make-up tragen, sagt er: „Lächerlich. Es hat nichts mit Männlichkeit zu tun, sondern mit Selbstrespekt, mit Präzision, mit Kontrolle. Es gehört zum Handwerk. Ich finde es absurd, dass das immer noch ein Thema ist.“
Schminken ist kein Zeichen von Eitelkeit, sondern Teil meiner Arbeit. Ich habe von Profis wie dem Model Karen Mulder gelernt – aber am Ende weiß ich selbst am besten, wie ich aussehen will.
Fast 17 Uhr: Die letzten Minuten vor der Show gehören der Konzentration. Im Backstage bilden die drei Teammitglieder einen Kreis, schließen die Augen. Tiefe Atemzüge. Luc Motsch spricht ein paar Worte. Motivation. Konzentration. Ein Moment der Stille. Dann sagt David Goldrake: „Let’s have fun!“ Licht aus. Vorhang auf. Die Show beginnt.
Goldrake unplugged
Wenn man David Goldrake zuhört, merkt man schnell: Hier spricht kein Illusionist mit zu viel Pathos, sondern jemand, der sein Handwerk kennt, der reflektiert und der viel mehr ist als eine Bühnenfigur. „Ich habe nichts mehr hier“, sagt er, wenn man ihn fragt, ob Luxemburg noch sein Zuhause ist. Er lebt in Las Vegas, offiziell. Aber im Grunde lebt er auf Tour. Mal in einem Hotel, mal bei einem Freund, mal bei seinem Bruder in Brüssel. „Ich bin immer unterwegs.“
Er spricht leise, ohne Attitüde. Ein Performer, ja – aber keiner, der sich selbst allzu wichtig nimmt. Er redet über seine Zeit in Las Vegas, über seine Jahre im „Tropicana“, das inzwischen abgerissen wurde. Über David Copperfield, mit dem er sich nie angelegt hat – „zu groß, zu territorial“. Über den amerikanischen Backlash gegen Diversität und Toleranz. Und über den Wunsch, irgendwo zwischen all dem einfach Mensch zu bleiben.
Zur politischen Lage in den USA, dem Rechtsruck, dem wachsenden Misstrauen und der neuen Kälte in der Gesellschaft meint er: „Ich schaue, was in meinem Land passiert. Was weltweit passiert. Und ich finde es einfach nur traurig. Die Menschen lernen nichts dazu. Alles wiederholt sich.“
Als Sohn von italienisch-portugiesischen Immigranten kennt er Ausgrenzung aus eigener Erfahrung. „Als Kind in Luxemburg wurde ich verprügelt, nur weil ich Portugiese war. Ich hatte gehofft, dass wir darüber hinweg sind – aber im Moment scheint alles wieder zurückzugehen.“
Goldrake schläft im Schnitt drei Stunden pro Nacht, besonders während der Tour. Pause gibt es nicht wirklich. Nach Luxemburg geht’s zurück nach Vegas, dann Shows in Kalifornien, Salt Lake City, L.A. „Es hört einfach nie auf – und das ist auch gut so. So ticke ich. Ich brauche diesen Rhythmus.“ Er klingt nicht erschöpft, eher: fokussiert. Als hätte er sich mit dem permanenten Rush arrangiert.
De Maart












































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