In einem überraschend aggressiven und herablassenden Artikel zu Jewish Call for Peace (JCP) und Guy Rewenig mit dem reißerischen Titel „Niedertracht!1 Beobachtungen zur Vermischung von Holocaust und Nahostkonflikt“, schreibt Mil Lorang, dass das Gedenken an die Shoah und der Nahostkonflikt nicht miteinander „vermischt“ werden dürfen.
Das wünschen wir uns auch – doch ist es bereits seit mindestens November 1947 vermischt.
Bis heute, wenn Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, seine positive Meinung zum Trump-Plan, der ethnischen Säuberung Gazas äußert. Was hat dieser hohe Beamte, dessen Aufgabe es ist, Deutschland nach der Ermordung von sechs Millionen Juden zum sichersten Staat für Juden zu machen, zu diesem wahnsinnigen Projekt der Vertreibung der Palästinenser zu sagen? Sollte er sich nicht vielmehr dafür einsetzen, dass die Erinnerung an den Judenmord heute dazu dient, eine Rückkehr der extremen Rechten in Deutschland zu verhindern?
Bis heute, wenn israelische Führungskräfte auf die Ängste und Traumata der jüdischen Geschichte zurückgreifen, um ihre Bürger blind für das Leiden der Palästinenser zu machen.
Der Historiker Tzvetan Todorov hat uns in dem Werk „Les abus de la mémoire“ (Die Missbräuche der Erinnerung) wertvolle Überlegungen zu diesem Thema hinterlassen, die auf unsere aktuelle Problematik Bezug nehmen: „Der Opfer der Vergangenheit zu gedenken ist befriedigend; sich um die Opfer der Gegenwart zu kümmern, ist unbequem.“
„Es gibt keinen Grund, einen Kult der Erinnerung um der Erinnerung willen zu errichten; die Erinnerung zu sakralisieren, ist eine andere Art, sie unfruchtbar zu machen. Sobald die Vergangenheit wiederhergestellt ist, muss man sich fragen, wie man sie nutzen wird und zu welchem Zweck.“
Wiederholt in den letzten drei Monaten wird JCP für die Mitorganisation der Konferenz „Exploiting Memory – Holocaust and Distortion of Antisemitism“ stigmatisiert (siehe jcp.lu).
Das abgedroschene „Argument“ besteht darin, die Jüdischkeit der Mitglieder von JCP infrage zu stellen. Aber, Herr Lorang, ich habe nicht bloß eine „jüdische Herkunft“: Ich bin jüdisch, ob es Ihnen passt oder nicht – genauso wie die drei Referentinnen, die wir eingeladen hatten.
Erwartet Herr Lorang etwa, dass alle Juden gedanklich zum Thema Israel gleichgeschaltet sind? Ist das nicht ein … antisemitischer Stereotyp?
Vorurteilen wirksam entgegentreten
Zusätzlich wird die geringe Mitgliederzahl der JCP angegriffen. Wir haben nie behauptet, repräsentativ für die Juden Luxemburgs zu sein. Wir stehen zu unserer Minderheitenposition: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“ (M. Mead)
Ich respektiere die Arbeit von Memoshoah zutiefst und habe regelmäßig an seinen Veranstaltungen teilgenommen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Mil Lorang, derzeitiger Präsident, sich von der Illustration und dem Titel der Konferenz angegriffen fühlt: Trifft es vielleicht einen wunden Punkt?
Ein Jude zu sein bedeutet, immer auf der Seite der Unterdrückten zu stehen, niemals auf der Seite der Unterdrücker
Herr Lorang richtet seine Aufmerksamkeit zu Recht auf den Anstieg des Antisemitismus. Doch was den Antisemitismus (auf sicherlich fruchtbarem europäischen Boden) heute „schürt“, ist Israels Auftreten als Jüdischer Staat, der vorgibt, im Namen aller Juden zu handeln, während er das palästinensische Volk gewaltsam unterdrückt.
Natürlich erkennen wir das Problem des bestehenden Antisemitismus und antisemitischer Vorurteile an. Doch es existieren zahlreiche Wege, ihm wirksam entgegenzutreten.
Einer der wichtigsten ist, Juden und Israel zu differenzieren und jüdische Stimmen zuzulassen, die sich gegen die Taten Israels aussprechen. Der Versuch, ihnen ihre jüdische Identität abzusprechen, wird nichts bringen.
Wir laden Herrn Lorang und alle Interessierten ein, uns am 6. Mai 2025 um 19.00 Uhr im Utopia zur Vorführung von „Resistance, They Fought Back“ zu treffen. Mehr dazu auf jcp.lu.
* Martine Kleinberg ist Präsidentin von Jewish Call for Peace asbl
1 Der Titel „Niedertracht!“ hat mich verletzt: Warum wird heute ein Begriff verwendet, der in der dunklen Vergangenheit gegen Juden gerichtet war – und das ausgerechnet im Zusammenhang mit einer jüdischen Gruppe?
De Maart
Die Floskel "...ist so viel jüdisch wie..." ist nicht nur abgedroschen, sondern ...ja, niederträchtig und stellt meines Erachtens den eigentlichen Skandal dar. Herr Lorang, wer sind SIE um über die ethnisch-religiöse Zugehörigkeit anderer Menschen zu urteilen, um ihnen eine Identität abzusprechen? Ist das eben nicht gerade einer Person, die vorgibt den Antisemitismus zu bekämpfen, unwürdig?