Mittwoch5. November 2025

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GlosseBernd der Buchsbaumzünsler im Interview: „Ich will kein Schädling sein!“

Glosse / Bernd der Buchsbaumzünsler im Interview: „Ich will kein Schädling sein!“
Cydalima perspectalis Foto: Didier Descouens/CC BY-SA 4.0

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Für Menschen eine schön gestaltete Parklandschaft, für ihn ein All-you-can-eat-Buffet: Der Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis), ursprünglich in Ostasien beheimatet, ist als sogenannter Neozoon längst Symbolfigur botanischer Angstfantasien. Doch wer ist er wirklich? Ein Schädling? Ein Überlebenskünstler? Ein Opfer xenophober Diskurse? Wir haben ihn zum Interview getroffen – in einem kleinen Vorgarten in Esch.

Tageblatt: Herr Zünsler, schön, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Nennen Sie mich Bernd. Ich danke Ihnen. Es ist nicht selbstverständlich, dass jemand mal mit mir spricht und mich nicht sofort mit Essig, Neemöl oder Hochdruckreiniger angreift. Ihr Menschen habt irgendwie die Tendenz, alles Neue zu zerstören – kann das sein?

Nun ja, Sie gelten als invasive Art. Sie kommen, Sie fressen unsere Gärten kahl, Sie zerstören unsere Landschaft.

Moment! Erstens: Ich esse selektiv. Nur Buchsbaum. Ich bin sozusagen Veganer mit Spezialisierung. Zweitens: Wurde ich gefragt, ob ich herkommen will? Ich bin nicht mit Ryanair geflogen, ich wurde per Frachtschiff importiert, versteckt in Topfpflanzen. Das habe ich mir so nicht ausgesucht. Aber das ist bei euch Europäern ja Tradition: Leute mit Schiffen auf andere Kontinente zu transportieren, obwohl sie das überhaupt nicht wollen.

Sie sehen sich also als Opfer, nicht als Täter in diesem Fall? Wollen Sie den Schaden, den Sie anrichten, etwa leugnen?

Ich finde, „Schaden“ ist ein überaus negatives Framing meiner Tätigkeit. Ich verhalte mich in jeder Hinsicht gemäß meiner Natur. Ganz anders als irgendein alter Knacker, der eine Hecke mit Pinzette und Schere in die Form eines galoppierenden Pferds schneidet – was soll das bitte? 

Aber Gartenbau ist eine Form der Kunst!

Ja, und ich bin geflügelter Kunstkritiker! Das, was ich tue, ist eine Form der kreativen Zerstörung – damit eröffne ich der Welt neue Chancen. Ein leerer Garten ist ein politischer Raum, er schafft Gestaltungsmöglichkeiten. Warum nicht mal Lavendel? Oder was mit Wildbienen? Ihr habt doch in der Hand, was ihr pflanzt und welche Insekten ihr damit anzieht. Aber alles, was euch einfällt, sind Schottergärten. Kulturelle Vielfalt? Fehlanzeige!

Was machen Sie denn, wenn die Meere leergefischt sind und die Böden versanden?

Bernd, Buchsbaumzünsler

Sie sehen sich also als eine Art Herold der Veränderung?

Ich setze auf Dialog und Bürgerbeteiligung. Deswegen habe ich auch eine Petition in der Chamber eingebracht, zum Verbot von Insektiziden. Das „Mouvement écologique“ hat mir bereits seine Unterstützung zugesagt. Und eine Produktionsfirma für meine Netflix-Doku „Zünsler – Die andere Seite des Blattes“ habe ich auch schon gefunden – deshalb bin ich auch gerade in Luxemburg. Samsa Film hat ein offenes Ohr für missverstandene Insekten. Ich will kein Schädling sein! Ich will ein Symbol werden. Für Wandel. Für Artenvielfalt. Für alle Raupen mit Migrationshintergrund.

Schön und gut, aber was ist mit den Buchsbäumen? Oder vielmehr: Was wollen Sie tun, wenn es keine Buchsbäume mehr gibt?

Warum sollte es denn keine Buchsbäume mehr geben?

Na, weil Sie sie auffressen?

Völliger Unsinn. Buchsbäume wachsen nach, wie jede andere Pflanze. Die allermeisten Sträucher erholen sich selbst nach dem üppigsten Gelage. Ressourcenschonender kann man sich quasi nicht ernähren. Was machen Sie denn, wenn die Meere leergefischt sind und die Böden versanden? Das Problem ist bei Ihnen doch viel dringlicher als bei mir – es sterben meines Wissens nicht jährlich Millionen Buchsbaumzünsler an Mangelernährung. Und das Zeug schmeckt nicht mal besonders.

Warum essen Sie es dann überhaupt?

Was soll ich denn sonst essen? Obst und Gemüse? Dann hätten Sie ein richtiges Problem. Und das will ich nicht. Wie gesagt: Ich bin dialogbereit – und ich hoffe, dass wir es schaffen werden, in Zukunft friedlich zu koexistieren. Mein Flügel ist ausgestreckt für den Frieden, ihr müsst nur akzeptieren. 

Unter der Bedingung, dass wir Ihnen unsere Buchsbäume überlassen?

Hören Sie, ich kann dieses Gespräch auch bilateral mit Donald Trump führen. Der Mann liefert immerhin Ergebnisse. Dann sitzen Sie aber nicht mit am Tisch, verlassen Sie sich darauf. Buchsbäume für den Frieden – das ist doch nun echt kein schlechter Deal für Sie.

Guy Mathey
2. April 2025 - 13.23

Super Text! Respekt

Leila
28. März 2025 - 9.03

Da muss man erst mal drauf kommen! Sehr erheiterndes (und wahres) Interview am Morgen mit dem Anwalt der Raupen!

JJ
28. März 2025 - 8.35

Katzen nach Australien,Grundeln in der Mosel,HIV-aus Afrika,Covid aus China usw. Wir haben's drauf.