Die Verteidigungsausgaben steigen – und sie werden wahrscheinlich noch mehr steigen müssen. Das hat Premier Luc Frieden vor einigen Wochen in seiner Regierungserklärung zur Ukraine und zur europäischen Sicherheitspolitik deutlich gemacht. Das Zwei-Prozent-Ziel des NATO-Bündnisses, dem Luxemburg sich verpflichtet hat und das die Regierung Frieden bis zum Jahr 2030 erreichen möchte, könnte schon bald einer noch ambitiöseren Zielmarke weichen. Fällt die luxemburgische Sonderregelung, zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens statt des Bruttoinlandsprodukts? Steigt das Ziel auf drei, dreieinhalb Prozent? Genaueres wird wohl erst der NATO-Gipfel Ende Juni in Den Haag zeigen.
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Unabhängig von dessen Ausgang ist jedoch eines sicher: In den kommenden Jahren wird der luxemburgische Staat viele Hundert Millionen in Verteidigung investieren. Im Haushalt 2025 sind bereits knapp 800 Millionen Euro vorgesehen – Tendenz nur steigend. Wenn es um diese Investitionen geht, tauchen in politischen Debatten zuverlässig zwei Gesprächspunkte auf. Erstens: Von Investitionen in die Verteidigung muss die heimische Wirtschaft profitieren, europäische Rüstungsindustrie statt US-amerikanischer Konzerne. Und zweitens: Bei Investitionen in militärische Zwecke soll auf deren gleichzeitigen zivilen Nutzen geachtet werden. Das magische Wort „Dual Use“.
Maschinenpistolen aus Ettelbrück
Gute Zeiten also für die Rüstungsindustrie. Aber hat Luxemburg überhaupt eine? Eigene große Rüstungsbetriebe gibt es hierzulande nicht. Wohl aber international agierende Unternehmen mit Sitz im oder Verbindungen zum Großherzogtum. Das deutsche Rüstungsunternehmen Heckler & Koch, bekannt für seine Handfeuerwaffen, gehört zum Beispiel mehrheitlich der Luxemburger Finanzholding „Compagnie de développement de l’eau“ (CDE), mit einem Jahresumsatz von 300 Millionen Euro im Jahr 2024. Ein Jahr zuvor hatte die luxemburgische Armee Heckler & Koch beauftragt, ihre Streitkräfte mit dem zukünftigen Standard-Sturmgewehr auszurüsten – Kostenpunkt: 8,4 Millionen Euro. Ihren Hauptsitz in Luxemburg hat seit 2018 die Beretta Holding, Dachgesellschaft des italienischen Familienunternehmens Fabbrica d’Armi Pietro Beretta, eine weitere berühmte Waffenschmiede.
„Handwaffen sind eigentlich Kleinvieh“, sagt Reiner Hesse. Er ist ehemaliger Soldat und Soziologe mit Schwerpunkt Militär- und Sicherheitspolitik. Für militärische Operationen seien sie aber trotzdem unverzichtbar, so Hesse. „Um ein Gebiet zu besetzen und zu halten, braucht man immer noch Infanterie. Daran hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert.“ Dass Luxemburg in die Produktion konventioneller Waffen einsteigt, hält Hesse für unwahrscheinlich. Es fehle heute an verfügbarem handwerklichem Knowhow. Das war nicht immer so.
Die Usine de Wecker stellte einst Hämmermaschinen her, Anlagen zur Produktion von hochresistenten Hohlkörpern, sprich: Granaten. Auch Waffen selbst wurden früher in Luxemburg hergestellt. Das (vom Großvater von CSV-Premier Luc Friedens „Chief of Staff, Michel Scholer, gegründete) Unternehmen „Société luxembourgeoise des armes“ (SOLA) produzierte zu Zeiten des Kalten Krieges in den Fünfzigerjahren Maschinenpistolen in Ettelbrück. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände arbeitet heute unter anderem die Firma No-Nail Boxes, ihrerseits wiederum Teil der zeitgenössischen luxemburgischen Verteidigungsindustrie – aber dazu gleich mehr.
Das Knowhow für die Produktion von Waffen sei in Westeuropa heute „nicht mehr flächendeckend vorhanden“, sagt Hesse. Man leiste zwar oft noch Entwicklungsarbeit, jedoch keine Produktion im industriellen Maßstab. Man betreibt bestenfalls Manufaktur, aber keine Massenproduktion mehr. „Dafür ist der Standort zu teuer und die Bestellungen waren über Jahrzehnte zu gering, weswegen die Produktionsstätten heute fehlen.“ Hinzu kommt auch in dieser Industrie der Fachkräftemangel. „Versuchen sie mal Dreher, Fräser oder Konstrukteure hier im Land zu finden“, sagt Hesse. Kurzer Seitenblick zum Nachbarn Deutschland: „Was dort nun in der Automobilindustrie wegfällt, geht zu Rheinmetall.“
Heute haben sich luxemburgische Unternehmen in anderen Bereichen spezialisiert – zum Beispiel in der Materialentwicklung. In Echternach stellt die Firma Euro-Composites Verbundwerkstoffe wie Leichtbauwaben her, die unter anderem in Flugzeugen von Airbus und Boeing, Zügen oder Schiffen zum Einsatz kommen. Sie werden aber auch in Kampfjets, europäischen Kampfhubschraubern und im Militärtransporter Airbus A400M verbaut. Euro-Composites ist ein globaler Player und ein Paradebeispiel für Dual Use.
Das luxemburgische Verteidigungsministerium hat zusammen mit Luxinnovation vergangenes Jahr einen Katalog veröffentlicht, der die Möglichkeiten der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hierzulande aufzeigt – auch um weitere Unternehmen in diesem Bereich anzulocken und zu fördern. 90 Unternehmen und Institutionen listet der Katalog auf, deren Forschung oder Produktion sowohl zivilen als auch militärischen Nutzen haben. Darunter auch Euro-Composites aus Echternach. Dort werden nach eigenen Angaben auch „Explosions- und Ballistikschutzplatten“ gebaut, die Luft- oder Landfahrzeuge vor Raketen schützen sollen.
Start-ups für die Verteidigung
Für den Militärsoziologen Hesse liegt die Zukunft in drohnenartigen, nicht bemannten Kampfflugzeugen. „In diesem Bereich dürfte auch z.B. das Knowhow von Euro-Composites eine Rolle spielen.“ Klassische Rüstungsgüter seien heute nicht mehr so wirksam, sagt Hesse. „Sie können heute einen Panzer für 25 Millionen Euro hinstellen, state of the art, das Modernste vom Modernen, aber eine Drohne für 30.000 Euro müsste völlig ausreichen, um das Ding zu zerstören. Ein betriebswirtschaftlich miserables Verhältnis.“ Die Verteidigungsindustrie entwickle sich deshalb immer mehr zu einer Start-up-Kultur, wo Steuerung und Sensorik von autonomen Waffensystemen ein hochevolutionärer elektronischer Wettlauf seien und die Halbwertszeit von Neuerungen nur bei drei Monaten liege, so der Militärsoziologe.
Im vergangenen Jahr haben das Verteidigungsministerium und das Wirtschaftsministerium, in Kooperation mit Luxinnovation und dem Forschungsministerium, eine Ausschreibung lanciert, um gezielt Forschungsprojekte zu fördern, die sowohl zivilen als auch militärischen Nutzen haben. Während sich der erste Aufruf auf Weltraum und Materialforschung fokussierte, ging es im zweiten Aufruf um die Bereiche der „Smart Mobility“, „Resilience“ und „Strategic Foresight and Climate Change Adaptation“. Auf Nachfrage teilte das Wirtschaftsministerium mit, dass von den 17 eingereichten Anträgen der ersten Runde aktuell sechs zurückbehalten werden. Zum zweiten Aufruf gibt es noch keine offiziellen Entscheidungen.
Immer dabei: der Dual-Use-Gedanke. „Die Projekte werden hinsichtlich einer klaren möglichen Anwendung im militärischen Bereich geprüft. Ist diese nicht gegeben, werden die Projekte nicht zurückbehalten“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Ob die fertig entwickelten Projekte später einen Abnehmer im Bereich der Verteidigung finden, sei jedoch nicht mit Sicherheit zu garantieren. „Alles, was Sie militärisch im Informatikbereich machen, können Sie auch zivil nutzen“, sagt Militärsoziologe Hesse. IT-Sicherheit schützt den Finanzplatz. Drohnentechnologie kommt auch im land- und forstwirtschaftlichen Bereich zum Einsatz. Aufklärungsdrohnen entdecken Krankheiten und Schädlingsbefall. Satelliten zur Erdbeobachtung können Verkehrsflüsse beobachten, aber auch Truppenbewegungen. Die Übergänge zwischen zivilem und militärischem Nutzen sind fließend.
Das zeigt auch der Verteidigungsindustriekatalog von Luxinnovation. Dort sind große Namen dabei. Die Universität Luxemburg mit ihrer Forschungsarbeit. LuxProvide mit seinem Supercomputer. LuxTrust für Informationssicherheit. Und natürlich der Satellitenbetreiber SES mit seiner Tochtergesellschaft SES Space & Defense. Diese hat im vergangenen Jahr einen Auftrag über 3,5 Millionen US-Dollar erhalten, um Satellitenkommunikation für die US-Armee zur Verfügung zu stellen. All diese Unternehmen und Institutionen spielen auch im zivilen Wirtschaftsleben des Landes eine große Rolle. Mit dabei auch viele Betriebe, deren Produkte man nicht sofort einer klassischen Rüstungsindustrie zuordnen würde. Die bereits angesprochene Firma No-Nail Boxes, die mit Sitz in den USA und in Luxemburg – wie der Name schon verrät – faltbare Sperrholz- und Stahlkisten für den industriellen Einsatz herstellt. Das Bioengineering-Unternehmen Blue Horizon züchtet Mikroorganismen wie Bakterien, Algen oder Pilze, um das Leben während bemannter Weltraummissionen und auf anderen Planeten zu unterstützen. Diese Mikroorganismen können aber auch die Gefahr von Waldbränden verringern oder Landminen aufspüren. Das Start-up-Unternehmen Uplift360 hingegen bietet nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Verteidigungssektor, um militärische Ausrüstung nach dem Ende ihrer Lebensdauer zu recyclen.
Was beim Überblick über die Verteidigungsindustrie und -forschung auffällt, ist der Schwerpunkt auf Satellitentechnik und Cybersicherheit, der natürlich wenig überrascht. Eben jene beiden Bereiche nannte auch der ehemalige Verteidigungsminister François Bausch, als er im RTL-Interview nach Verteidigungsinvestitionen gefragt wurde: Luxemburg und die anderen EU-Länder sollten bei der Verteidigung auf ihre vorhandenen Stärken setzen.
Am Ende bleibt die Frage: Wie viele konventionelle Waffen braucht es in Europa zur Abschreckung? Investitionen in diesen Bereich werden eher nicht in die luxemburgische Wirtschaft fließen.
De Maart

@canis-lupus
Do gin ech Iech vollkommen recht!
T'wonnert mech juste, dass ären Commentaire publizéiert gin ass...
ma dën Här Frieden läit do komplett falsch wéi och bal ganz Europa..
ët wär vläicht besser wann den Här Frieden sengem Num géing eng Eier maachen
mat Waffen ërreecht Ee gouër Näicht, just Schouëd a Leed an d'Souën könnten fiir aaner Zwecker gebraucht gin..
oder!?
@ Nomi / Mehr oder wenig! Von 1952 bis 1960 existierte die Frima Sola (SOciété Luxemburgeoise des Armes) und produzierte Maschinenpistolen (Submachine guns)in Ettelbrück.
""Auf dem ehemaligen Fabrikgelände arbeitet heute unter anderem die Firma No-Nail Boxes, ihrerseits wiederum Teil der zeitgenössischen luxemburgischen Verteidigungsindustrie – aber dazu gleich mehr.""
FALSCH !
Bis Anfang 50er wurden Waffen produziert. Nach ein paar Jahren Leerstand nahm "No Nail Boxes" die Produktion Ende 50er auf. Danach zog "No Nail Boxes" nach Warken um und die Halle an der Alzette wurde abgerissen und machte Platz fuer den "Monopol". Vor einigen Jahren machte Monopol zu und es verblieb eine Epicerie im Erdgeschoss. Bis dann Cactus die Verkaufsflaeche vor ein paar Jahren uebernahm!