Über die Notwendigkeit einer Reform des Luxemburger Rentenwesens herrschte am Mittwoch im Parlament seltene Einigkeit. Darüber, wo genau eine Reform ansetzen müsste und was die möglichen Lösungsansätze wären, jedoch nicht.
Auffällig war dabei während der Debatte ein Detail: Die Redner gleich mehrerer Parteien brachten die Idee von Fonds ins Spiel, die künftig eine größere Rolle bei der Finanzierung spielen könnten. Derzeit wird die bestehende Rentenreserve bereits vom „Fonds de compensation“ (FdC) verwaltet. Geht es nach den Vorstellungen einiger Parteien, soll Luxemburg seinen Standortvorteil als Investmentfondsplatz nutzen und dieses Fachwissen zur Absicherung der Rente einsetzen.
Alex Donnersbach von der CSV hatte hervorgehoben – wie auch das Tageblatt bereits in einem Leitartikel vorgeschlagen hatte –, dass das „Polster von 30 Milliarden Euro“, das vom Rentensystem des Privatsektors in Luxemburg in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde, „aktiver eingesetzt werden könnte“. Er forderte die Regierung auf, nachzurechnen, inwiefern die jährlichen Gewinne des FdC als zusätzliche Einkommensquelle für das Rentensystem genutzt werden könnten.
Laut den Prognosen der „Inspection générale de la sécurité sociale“ (IGSS) wird 2026 mit einem Defizit von 100 Millionen Euro und 2027 von 300 Millionen Euro bei der Rentenkasse des Privatsektors gerechnet. Seit seiner Gründung hat der FdC im Schnitt derweil eine Rendite von rund fünf Prozent pro Jahr verbucht. Letztes Jahr war es ein absoluter Rekordgewinn von 2,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 hatte die „Caisse nationale d’assurance pension“ (CNAP) insgesamt 6,4 Milliarden Euro an die Rentner aus dem Privatsektor ausgeschüttet.
Reserve als Einnahmequelle
Zum Hintergrund: Das Geld im FdC gehört nicht dem Luxemburger Staat. Es gehört den (angehenden) Rentnern. Angetrieben vom starken Wachstum der Zahl der Arbeitsplätze wurden über viele Jahre hinweg mehr Beiträge in die Rentenkasse einbezahlt als für das Auszahlen der Renten benötigt wurden. Dieser Überschuss wurde in die Reserve eingebracht und investiert.
Zeitgleich mit der Idee, den FdC als Einnahmequelle zu nutzen, spielt die CSV auch mit der Überlegung, einen neuen, zusätzlichen öffentlichen Fonds zu gründen, in den diejenigen investieren könnten, die sich eine private Zusatzpension aufbauen wollen. Die Regierung solle das prüfen, so Donnersbach. Gérard Schockmel (DP) teilt diese Überlegung. Das Finanzministerium solle prüfen, ob es möglich sei, einen staatlichen Fonds zu schaffen, quasi eine Kopie des FdC, in den Bürger im Sinne von privaten und beruflichen Zusatzversicherungen investieren könnten. Das würde Transparenz und Harmonisierung hinsichtlich einer möglichen Investitionsstrategie schaffen, hebt er hervor.
Derzeit können Arbeitnehmer im Rahmen der dritten Säule in private Zusatzrenten investieren. Dem System liegen jedoch unterschiedliche und teils undurchsichtige Gebühren je nach Anbieter zugrunde. Mal werden monatlich vier Prozent von der einbezahlten Summe zurückbehalten, mal wird jährlich ein Prozent vom gesamten angesparten Kapital eingezogen, mal ist es eine Mischung von beiden. Vom Staat her gibt es heute kaum Regeln und Vorschriften für diesen Gebührenwirrwarr. Je nach Vertrag fallen die bezahlten Gebühren sogar höher aus als die für den Kunden erwirtschaftete Rendite. Ein staatlicher Fonds würde hingegen sicherstellen, dass die Rendite der Anlagen ganz für den Bürger sei, so Schockmel am Mittwoch.
Staatsfonds für private Zusatzrente
Alexandra Schoos ihrerseits erneuerte die ADR-Kritik am FdC. Insbesondere die ESG-Kriterien, also Kriterien zu Umwelt, Soziales und Gouvernance, sind der Partei ein Dorn im Auge. Ihr zufolge führen sie dazu, dass der Fonds aufgrund der auferlegten Einschränkungen nicht so viel Rendite erwirtschaftet, wie er eigentlich erwirtschaften könnte. Andere Parteien, wie etwa „déi Lénk“, haben derweil im Gegenzug am Mittwoch extra die Wichtigkeit dieser Kriterien hervorgehoben. Marc Baum unterstrich, dass der FdC mittlerweile sogar die Möglichkeit habe, in Firmen im Verteidigungsbereich zu investieren.
Kritik an der Rendite des FdC gab es derweil auch vom Sprecher der Piraten, Sven Clement. Er bemängelte, dass der FdC die Gelder der Rentner vor allem in aktiv verwaltete Investmentfonds investiert. Diese würden jedoch deutlich weniger Rendite abwerfen als passiv gemanagte Fonds, wie ETF, die beispielsweise nur einen Börsenindex nachbilden.
Bei den Grünen fährt man, betreffend den FdC, gleich auf zwei Schienen: Einerseits erklärte Djuna Bernard, dass die aktuelle Rentenreserve dem Land die Möglichkeit und die notwendige Zeit gibt, um das Thema in Ruhe anzugehen. Gleichzeitig schlägt sie vor, man solle einen Fonds nutzen können, der zusätzliche Einnahmen, Renditen, schafft, die in das Pensionssystem einfließen können.
Die aktuelle Reserve im Fonds ist zwar hoch, jedoch nicht unendlich. Bei gleichbleibender Politik wäre der Topf bis 2045 komplett leer und aufgebraucht, so die aktuellen Prognosen.
Ein neuer Fonds für Staatsbeamte
Bernard bedauerte dabei zudem, dass es in der Vergangenheit verpasst wurde, einen ähnlichen Staatsfonds zur Zahlung der Renten im öffentlichen Sektor aufzubauen, wie es ihn mit dem FdC für den Privatsektor gibt. Sie erachtete es als notwendig, das nachzuholen. Aktuell werden die Renten der Staatsbeamten aus den laufenden Steuereinnahmen bezahlt. Auch Sven Clement von den Piraten fand, der Staat solle eine solche Reserve aufbauen. Mit dem FdC als Vorbild wäre das dann auch eine Reserve, die wachsen könnte und zukünftige Einnahmen generieren könnte. „Heute hingegen belasten wir jedes Jahr einfach den Staatshaushalt.“
Einen Vorschlag zu einem ganz neuen Fonds legte am Mittwoch derweil die ADR auf den Tisch: Dabei denkt die Partei sehr, sehr langfristig. Ihrer Überlegung zufolge solle ein neuer öffentlicher Topf geschaffen werden, in den die Bürger investieren können. In diesen Fonds sollten dann die Beiträge einfließen, die im Rahmen von Anlagen zur privaten und zur betrieblichen Zusatzpension einfließen. Das Kapital solle dann jedoch ewig im Fonds bleiben und nur die Zinsen und Zinseszinsen während der Rente monatlich an den Bürger ausbezahlt werden. Das eingezahlte Kapital sei für den Einzahler jedoch nicht verloren, auch wenn dieser es nicht zurückerhalte, so Schoos. Der Idee zufolge sollen die Rechte an den Zinszahlungen an die Erben weitergeleitet werden.
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Der Erste, der in den Fonds einzahlt, hätte demnach finanziell selber nicht viel von diesem Konstrukt. Er müsste viel einzahlen, würde jedoch nur kleine Zahlungen zurückerhalten. Es stellt sich demnach die Frage, wie viele Leute bereit wären, heute zu investieren, damit ihre Kindeskinder davon profitieren können. Dass es nicht schnell umsetzbar ist, ist der Partei bewusst: Es würde zwei bis drei Generationen dauern, ehe der Fonds zu einer echten Ergänzung für das Umlageverfahren werden könnte, so Schoos. Als Vorbild hob sie Norwegens Staatsfonds hervor.
Eine Debatte über Staatsfonds wird in Luxemburg übrigens bereits seit Jahrzehnten geführt. Mal waren es die Einnahmen aus den Tankstellen, mal die aus der Mehrwertsteuer auf E-Commerce, mal die von Investmentfonds, die einfließen sollten. Passiert ist bisher fast nichts.
De Maart

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