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Private ZusatzpensionDie Rente, die keine ist: Warum das „Cappuccino-Modell“ nicht für alle Menschen geeignet ist

Private Zusatzpension / Die Rente, die keine ist: Warum das „Cappuccino-Modell“ nicht für alle Menschen geeignet ist
Die private Zusatzpension wird so lange ausbezahlt, bis die angesparte Summe weg ist – nicht bis zum Lebensende Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Von Regierungsseite wird bekräftigt, dass die Debatte über die Zukunft des Rentensystems ohne Tabus angegangen wird. Gleichzeitig hat Premierminister Luc Frieden jedoch bereits durchblicken lassen, dass er wohl gerne ein „Cappuccino-Modell“ als Resultat sehen würde. Doch ist das System der privaten Zusatzrente überhaupt als Lösung geeignet?

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Bereits im Jahr 2026 werden die Beiträge der im Privatsektor arbeitenden Bevölkerung nicht mehr ausreichen, um die versprochenen Renten der Menschen im Ruhestand zu bezahlen. Um das System im Gleichgewicht zu halten, wird debattiert – über Leistungskürzungen, neue Einnahmequellen, eine längere Lebensarbeitszeit oder höhere Beiträge.

Die Regierung beteuert, dass sie keine vorgefertigte Meinung zum Thema hat und dass alles ohne Tabus diskutiert werden muss. Gleichzeitig scheint sie aber zur Sicht der Arbeitgeber zu tendieren, die vor allem vermeiden wollen, dass sie höhere Beiträge als bisher bezahlen müssen.

Um den Lebensstandard der Luxemburger Rentner trotz potenziell negativer Maßnahmen hochzuhalten, scheint die Regierung ebenfalls bereits klar zu wissen, dass sie die sogenannte zweite und dritte Säule des Rentensystems fördern will. Gepriesen hat Premierminister Luc Frieden das sogenannte „Cappuccino-Modell“, wo die privaten Zusatzrenten wie „Milchschaum und Schokolade“ auf dem Kaffee (Basisrente) wirken sollen.

Keine Alternative zur gesetzlichen Rente

Doch ergibt diese Überlegung Sinn? Was genau ist das Gewicht der zweiten und dritten Säule in Luxemburg und was ist ihr Potenzial?

Die Idee an sich scheint überzeugend: Wenn die Verteilungskraft der gesetzlichen Rentenversicherung schrumpft, dann können die Versicherten – mit Unterstützung durch den Staat – Geld anlegen und so in Zukunft eine höhere Rente haben als nur die gesetzliche. Der Staat sieht dafür zwei Möglichkeiten vor und unterstützt sie mit steuerlichen Vergünstigungen: Das sind einerseits Beiträge im Rahmen eines betrieblichen Zusatzrentensystems, das vom Arbeitgeber eingerichtet wird, und andererseits die private Altersvorsorge, wo der künftige Rentner auf Eigeninitiative Geld in ein definiertes System einzahlen kann.

Um es vorwegzunehmen: Beide Zusatzsysteme sind mit großen Lücken behaftet und reichen bei weitem nicht aus, um eine halbwegs seriöse Alternative zu der gesetzlichen Rente dazustellen. Und das, weil sie nicht für jeden Bürger verfügbar – und nicht einmal für jeden Bürger interessant sind.

Eine betriebliche Altersvorsorge beispielsweise wird lediglich von einer kleinen Anzahl an Unternehmen aktiv angeboten. Wer in einer anderen Firma arbeitet, für den gibt es diese zweite Säule schlichtweg nicht. Die betreffenden Steuerermäßigungen damit auch nicht. Zu erwähnen ist noch, dass das firmeninterne Angebot oft nicht für alle Mitarbeiter gilt. Außerdem ist seit 2013 die Zahl der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern diese Möglichkeit anbieten, nicht einmal gestiegen.

Steuersparinstrument für Besserverdienende

Die verfügbaren Zahlen von IGSS, Gewerkschaften und aus Medienberichten zeigen weiter, dass landesweit mehr als 56 Prozent der Arbeitnehmer im Bereich Finanz- und Versicherungswesen durch ein betriebliches Zusatzrentensystem abgesichert sind, während es in Bereichen mit mehr Geringverdienern, wie etwa im Handel und im Gastgewerbe, nur knapp zehn Prozent sind.

Im Jahr 2022 gab es insgesamt 69.000 Mitarbeiter, die aktiv dabei waren, Geld in die betriebliche Zusatzpension zu investieren. Das sind weniger als 15 Prozent aller Angestellten. Alles in allem zählt das Land rund eine halbe Million Beschäftigte. Für die große Mehrheit der Bevölkerung scheint diese Art des Sparens für die Rente also keine Option zu sein. Sie können beziehungsweise dürfen nicht mitmachen, ob sie wollen oder nicht.

Weiter hinzu kommt, dass sich die Mehrheit der Nutznießer einer betrieblichen Zusatzrente die angesparte Summe beim Rentenantritt auszahlen lässt. Die Alternative, sich eine monatliche Summe auszahlen zu lassen (das geht, bis das Geldvolumen im Topf leer ist), scheint demnach uninteressant. Weniger als tausend von den 220.000 Rentnern aus dem Privatsektor sollen 2023 eine solche monatliche Zusatzrente erhalten haben.

Nur wenig genaue Zahlen

Anders müsste es von Natur aus bei der dritten Säule aussehen. Zumindest hat jedermann das Recht darauf, in dieses System zu investieren. Hier stellt sich jedoch vor allem die Frage, wie interessant die Anlagemöglichkeit für den einzelnen Bürger ist. Und bei genauerem Hinsehen stellt sich sehr schnell heraus, dass sich die private Zusatzrente nach Artikel 111bis des luxemburgischen Gesetzes über die Einkommenssteuer nicht für jeden lohnt.

Und das liegt nicht allein daran, dass die angesparten Gelder oft an den Finanzmärkten investiert werden, was mal zu Gewinnen, mal zu Verlusten führen kann. Erschwerend hinzu kommt dabei eine komplizierte Struktur bei den Gebühren. Sie sind je nach Vertrag und Anbieter unterschiedlich. Mal werden monatlich vier Prozent von der einbezahlten Summe zurückbehalten, mal wird jährlich ein Prozent vom gesamten angesparten Kapital eingezogen, mal ist es eine Mischung von beiden. Vom Staat her gibt es kaum Regeln und Vorschriften für diesen Gebührenwirrwarr.

Auffallend ist, dass die unterschiedlichen Anbieter kaum mit der Qualität ihres Angebots werben – sondern vor allem mit der Möglichkeit des Steuersparens, die das Produkt mit sich bringt. Insgesamt eine Anlagesumme von 3.200 Euro jährlich erlaubt der Staat den Bürgen über dieses Instrument von der Steuer abzusetzen. Hieraus ergibt sich, dass das Produkt wohl nur für den interessant ist, der genügend Steuern bezahlt, um von Ermäßigungen zu profitieren.

Die Gebühren erklären auch, warum es für die Versicherungsunternehmen ein überaus lukratives Geschäft ist und sie sich aktiv für eine weitere Förderung „der privaten Zusatzrente“ durch Steuergelder einsetzen.

Keine Auszahlung bis ans Lebensende

Genaue Zahlen zu der Anzahl der Kunden sind dabei Mangelware. Insgesamt gibt es sehr wenige Informationen und sehr wenig Daten. Laut auffindbaren Zahlen soll es insgesamt 134.500 Verträge für private Zusatzversicherungen geben. Da die meisten Kunden jedoch in mehr als eine Anlageform investieren wollen, haben sie jeweils auch mehr als einen Vertrag. Laut einem von den Gewerkschaften zitierten Artikel aus dem Land sollen im Jahr 2021 in insgesamt 72.700 Steuererklärungen Steuerermäßigungen für ein „plan prévoyance-vieillesse“ geltend gemacht worden sein. Auch hier ist der Anteil der beteiligten Bürger demnach überaus gering. Landesweit gibt es in etwa eine halbe Million Beschäftigte.

Bekannt ist dabei auch, dass die große Mehrheit der Versicherten bei der Auszahlung auf das einmalige Ausschütten der gesamten Summe setzt, so wie bei der Betriebsrente. Für das langfristige, stetige Aufstocken der monatlichen Rente scheint das Produkt nicht interessant zu sein. Das ist eigentlich auch nur sehr bedingt möglich: Entscheidet man sich nämlich für die monatliche Auszahlung, dann läuft diese nicht bis zum Lebensende, sondern ebenfalls nur so lange, bis der Topf mit dem angesparten Geld leer ist. Eine monatliche Rente, die bis ans Lebensende ausbezahlt wird, ist von dem Produkt nicht vorgesehen. Solche Produkte haben die Versicherungsgesellschaften übrigens auch im Angebot – eine Lebensversicherung – die werden aber nicht mir dem gleichen Elan steuerlich unterstützt.

Nur bei einigen Anbietern ist in der Werbung zu hören, dass beim Auszahlen (nach wenigstens zehn Jahren oder frühestens im Alter von 60 Jahren) dann doch wiederum eine Steuer anfällt. Bei einer Kapitalauszahlung wird das ausgezahlte Kapital mit der Hälfte des allgemeinen Satzes besteuert, bei einer monatlichen Leibrente ist die Hälfte dieser zu versteuern.

Zusatzrente interessant für Rentner

Witzigerweise ist die private Zusatzrente dabei gerade für gut gestellte Rentner interessant. Diese haben meist nur noch wenige Elemente, die sie auf ihrer Jahressteuererklärung zum Steuersparen geltend machen können: Haus abbezahlt, Kinder nicht mehr zu Hause. In die private Zusatzrente können viele von ihnen jedoch noch investieren. Das Produkt muss während wenigstens zehn Jahren gespeist werden und spätestens im Alter von 75 ausbezahlt werden. Das gesetzliche Renteneintrittsalter beträgt 65 Jahre.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Idee eines freiwilligen kapitalgestützten Zusatzes zur gesetzlichen Rente zwar nicht abzulehnen ist, das derzeitige System der privaten Zusatzrente dafür aber nicht geeignet ist.

Wenn nun eine Regierung auf ein „Cappuccino-Modell“ nach den aktuellen Regeln setzt, dann riskiert es für die Mehrheit der Bevölkerung ein überaus bitterer Kaffee zu werden. Milchschaum und Schokolade sind nur denjenigen vorbehalten, die genügend Geld verdienen.


LINK Lesen Sie hier den Kommentar unseres Autor zu dem Thema 


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 Foto: Editpress/Hervé Montaigu
Jemp
14. März 2025 - 20.58

Wenn die Versicherungsgesellschaften nichts oder wenig an diesen Renten verdienen wuerden, dann wuerden sie sie nicht anbieten. Sie sind die Hauptprofiteure dieser Zusatzrenten. Aber auch, wenn einige wenige reiche Versicherungsnehmer durch Steuerersparnis davon profitieren, bezahlen das die anderen mit ihren hoeheren zu zahlenden Steuern, und zwar ohne gefragt zu werden. Eng deck Sauerei! Emverdeelung vun ennen no uewen. Dat muss onbedingt verhennert ginn!

Reinertz Barriera Manfred
14. März 2025 - 10.42

Genau das Cappuccino Modell ist etwas für die privilegierten Leute, als allgemeines Pflaster fÜr alle anderen Rentner jedoch nicht tauglich....

Guy Mathey
14. März 2025 - 8.39

Schon befremdlich, dass immer dann, wenn die CSV in der Regierung vertreten ist, plötzlich diese ominöse Rentenmauer auftaucht, oder?
Die von Christian Muller vertretenen Ansichten kann ich absolut teilen und möchte dem hinzufügen, dass es nicht zielführend sein kann, wenn künftig Versicherungsunternehmen sich eine goldene Nase an einer Rentenversicherung verdienen sollen, welche zudem lediglich einer wohlhabenderen Minderheit zugute kommt. Anstatt den Rentner*innen käme das Geld den Aktionär*innen zu gute.

Bislang hat lediglich eine Partei, nämlich déi Lenk, ein sinnvolles Rentenkonzept, welches auf Absicherung und Ausbau des Bestandssystems beruht, vorgelegt. Genau dieses Rentensystem gilt es konsequent zu verteidigen, das es als einziges die Interessen der arbeitenden Bevölkerung wahrnimmt!

Grober J-P.
14. März 2025 - 8.24

"Private Zusatzpension." Gehst de hinter mich! Einfach mal zum Versicherer gehen und nachfragen was denn „hinten“ am Ende rauskommt. Mein Berater war sehr ehrlich, „Mann, das ist was für Leute mit Geld. Möchten Sie abnehmen?“ Habe anfangs nicht verstanden!

Bop
14. März 2025 - 8.18

Wenn man mit 70 mehr als 4000€ Steuern nachzahlen muss tut das auch weh.
Dann ist der Schaum weg. In Deutschland gibt es die Riester-Rente. Da kommt man mit 95 in den Genuss Das ist sehr ambitioniert. In Skandinavien gibt es eine Maximal-Rente und eine Minimal-Rente. Da ist für jeden etwas dabei. Alle zahlen in dieselbe Kasse,vom Chirurgen bis zum Briefträger. Wer im Leben gut verdient hat,hat sich eine Zusatzrente zugelegt.Für höhere Ansprüche.
Es wird wohl auf höhere Beiträge herauskommen..und längere Arbeitszeiten. Vielleicht sollte man auch auf 13. Monatsgehälter verzichten oder auf Weihnachtsgratifikationen. Dann werden die Kugeln am Baum eben kleiner.