Zehn Jahre nachdem sich eine sehr große Mehrheit der Luxemburger in einem Referendum gegen die Einführung des sogenannten Ausländerwahlrechts, die Senkung des Wahlalters und die zeitliche Begrenzung der Ministermandate aussprach und rund fünf Jahre nachdem CSV und DP die große Verfassungsrevision zugunsten einer schrittweisen Reform ohne Volksbefragung verhinderten, diskutiert die Abgeordnetenkammer seit einigen Wochen erneut über eine Reform des Wahlgesetzes. Ende April hatte das Parlament einstimmig eine entsprechende Resolution der CSV angenommen. Am Montagvormittag traf sich der parlamentarische Institutionenausschuss, um über die Vorschläge zu beraten, die die Parteien in den vergangenen Monaten eingereicht hatten.
Die Oppositionsparteien nutzten die Gelegenheit, um Forderungen nach grundlegenden Änderungen des Wahlsystems geltend zu machen. Die Mehrheitsparteien CSV und DP lehnen jedoch sämtliche Vorschläge ab, für die eine Verfassungsänderung nötig wäre, bestätigte der Präsident des Institutionenausschusses, Laurent Zeimet (CSV), am Montagnachmittag dem Tageblatt.
Laut den Grünen würde die Zusammenlegung der vier Wahlbezirke zu einem einzigen die Stimmengewichtung harmonisieren und die Abstimmung vereinfachen. Linke und LSAP denken ähnlich. CSV, DP und ADR, die am meisten unter dieser Reform zu verlieren hätten, sind dagegen.
Für die Einführung des Wahlrechts für Nicht-Luxemburger sind zehn Jahre nach dem Referendum nur noch „déi Lénk“ und – mit Einschränkungen – LSAP und Grüne. Die beiden Letzteren und die Piraten sprechen sich auch weiterhin für die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus. Grüne, Linke und ADR wollen Änderungen am Sitzzuteilungsverfahren vornehmen, weil es kleine Parteien benachteiligt.
So viele wie San Marino
Die Zahl der Abgeordneten erhöhen wollen LSAP, Grüne, ADR und Linke – die CSV, die über die meisten Parlamentarier verfügt, ist dagegen. Obwohl die Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen ist, hat sich die Zahl der Sitze im Parlament seit 50 Jahren kaum verändert. Substanziell erhöht wurde sie zum letzten Mal in den 60er und 70er Jahren (1964 von 52 auf 56, 1974 von 56 auf 59), seit 1989 liegt sie bei 60. Durch die gestiegene Komplexität der Gesetzesprojekte und die Zunahme europäischer Richtlinien, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, sei die Arbeitslast insbesondere für kleine Parteien nur noch mit viel Aufwand zu bewerkstelligen, beklagt der linke Abgeordnete Marc Baum. Europäische Staaten mit einer vergleichbaren Bevölkerungsgröße wie Luxemburg verfügen über wesentlich mehr Abgeordnete. In Malta, das 100.000 Einwohner weniger zählt als Luxemburg, besteht das Parlament aus 79 Sitzen. In Montenegro (633.000 Einwohner) sind es 81. 60 Abgeordnete zählt auch das Parlament von San Marino, das nur 33.500 Einwohner hat.
Da für all diese Vorschläge aber Verfassungsänderungen nötig würden, die nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament möglich sind, werden sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in dieser Legislaturperiode umgesetzt. Mit 21 Mandaten kann die CSV als einzige Partei alleine eine Sperrminorität für Verfassungsänderungen geltend machen.
Größtenteils einig sind sich die Parteien offenbar über die seit zwei Jahrzehnten diskutierte Abschaffung der Doppelmandate. Die DP hält sich in dieser Frage am meisten zurück, ist aber nicht grundsätzlich gegen die Mandatstrennung auf nationaler und kommunaler Ebene, die auch die anderen Parteien an bestimmte Bedingungen knüpfen: Vollzeitbürgermeister (DP, Piraten), Vollzeitabgeordnete (LSAP, Grüne, Piraten), Kammer kommunaler Mandatsträger (CSV).
Veraltet
Die Grünen hatten die Frage aufgeworfen, ob die Regelung, dass Mitglieder der Kammer nicht blutsverwandt oder bis zum zweiten Grade anverwandt, bzw. nicht miteinander verheiratet sein dürfen, noch zeitgemäß sei. In anderen EU-Staaten existiere sie höchstens noch auf regionaler oder lokaler Ebene, nicht aber auf nationaler, sagte die grüne Abgeordnete Sam Tanson gestern dem Tageblatt. Die „Cellule scientifique“ des Parlaments hat diesbezüglich eine Datenanalyse erstellt, die in der nächsten Sitzung besprochen werden soll.
Am 13. Juni hatte CSV-Premierminister Luc Frieden in seiner Antwort auf eine mündliche parlamentarische Anfrage der LSAP-Fraktionspräsidentin Taina Bofferding über ungültige Wahlzettel und geringe Wahlbeteiligung bei den Kammerwahlen die Parteien dazu eingeladen, Vorschläge zur Vereinfachung des Wahlgesetzes einzureichen. „Mat e bëssen demokratescher Rou wäerte mer elo e puer Joer keng Walen hunn, also ass elo den opportune Moment, fir dat ze maachen“, meinte Frieden. Seiner Ansicht nach solle der parlamentarische Institutionenausschuss vor allem über die Vereinfachung der Prozeduren und die im Koalitionsabkommen angekündigte Einführung des „Vote électronique dans l’isoloir, also net doheem, mee an der Walkabinn“ diskutieren.
In der nächsten Sitzung am 5. Mai wolle der Institutionenausschuss ein Arbeitsprogramm festlegen und vor allem auf den Punkten arbeiten, bei denen Aussicht auf Einigung besteht, sagte Laurent Zeimet am Montag. Dabei handle es sich vor allem um technische Verbesserungen und die Reform von Prozeduren und Bestimmungen, die inzwischen „veraltet“ seien.
De Maart

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