Montag20. Oktober 2025

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World Overshoot DayArmes Luxemburg: Wie ein Land sich ganz grundlegenden Herausforderungen verweigert

World Overshoot Day / Armes Luxemburg: Wie ein Land sich ganz grundlegenden Herausforderungen verweigert
Wie lang kann sich Luxemburg einer Nachhaltigkeitsdiskussion verweigern? Foto: Editpress/Julien Garroy

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Luxemburg „feiert“ am 17. Februar seinen Earth Overshoot Day. Überraschend kommt dieses überaus frühe Datum nicht. Blick auf ein Land, das sich mit seinem Schicksal abgefunden hat.

Luxemburg hat am 17. Februar all seine Ressourcen für das Jahr 2025 verbraucht. Das haben Forscher des „Global Footprint Network“ nach einer festgelegten Methodologie errechnet. Das bedeutet: Luxemburg sichert sich – wieder einmal – den zweiten Platz der Länder, welche die ihnen zustehenden Ressourcen am schnellsten verbraucht haben. Wie in den Jahren zuvor hat nur der Wüstenstaat Katar es geschafft, seine ihm zustehenden Ressourcen noch schneller zu verbrennen. Diese Auszeichnung ist sinnbildlich für ein Land, in dem vergangene Generationen es den Wohlstandsträgern von heute überhaupt erst ermöglicht haben, sich nicht um das, was morgen ist, kümmern zu müssen.

Der Nachhaltigkeitsrat

Der Luxemburger Nachhaltigkeitsrat („Conseil supérieur pour le Développement durable“, CSDD) wurde 2004 mit dem Gesetz vom 25. Juni 2004 über die Koordinierung der nationalen Politik der nachhaltigen Entwicklung gegründet. Er soll als Diskussionsforum für die nachhaltige Entwicklung dienen, die Durchführung von Forschungsarbeiten und Studien in allen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung fördern und Kooperationsbeziehungen zu ähnlichen Komitees in den EU-Mitgliedstaaten aufbauen. Derzeit ist der Nachhaltigkeitsrat jedoch nicht vollständig besetzt und kann seinen Funktionen nur bedingt nachkommen. „Der Nachhaltigkeitsrat wird aktuell erneuert“, antwortet eine Sprecherin des Umweltministeriums auf eine entsprechende Nachfrage des Tageblatt. „Wenn die neue Zusammenstellung feststeht, kommunizieren wir eine aktualisierte Liste der Mitglieder.“ Im Internetauftritt des CSDD ist derzeit nur eine veraltete Mitgliederliste zu finden.

Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ hat in Luxemburg in den vergangenen Jahren an Konjunktur verloren, könnte man meinen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Wähler bei den vergangenen Chamberwahlen die Grünen und ihre Kernthemen rund um Klima- und Umweltschutz aus der Regierungsverantwortung geholt und in die Opposition verbannt haben. Dabei ist Nachhaltigkeit mehr als Klima- und Umweltschutz – auch wenn es als politischer Kampfbegriff in der Wahlkampfarena inflationär ge- und missbraucht wurde.

Mittlerweile aber steht Nachhaltigkeit im Zentrum der politischen Debatte – wenngleich unter anderem Namen. Wenn bei der Rentendebatte über „Generationengerechtigkeit“ oder beim Logement über bezahlbaren Wohnraum für junge Erwachsene diskutiert oder über die Tragfähigkeit des Luxemburger Wahlsystems und das Ausländerwahlrecht debattiert wird, wird eigentlich über den Begriff der Nachhaltigkeit diskutiert. „Generation steht hier für einen absoluten Anspruch auf Nachhaltigkeit, in den gegenwärtiges Handeln gestellt ist“, resümiert es die Publizistin Carlotta Voß. Die Zukunft sei demnach eine „Akkumulation der Folgewirkungen von Handlungen der Gegenwart“ – womit dem Heute eine Verantwortung für das Morgen zugeschrieben wird.

Bewusstsein entsteht …

Im Podcast „One Planet, 20 Futures“ des Luxemburger Nachhaltigkeitrats (CSDD) meint die langjährige Beamtin aus dem Umweltministerium Marguy Kohnen, dass in Luxemburg in den vergangenen Jahrzehnten durchaus ein Bewusstsein für das Thema geschaffen wurde. „Als wir angefangen haben, wurde das Konzept der Nachhaltigkeit extrem infrage gestellt“, sagt Kohnen zu den Anfangsjahren des „Conseil supérieur pour le développement durable“. Ein Wendepunkt sei die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen gewesen, die die Vereinten Nationen erstellt haben und zu deren Umsetzung sich Luxemburg später bekannt hat. „Diese haben mir mein berufliches Leben stark vereinfacht.“ Dass das Luxemburger Wachstumsmodell infrage gestellt werden würde, sei ebenfalls eine recht junge Entwicklung der vergangenen zehn Jahre.

Fakt ist aber auch: Ein konkretes Infragestellen des Luxemburger Modells kommt nur dann auf, wenn es politisch opportun ist. In den vergangenen drei Wahlkampagnen war das Wachstum in Luxemburg kein Thema. Zwar wurde viel über Luxemburgs infrastrukturelle Probleme im Transport- und Mobilitätswesen diskutiert. Über das Luxemburger Rentensystem wollte keine Partei so wirklich diskutieren. Klima- und Umweltschutz dürfen seit einigen Jahren „nicht mehr nerven“. Die grundsätzliche Frage aber, wie lange Luxemburg noch auf dieser Schiene weitermachen kann, wagt niemand zu stellen – bis heute nicht.

…, aber Aktionen bleiben aus

Auch deswegen, weil eine seriöse Diskussion über nachhaltiges Wirtschaften und ein nachhaltiges Zusammenleben Hand in Hand mit einer Diskussion über persönliche und gesellschaftliche Einschränkungen einerseits und die Ausweitung von Privilegien einhergehen muss. Wie nachhaltig ist eine Demokratie aufgestellt, in der nicht einmal die Hälfte der Einwohner zur Wahl schreiten darf? Wie nachhaltig ist das Luxemburger Wirtschaftsmodell, das in allen Bereichen – von der Pflegekraft bis zum Finanzmanager – auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen ist, um den eigenen Wohlstand abzusichern? Die Antwort ist ebenso klar wie die Feststellung, dass wohl nur die wenigsten daran interessiert sind, an diesem Status quo zu rütteln – das hat nicht zuletzt das Referendum zum Ausländerwahlrecht gezeigt.

Eine Entwicklung, die mit der neuen wirtschaftsliberalen Regierung vorerst gestoppt oder zumindest abgebremst wurde. Ökonomisches Wachstum, so die Prämisse von CSV und DP, braucht es, um unseren derzeitigen Wohlstand abzusichern. Eine Ansicht, der konsequenterweise alles untergeordnet wird. Fast schon symbolisch dafür ist die andauernde Erneuerung des Luxemburger Nachhaltigkeitsrates, der seinen Funktionen derzeit wohl nur eingeschränkt nachkommen kann.

Die Diskussionen müssen aber über das tagespolitische Geschäft hinausreichen. In der Rentendiskussion heißt es immer wieder, es müsse heute gehandelt werden, um einen größeren Schaden in der Zukunft zu vermeiden. Ähnlich intensiv wie die Rentendiskussion müsste eigentlich auch der Nachhaltigkeitsdiskurs in Luxemburg geführt werden. Der bis dahin angerichtete Schaden ist dann nämlich kein rein finanzieller mehr.

One Planet, 20 Futures

Der Nachhaltigkeitsrat feiert sein 20-jähriges Bestehen mit einer Podcast-Reihe zum Thema Nachhaltigkeit in Luxemburg. In „One Planet, 20 Futures“ sprechen geladene Gäste aus Politik, Verwaltung und Gesellschaft über das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Formen und Facetten. Dem Inhalt und der Aktualität des Podcasts tut die teils überschaubare Audioqualität keinen Abbruch. Eine klare Hörempfehlung für jeden, der sich mit dem Thema Nachhaltigkeit etwas eindringlicher beschäftigen will.

Neumann Steve
17. Februar 2025 - 20.32

Un all dei,dei nees wellen an Stengzeit zereck goen.Bonne Chance

fraulein smilla
17. Februar 2025 - 12.15

Um unser " madoffsches Renten Schneeballsystem " am Leben zu halten ,sind wir dazu verdammt immer weiter zu wachsen . Overshootday hin oder her und was das mit dem Auslaenderwahlrecht zu tun hat ,das ist mir zu hoch .

Jean-Marie GROBER
17. Februar 2025 - 9.13

Was soll dieses alle Jahre wiederkehrende Gedöhns mit dem "Earth Overshoot Day"? Bereits am Tage danach hat sich das erledigt. Weil hier Vergleiche gezogen werden, die so absurd sind, dass man an einen von bestimmten Organisationen gewollten PR-Hype glauben möchte. Luxemburg hat nicht mal 700.000 Einwohner. Etwa soviele wie Düsseldorf oder Rotterdam. Und an uns soll die Welt zugrunde gehen? China mit etwa 1,5 Milliarden Einwohner ist erst gegen Ende Mai dran, Deutschland mit 84 Millionen Einwohner Anfang Mai. Indien, mit seinen 1,5 Milliarden Einwohnern, ist nicht aufgezählt, weil verschiedene Länder anscheinend keine Angaben liefern. Lächerlich wird es, wenn die Mongolei ihren "Earth Overshoot Day" am 2. März "feiern" muss. Das wird die mongolischen Wanderhirten sicher freuen! Und Greenpeace täte besser daran, wieder die Ozeane und die Wale zu retten, anstatt sich auf sinnlose Statistiken zu fokussieren.

JJ
17. Februar 2025 - 8.41

Wenn täglich 100 000 Pendler nach der Arbeit einkaufen gehen bevor sie heimstauen,dann kann das schon einmal die Statisik über den Haufen werfen.
Was wird das denn wenn wir die angestrebte Million Einwohner erreicht haben. Noch ein Grund zum Feiern. Ich habe eine Wärmepumpe,esse nur Salat ohne Öl und bleibe meist zuhause. Also,geht doch.