Samstag15. November 2025

Demaart De Maart

KarateWie der Verbandspräsident Fred Charlé Luxemburg zur „Karate-Nation“ machen will

Karate / Wie der Verbandspräsident Fred Charlé Luxemburg zur „Karate-Nation“ machen will
Zwei der FLK-Entscheidungsträger: Präsident Fred Charlé und Vizepräsident Misch Feidt (v.l.) Foto: FLK/Serge Feltes

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Ohne Medaille von der Jugend-Europameisterschaft zurückzukehren, sei keine allzu große Enttäuschung, erklärte FLK-Präsident Fred Charlé am Sonntag in Bielsko-Biala. Wie die übergeordneten Ziele des Verbandspräsidenten aussehen und welches Potenzial er in den nächsten Jahren sieht – das Interview.

Tageblatt: Wie geht es dem Luxemburger Karate heute?

Fred Charlé: Wir befinden uns bei etwa 3.000 Lizenzen, da besteht noch Luft nach oben. Es ist die Rolle des neuen Verbandes, daran zu arbeiten. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, diese Zahlen zu verbessern. Ein Hauptprojekt, das wir in Kürze angehen, ist der Karate-Unterricht an den Schulen, wo es nach den Ferien im Escher LGK losgehen wird. 

Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Am 13. Februar wird unser erster „Open Stage“ stattfinden. Das ist die Zwischenetappe vor einer Kader-Aufnahme. Dabei handelt es sich um Trainingseinheiten der Nationaltrainer, bei denen alle Kinder willkommen sind. Beide Seiten sollen auf diese Weise erste Kontakte knüpfen, ohne dass sich jemand ausgegrenzt fühlt. Wir wollen keinen Druck aufbauen. Ab zwölf Jahren gibt es dann die ersten Nationaltrainingseinheiten im Kumite und im Kata. Wir hatten die große Herausforderung, die Kata-Abteilung in dieser Form auf die Beine zu stellen, da oft noch zu einseitig gearbeitet wurde. Der Verband soll die Vereine motivieren, beide Sparten anzubieten. Das war und ist aber nicht immer so einfach. Fakt ist, dass es weniger Kata-Trainer gibt und gleichzeitig einen enormen Zulauf beim Kumite. Das ist das Verdienst der Klubs. Im Idealfall hat der Verein einen guten Kata-Trainer, aber davon gibt es nicht so viele. Kata gehört zur Grundschule dazu. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, dass wir aufpassen müssen, junge Talente nicht zu früh zu verbrennen. Sicher, es ist toll, mit 14 bei einer EM dabei zu sein, aber es bleiben Kinder. 

Die Aushängeschilder bei den Senioren fehlen allerdings.

Wir haben mit einer Jenny Warling eine wahre Topathletin, Alex Davies rückt nach. Aber das reicht eben nicht. Der Fehler ist, wenn Leute in zu jungen Jahren schon auf ein Podium gestellt werden und man ihnen zu viel abverlangt. Jetzt werden einige aufgebaut, bei denen es anders gemacht werden wird. Die sind vielleicht nicht so bekannt, aber wir stecken unsere Hoffnungen in sie – da sie eben nicht so sehr getrieben wurden. In den vergangenen zwei Jahren wurde teilweise schon zurückgeschaltet.

Was bedeutet in diesem Fall „zurückschalten“?

Es ist nicht angebracht, dass Cadets 25-mal im Jahr bei Turnieren antreten. Ein Dutzend Mal reicht auch. Ich denke auch, dass ihnen ein Trainingslager mehr einbringt. Wir suchen auch immer nach Turnieren mit einem „Round Robin“-System, bei denen man garantiert mehr Kämpfe bestreitet. Es ist wichtig, mit 14 oder 15 auch zu wissen, wie es sich anfühlt, zu gewinnen. 2025 werden wir hauptsächlich diese Ziele ansteuern.

Zum leidigen Thema der meisten Verbände: Wie steht es um die Finanzen?

Wir sind mit einem enormen Minus in die Ära der FLK gestartet. Ich bin keiner, der in der Vergangenheit festhängt, aber es ist eine Tatsache, dass uns das wehgetan hat. Im letzten Jahr wurden viele Anstrengungen gemacht, ein paar Subsidien stehen noch aus. Es sieht also wieder besser aus, trotz der großen Turniere vom vergangenen Jahr. Wir haben zum ersten Mal alleine ein Budget verwaltet, haben ein neues Lizenzsystem genutzt und das Sekretariat aufgebaut. Das waren viele Kosten, für die Geld gebraucht wurde. Doch wir haben es geschafft. Es wurden etliche Klinken geputzt und Verwaltungspersonal eingestellt. Nach der Trennung von der FLAM haben wir zwar vier Vereine verloren, aber mindestens drei kommen zurück. 

Teurer Spaß

Die FLK hatte nicht nur zwei Dutzend Athleten nach Polen eingeflogen, sondern ebenfalls zwei Unparteiische, die an den drei Wettkampftagen im Pool der Referees eingeteilt waren. Beide mussten vor Ort dann zudem ein Examen ablegen. Die Kosten dafür trug allerdings nicht der Organisator – sondern jeder Verband selbst. So musste die FLK sowohl die Anmeldegebühren für die Prüfungen übernehmen, als auch Kost und Logis für die beiden Luxemburger Schiedsrichter, die von der WKF nicht einmal einen minimalen Stundenlohn kassieren werden. Finanzielle Unterstützung vom europäischen Verband gibt es nämlich überhaupt keine. 

Was kostet die EM-Teilnahme?

Die Athleten haben einen Teil aus eigener Tasche finanziert, den Rest übernimmt der Verband. Eine Ausnahme gilt allerdings für diejenigen, die bei der vergangenen WM eine Platzierung erreicht haben.

Sie haben die Trennung von der FLAM bereits angesprochen. Welche Konsequenzen brachte das für das Karate mit sich?

Man ist auf sich allein gestellt. Vorher konnte man sich hinter der FLAM verstecken. Die Finanzlage war anders – es gab eine Reserve. Für uns bedeutete es vor allem, dass wir jetzt alleine verantwortlich sind. Für diejenigen, die den Verband leiten, ist es mehr Druck als vorher. Wir sind ein großer Verband. Jetzt brauchen wir eine organisatorische Linie. Was uns vorher vielleicht nicht so bewusst war, ist unsere repräsentative Rolle. 

Gibt es denn noch Kontakt zu den ehemaligen Kollegen aus der FLAM?

Kürzlich gab es die „Japan Week“ und unsere „Nuit des arts martiaux“. Ich sehe den Präsidenten der FLAM noch regelmäßig. Vor zwei Tagen hat uns Denis Barboni (Judo-Kassenwart) noch angerufen, da wir eine Kleinigkeit vergessen hatten. Es läuft gut, ich sehe das ganz positiv.

Wie wird der Karateverband in Luxemburg wahrgenommen?

Als eigenständiger Verband wird jetzt mehr über uns geredet. Die Identifikation mit dem Verband ist anders als vorher. Wir haben noch nicht einmal ein ganzes Jahr hinter uns. Alles ist einfacher geworden. Wenn man eine Entscheidung treffen will, tut man es. Vorher musste das über 26 Ecken laufen. In Europa gibt es andere Verbände, bei denen das Splitting gescheitert ist. Die sind daran zerbrochen. Das ist uns nicht passiert. 

Wir haben nämlich vorher ganz lange an einem Tisch gesessen, an dem wir über alles geredet haben. Das Wichtigste dabei war, einen Weg zu finden, damit sich so etwas nie wieder wiederholen könnte.

Apropos zerbrochen … Im Karate wurde in der Vergangenheit viel gestritten. Besteht das Risiko, wieder in solche Zeiten zu verfallen?

Das Risiko ist extrem klein. Wir haben nämlich vorher ganz lange an einem Tisch gesessen, an dem wir über alles geredet haben. Das Wichtigste dabei war, einen Weg zu finden, damit sich so etwas nie wieder wiederholen könnte. Misch Feidt hatte die Idee, dass wir nach einem neuen Wahlsystem, wie man es vom COSL kennt, funktionieren sollten. Die Statuten besagen, dass von den elf Vorstandsmitgliedern mindestens acht verschiedene Klubs vertreten sein müssen. Strassen ist der einzige Verein, der zwei Vorstandsmitglieder hat. Es ist nun einmal der größte Klub. Das Wichtigste war aber, Ruhe in das Ganze reinzubekommen. 

Öffentlich haben sich die Sportler nicht zu den Streitigkeiten geäußert. Wie gingen sie damit um?

Die Athleten haben unbewusst gelitten. Man merkt das jetzt. Als Präsident spüre ich, dass wir sozusagen einen kleinen Hype hatten. Wenn sie Probleme haben, kommen sie zu uns. Sie wissen, dass wir nicht mehr zerstritten sind. Unserer neuer Technischer Direktor übernimmt jetzt auch viel organisatorische Arbeit und ist ein neuer Ansprechpartner, sodass der Vorstand sich aus dem Tagesgeschäft raushalten kann. 

Sie haben im Herbst mit Michael Lecaplain einen zweiten Kumite-Nationaltrainer engagiert. Wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

Wir haben ja nicht nur Nationaltraining und Einheiten im „Sportlycée“. Im Senioren-Bereich gab es zu viele Abgänge, wenn die Sportler ihre Studien beginnen wollten. Das liegt mir auf dem Magen. Sie konnten nicht individuell betreut und begleitet werden. Die FLK muss diese berücksichtigen. Wir sind dabei, uns zu überlegen, wie das funktionieren soll. Dafür braucht es Personal. Ebenso für das angesprochene Schulprojekt. Zudem habe ich vor ein paar Jahren selbst ein Para-Karate-Projekt verfasst, doch es kam nie zu der Umsetzung. Das ist eine weitere Idee. 

Es handelt sich um große Investitionen. Was muss dabei herauskommen?

In zehn Jahren sollten wir bei 5.000 Lizenzen angekommen sein. Die Basis muss wachsen. Das heißt nicht, dass unsere Nationalkader jetzt viel breiter werden, mit Ausnahme der Senioren, die dann irgendwann von Einzeltraining in Abstimmung mit ihrem Studium profitieren können sollen. Ziel ist es, zu einer richtigen Karate-Nation zu werden. 

Mit zwei fünften Plätzen – und ohne Medaille – wurden die Erwartungen diesmal nicht erfüllt. Sind Sie enttäuscht vom Abschneiden hier in Polen?

Nein. Es sind Kinder. Sie sollen Spaß haben. Manchmal ist es nach zwei Minuten vorbei – so wie hier. Im Leben verliert man öfters, als man gewinnt. Das muss man lernen. Sicher ist es angenehmer, zu gewinnen. Aber mich stimmt es zufrieden, wenn ich den Zusammenhalt und die Unterstützung innerhalb der Mannschaft sehe. Sie sind füreinander da. 

Platzmangel

Ist die nationale Kampfsporthalle bereits zu klein? Dort, wo sich Judo, Taekwondo, Karate und Co. in Strassen eine nagelneue Tatami-Halle teilen, gibt es schon seit längerer Zeit Probleme, den Anforderungen gerecht zu werden. „Unsere Strukturen werden immer professioneller, aber wir brauchen mehr Platz. Die Strassener Halle ist zu klein“, meinte FLK-Präsident Fred Charlé. „Wir können nicht schnell genug reagieren, wenn es mal spontane Anpassungen geben muss. Es ist extrem schwer, da alles über Reservierungen läuft. Wenn man beispielsweise ein mehrtägiges Trainingslager organisieren will, geht das nicht, weil schon alles im Vorfeld ausgebucht ist.“