Sonntag19. Oktober 2025

Demaart De Maart

DifferdingenWas die Nanoröhren-Fabrik für Luxemburg bedeutet – und was Russland und Serbien damit zu tun haben

Differdingen / Was die Nanoröhren-Fabrik für Luxemburg bedeutet – und was Russland und Serbien damit zu tun haben
Noch ist auf dem Grundstück in der Industriezone in Differdingen nicht viel zu sehen Foto: Editpress/Alain Rischard

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

2027 soll die Nanoröhren-Fabrik in Differdingen endlich ihre Türen öffnen. Für die Verspätung gibt es verschiedene Gründe, unter anderem Investitionen aus Russland. Doch jetzt zeigen sich alle zuversichtlich – auch der Luxemburger Staat.

Bereits 2017 wurde darüber geredet – doch dann passierte jahrelang nichts. Jetzt soll es endlich bald so weit sein: Das Nanotechnologie-Unternehmen OCSiAl will in der Gemeinde Differdingen eine Nanoröhren-Fabrik bauen. Das Tageblatt hat mit dem CEO Konstantin Notman und Alain Kinsch, Mitglied des Verwaltungsrats, über ihre Pläne für Luxemburg gesprochen.

Was sind Nanoröhren?

Nanoröhren bestehen aus Kohlenstoff – und sind unglaublich klein. Ein Haufen von ihnen sieht aus wie ein Klumpen schwarzes Pulver. Aber die Röhren haben es in sich: Sie sind nicht nur mechanisch sehr stark, sondern auch besonders leitfähig – sowohl elektrisch als auch thermisch. Wenn sie einem anderen Material hinzugefügt werden, können sie die Eigenschaften davon stark verbessern. Werden die Nanoröhren dem Gummi von Autoreifen beigemischt, verschleißen diese weniger schnell. Anderes Beispiel: Bei Autobatterien kann die Energiedichte erhöht werden und sie erreichen dadurch eine höhere Reichweite. Dafür reichen bereits sehr geringe Mengen an Nanoröhren aus.

OCSiAl, das seinen Sitz in Leudelingen hat, hat großes vor: 120 Tonnen einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren sollen in Zukunft im Industriegebiet von Niederkorn produziert werden. 

Im Oktober 2024 hat das Unternehmen in Serbien seine erste europäische Produktionsstätte für Nanoröhren eröffnet – mit einer Kapazität von 60 Tonnen im Jahr. Das Herzstück der Produktion ist die Reaktor-Einheit: der Graphetron. „Es ist wie eine Einheit zur Synthese von Nanoröhren“, sagt Notman. Drei weitere sollen in Serbien zum Einsatz kommen und die Kapazität bis 2025 auf 240 Tonnen erhöhen. Zum Vergleich: 2022 lag die jährliche Produktionskapazität von OCSiAl weltweit bei 90 Tonnen. 2028 soll die Nanoröhren-Produktion pro Jahr auf 500 Tonnen steigen – und 2030 sogar 1.000 Tonnen erreichen. 

Schwieriger Start in Differdingen

„Hoffentlich werden wir ein großes Projekt in Luxemburg haben“, sagt Notman. OCSiAl rechnet damit, die Fabrik 2027 in Betrieb nehmen zu können. Doch noch steht vieles in den Sternen. „Bisher ist noch gar nichts gebaut“, sagt Kinsch. Jetzt gehe es darum, dass die Firma einen Leasing-Vertrag mit dem Luxemburger Staat für ein Grundstück im Industriegebiet in Niederkorn eingehe: „Ich hoffe, dass wir im Laufe des nächsten Jahres anfangen können.“ Das Unternehmen befinde sich derzeit im Austausch mit der Regierung für ein „Contrat de droit de superficie“ in Differdingen, bestätigt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums dem Tageblatt.

Die neue Nanoröhren-Fabrik in Serbien
Die neue Nanoröhren-Fabrik in Serbien Foto: OCSiAl

Ein Werk in Luxemburg ist eigentlich schon einmal 2017 angestoßen worden – und sollte 2020 fertig sein. Februar 2022 gab es dann einen erneuten Anlauf: OCSiAl hat von der Luxemburger Regierung grünes Licht für eine Anlage in Differdingen bekommen. Das Ziel dieses Mal war ein Produktionsstart 2025. Dass es bisher nicht geklappt hat, liegt laut Notman an Covid: „Wie bei jedem anderen großen Unternehmen war es ein großes Problem, denn es war wie eine Lähmung.“

In Differdingen weiß man noch nicht viel über das Projekt. „Wir haben uns entschieden, mit dem CEO von OCSiAl in Kontakt zu treten, um mehr über den letzten Stand der Dinge zu erfahren“, sagt Schöffe Tom Ulveling (CSV). Das betroffene Grundstück sei mittlerweile begradigt worden. Die Gemeinde rechnet sich durch die Fabrik – sollte sie jetzt wirklich kommen – wirtschaftliche Vorteile aus. Denn neben den Wissenschaftlern sollen rund 100 weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch finanziell könnte sich das Werk lohnen: „Das Produkt scheint ja zukunftsweisend zu sein, deswegen erhoffen wir uns Steuereinnahmen.“

Russische Vergangenheit

Warum es bisher nicht mit der Fabrik geklappt hat, hat laut Ulveling noch andere Gründe: „Die Aktionäre waren fast alle Russen, das Ministerium wollte dann wegen der Sanktionen durch den Ukraine-Krieg keine Genehmigung ausstellen“, sagt der Schöffe. Das hat sich jetzt geändert, sagt Verwaltungsratsmitglied Kinsch: „Die Verbindungen zu Russland liegen jetzt bei null –  das Unternehmen hat keine Leute mehr in Russland, es gibt keine Investoren mehr aus Russland und es gibt keine Kunden mehr aus Russland.“

OCSiAl hat seine Anfänge im Jahr 2009 in Nowosibirsk, Russland. „Die Gründer haben an der Technischen Universität dort gearbeitet“, sagt Kinsch. Notman erinnert sich an die Anfangszeit: „Wir haben bei null angefangen“. Das erste Gerät zur Produktion von Nanoröhren habe in einer Garage gestanden. „Es war eine lustige Reise, und heute sind wir aus kommerzieller Sicht super erfolgreich“, erzählt er. 

Ebenfalls mit dabei auf dieser Reise war Rusnano. Die staatliche russische Beteiligungsgesellschaft war der erste externe Investor bei OCSiAl, wie auf der Seite des Unternehmens nachzulesen ist. Im Oktober 2021 waren die Anteile von Rusnano am Nanotechnologie-Unternehmen über 300 Millionen Dollar wert. Als der Ukraine-Krieg im Februar 2022 ausbrach, hat die Luxemburger Regierung wegen der Fabrik eine Kontrolle der Aktionäre von OCSiAl durchgeführt – und festgestellt, dass sanktionierte Personen indirekt an der Gesellschaft beteiligt waren, wie die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bestätigt. Die Verhandlungen seien daraufhin gestoppt worden. 

Rusnano selbst geriet 2021 in finanzielle Schwierigkeiten. 2022 und 2023 stand die Gesellschaft erneut vor dem Bankrott – und im März 2024 wurde schließlich das Insolvenzverfahren für Rusnano S.A., der Luxemburger Einheit der russischen staatlichen Beteiligungsgesellschaft, eröffnet.

Bei der Gründung von OCSiAl 2012 in Luxemburg habe es keine Überprüfung gegeben, weil damals keine Sanktionen bestanden haben, sagt die Sprecherin. Die Regierung habe aber einige Möglichkeiten, strategisch wichtige Technologien zu schützen, die in Luxemburg entwickelt oder produziert werden, wie die Überprüfung von ausländischen Direktinvestitionen. „Luxemburg versucht immer ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Schutz von sicherheitsrelevanten wirtschaftlichen Interessen und der wirtschaftlichen Offenheit zu finden“, sagt die Sprecherin.

Pläne für Luxemburg

Für den Standort in Luxemburg sprechen auf Seiten von OCSiAl mehrere Gründe. Durch die Zentrale in Leudelingen und ein Labor in Foetz arbeiten viele Mitarbeiter bereits in Luxemburg, sagt Verwaltungsratsmitglied Kinsch. Außerdem sei Luxemburg Mitglied der Europäischen Union – und liege geografisch sehr zentral in Europa. „Viele potenzielle Kunden sind ganz in der Nähe“, sagt Kinsch.

So wurde 2017 das künftige Werk mit Forschungszentrum in Differdingen vorgestellt
So wurde 2017 das künftige Werk mit Forschungszentrum in Differdingen vorgestellt Grafik: OCSiAl

OCSiAl arbeite jetzt bereits eng mit dem Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) und der Universität Luxemburg zusammen. CEO Notman hat bereits eine Idee, wie man die Zusammenarbeit vertiefen könnte. Denn OCSiAl braucht neben mehr Produktionsstätten vor allem Experten. In den Laboren des Unternehmens wird Forschung zur möglichen Anwendung betrieben. Das Problem: Es gab lange keine Experten auf dem Gebiet, weil das Material erst seit kurzem in großen Mengen zur Verfügung steht. „Das bedeutet, dass alle Experten auf diesem Gebiet hauptsächlich in unserem Unternehmen tätig sind und wir sie selbst ausbilden“, sagt CEO Notman. 

Deswegen hat das Unternehmen an der Universität Nowosibirsk in Russland ein Masterprogramm eingerichtet und bezahlt. Dadurch konnte das Nanotechnologie-Unternehmen direkt an der Uni seine Wissenschaftler ausbilden. „Wir denken ernsthaft über dasselbe Programm in Serbien und in Zukunft auch in Luxemburg nach“, sagt Notman.

Auch die Luxemburger Regierung sieht Vorteile einer Nanoröhren-Fabrik. „Dann würde eine neue Technologie und neues Know-how ins Land kommen“, sagt die Sprecherin des Ministeriums. Die Nanotechnologie könne auch einen positiven Einfluss auf andere Unternehmen im Großherzogtum haben. Zudem könnten neue Unternehmen, die mit OCSiAL zusammenarbeiten möchten, ein Interesse daran entwickeln, sich in Luxemburg anzusiedeln: „Der Standort soll durch eine leistungsstarke digitale Infrastruktur, eine starke öffentliche Forschung, hochqualifiziertes Personal und zukunftsorientierte Strategien weiterhin Investitionen mit hoher Wertschöpfung anziehen.“

Muller Christian
6. Februar 2025 - 13.50

Eng russesch Gesellschaft, déi op eemol ganz clean ass. Wann dat net ze schéin ass, fir wouer ze sinn...

Grober J-P.
2. Februar 2025 - 12.13

"OCSiAl hat seine Anfänge im Jahr 2009 in Nowosibirsk, Russland."
„Wir denken ernsthaft über dasselbe Programm in Serbien und in Zukunft auch in Luxemburg nach“, sagt Notman."
„Die Verbindungen zu Russland liegen jetzt bei null"
Na, und wer hat euch das denn verklickert? Serbien und die EU? Serbien und Wladimir?
Ein Märchen für den sechsten Dezember! Hat der CEO oder der H. K. Sie ins Auge geblickt als sie das erzählt haben?