Aurélien Galodé, Axel Barreau et Melvin Henrion sind Landwirte – allerdings nicht im klassischen Stil. Ihre Stiefel werden nicht schmutzig und ihre Kleidung bei Regen nicht nass. Ihr Unternehmen „Aurel&Axel“ baut mitten im Bettemburger Industriegebiet „Krakelshaff“ Gemüse, Kräuter und essbare Blumen an. Ihr hydroponisches Gewächshaus steht auf dem Gebäude des „Institut de formation sectoriel du bâtiment“ (IFSB). Hydroponisch bedeutet: Die Wurzeln hängen ohne Erde in einer Mischung aus Wasser und darin aufgelösten Nährstoffen. Im Fall von Aurel&Axel befindet sich die Pflanze in Steinwolle.
Durch diese Art der Landwirtschaft wachsen die Pflanzen schneller als bei der herkömmlichen Anpflanzung. Bei den Salaten und Kräutern geht es 50 Prozent schneller. „Das ist wirklich viel schneller. Insgesamt sind wir bei den Pflanzen, die wir hier anpflanzen, zwischen 33 und 50 Prozent schneller“, sagt Barreau.

Umweltfreundlicher
Das Gewächshaus nutzt die Gebäudewärme des IFSB, um so den Energieverbrauch zu minimieren. Heißt: Es wird keine zusätzliche Energie zum Heizen der Anlage genutzt. Der Sonnenschutz wird automatisch, je nach Innentemperatur, geöffnet und geschlossen. Zudem sparen sie gegenüber der traditionellen Landwirtschaft etwa 80 bis 90 Prozent Wasser. „Das Ziel ist, möglichst viel Regenwasser zu verwenden, aber während bestimmter Zeiträume ist das nicht ausreichend, sodass wir zusätzlich Wasser aus dem städtischen System nutzen müssen“, erklärt Barreau. Um den Kreislauf der hydroponischen Anlage einmal zu füllen, benötigen sie zwischen 800 und 1.000 Liter Wasser.
Trotzdem müssen die urbanen Landwirte sich auch zum Teil an die Jahreszeiten halten. „Aber es geht vor allem darum, sie zu verlängern.“ So wird die mögliche Anbauzeit des Salbei von zwei auf vier Monate verlängert. „Dadurch können wir die Restaurants auch besser bei der Entwicklung ihrer Speisekarten und Menüs unterstützen“, sagt der Geschäftsmann. Denn neben dem Privatkunden online beliefern sie vor allem die Gastronomie.
Finanzielle Unterstützung
Damit die Farm profitabel ist, bauen die drei Geschäftsleute in Bettemburg hauptsächlich Produkte an, die sie zu einem höheren Preis verkaufen können. „Wir konzentrieren uns auf aromatische Kräuter und essbare Blüten, die vor allem in der Gastronomie beliebt sind“, sagt Barreau. Dazu gehört unter anderem Shiso, Ysop und Agastache. „Aktuell haben wir Misuna und Blattsenf im Anbau, um eine würzige Salatmischung zu bieten – oder auch grünes Basilikum, Thai-Basilikum und Zitronen-Basilikum“, so der Landwirt im Oktober.
„Wir zahlen hier Miete für die Nutzung der Anlage. Wenn wir alles selbst hätten bauen müssen, wäre es schwierig, die Investitionskosten zu amortisieren“, sagt Barreau. Der Bau einer Anlage wie in Bettemburg mit 380 m² würde fast eine Million Euro kosten. Für denselben Betrag könnte man mehrere Hektar traditioneller Landwirtschaft ausstatten, was die Rentabilität einer solchen Hightech-Anlage schwierig macht. Dieses Projekt wird durch europäische Gelder ermöglicht. Ohne die Förderung durch das Interreg-Programm und den lokalen Partner IFSB hätte „Aurel&Axel“ sich nicht hier niederlassen können.
Neben dem Gewächshaus in Bettemburg bauen die drei Unternehmer auch noch in Thionville und Nancy an. Das meiste Kapital des Unternehmens stammt allerdings hauptsächlich von Investoren. „Wir haben bereits mehrere Finanzierungsrunden abgeschlossen und sind weiterhin auf der Suche nach Kapital, um unsere Expansion in Luxemburg, Frankreich und anderen Ländern zu ermöglichen“, sagt Axel Barreau.
Das nächste Projekt
Auf dem Kuebebierg entsteht außerdem eine urbane Farm mit insgesamt über 24.000 m² landwirtschaftlicher Fläche. Geplant sind 5.000 m² für den Gemüseanbau, 10.000 m² für bestehende und neue Obstgärten sowie agroforstwirtschaftliche Flächen. Eine modulare Farm mit 2.000 m², die unter anderem Mikropflanzen und Pilze umfasst, ergänzt das Konzept. Zusätzlich wird ein 7.500 m² großer Hochstamm-Obstgarten rund um eine Freizeitanlage angelegt. Diese Farm auf Kirchberg soll im April fertig sein und als Vorzeigemodell für die weitere Expansion dienen.
Für die kommenden Jahre haben sie bereits Gespräche in Frankreich, Belgien und Deutschland aufgenommen, um dort ähnliche Projekte zu starten. Bis 2028 wollen sie rund 20 solcher Farmen betreiben. Ihr Ziel ist es, das Konzept auch für andere Landwirte zugänglich zu machen. Dafür planen sie, schlüsselfertige Anbaumodule anzubieten, die einfach aufzustellen und zu betreiben sind. Zudem sollen Schulungen Landwirten den Einstieg in die urbane Landwirtschaft erleichtern, um ihnen so zusätzliche Einkommensquellen neben der klassischen Landwirtschaft zu erschließen.
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