
Nicht einmal ein Monat ist vergangen, und es kam, wie es kommen musste. War unsere Redaktion bisher bei jedem Termin zahlreich vertreten, finde ich mich nun allein vor der Ackerbauschule in Gilsdorf wieder. Ich hoffe nur, dass mir nicht das gleiche Schicksal wie meinem Kollegen Lars Reckermann widerfährt, der als Chefredakteur der Nordwest-Zeitung mit seiner Redaktion in Deutschland Kartoffeln anpflanzte und ganze Samstage allein mit seiner Familie auf dem Feld verbrachte. Es verdeutlicht ein zentrales Problem unseres Weinprojekts: das Zeitmanagement. Schließlich muss immer noch eine Zeitung produziert werden.
Der Besuch bei den Diplom-Agraringenieuren Arthur Meyers und Daniel Kneip ist dennoch spannend. Die beiden Lehrer des „Lycée technique agricole“ (LTA) bieten eine Weiterbildung an, die Landwirte, Winzer und Baumschulbetreiber mit betriebswirtschaftlichem Wissen versorgt. Ein Gespräch mit ihnen kann uns als angehende Winzer sicher nicht schaden. Immerhin versuchen wir mit dem Projekt Domaine Tageblatt, die ganze Weinproduktion und alles, was damit zusammenhängt, selbst zu durchleben. Eine kleine Ahnung von Unternehmensführung ist dabei sicherlich nicht schlecht. Der Kurs ist im Agrargesetz verankert und Teil der Unternehmensgründung oder -übernahme. Beide haben das Programm mit entwickelt und bringen fundierte Erfahrung aus der Landwirtschaft mit.
Letztendlich ist der Gang zur Bank nichts anderes als der Gang zum Viehverkäufer
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Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
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„Wir wussten, dass viele während ihrer Schulzeit noch nicht bereit für eine vertiefte betriebswirtschaftliche Ausbildung waren. Deshalb haben wir diese Weiterbildung entwickelt“, erklärt Kneip. Heute wird der Kurs bereits zum 18. Mal angeboten, mit rund 20 Teilnehmern pro Jahr. Insgesamt haben etwa 360 Personen davon profitiert, und zwar nicht nur Absolventen eines Techniker-Diploms oder eines „Diplôme d’aptitudes professionelles“ (DAP), sondern auch Quereinsteiger wie Anwälte oder Piloten. Der größte Teil der Absolventen sind Landwirte, aber es sind auch immer wieder Winzer dabei.

Wer nicht fragt, bezahlt
Die Weiterbildung läuft von Oktober bis Januar, mit Kursen alle zwei Wochen an jeweils zwei Tagen. Abendkurse nach einem anstrengenden Arbeitstag wollten die Ausbilder vermeiden. „Winzer arbeiten häufig in kleinen Familienbetrieben, wo Geschäftsführung und praktische Arbeit nicht getrennt sind“, erklärt Kneip. Wer sowohl im Weinberg als auch im Keller arbeitet, hat oft Schwierigkeiten, mit den neuesten Entwicklungen in der Unternehmensführung Schritt zu halten. Der administrative Aufwand werde häufig kritisiert, gehöre aber dazu. „Wer sich nicht intensiv damit auseinandersetzt, tut sich schwerer“, so Meyers. Das Bewusstsein für gute Unternehmensführung sei gewachsen. Zu Beginn hätten viele Teilnehmer nicht gewusst, wie es um die finanzielle Lage ihres Betriebs steht. „Heute ist das anders“, sagt Kneip. „Bei Investitionen in einen Betrieb reden wir sehr schnell von Millionenbeträgen“, so Meyers. Es sei entscheidend, dass die Teilnehmer strategische Entscheidungen auf soliden Grundlagen treffen. „Manchmal verdiene ich mit einer Stunde Büroarbeit mehr als mit zwei Stunden auf dem Feld“, fasst Meyers zusammen.
Winzer arbeiten häufig in kleinen Familienbetrieben, wo Geschäftsführung und praktische Arbeit nicht getrennt sind
Die beiden Lehrer versuchen, möglichst praxisnah zu unterrichten. Als der Leitzins wieder gesenkt wurde, haben sie ihre Schüler bei Banken anrufen lassen, um nachzufragen, ob sich die Senkung auf ihre Kredite auswirkt. „Wir wollen ihnen diese Finanzwelt näher bringen“, sagt Meyers. „Letztendlich ist der Gang zur Bank nichts anderes als der Gang zum Viehverkäufer.“ Ob man Geld leihen oder Vieh verkaufen will – man sollte sich immer erst ein paar Angebote einholen. „Beim Viehverkäufer findet man das selbstverständlich. Bei der Bank war es lange Zeit anders“, erklärt Meyers. Noch vor zehn bis 15 Jahren habe man statistisch nachweisen können, dass Landwirte mehr für ihre Kredite zahlten als andere. „Einfach weil sie nicht nachfragten und sich nicht genügend mit ihren Finanzen auseinandersetzten“, sagt Kneip.

Konkrete Abschlussprojekte
Am Ende des Kurses müssen die Teilnehmer ein Projekt realisieren, das ihnen im Alltag hilft, etwa eine Vollkostenanalyse für die Weinproduktion oder eine Investitionsanalyse. In der Milchproduktion ist auch ein horizontaler Betriebsvergleich möglich. Für die Weinproduktion fehlen hier aber verlässliche Vergleichsdaten.
Aber auch finanziell steht bei dieser Fortbildung einiges auf dem Spiel. Nach Abschluss können Landwirte bis zu 15 Prozent ihrer Investitionen subventioniert bekommen. Zudem wirkt sich die Weiterbildung positiv auf die Erstinstallierungsprämie aus, die bis zu 100.000 Euro betragen kann.
Da wir den Interview-Termin gerade noch wahrnehmen konnten und es kaum schaffen werden, den gesamten Kurs zu absolvieren, wird die „Domaine Tageblatt“ wohl ohne die Erstinstallierungsprämie auskommen müssen. Eine Vollkostenanalyse werden wir aber erstellen, um herauszufinden, ob wir theoretisch mit unserem Wein Gewinn gemacht hätten. Vielleicht können uns Daniel Kneip und Arthur Meyers dabei noch weiterhelfen.
Tipps und Feedback
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