Montag10. November 2025

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Deutschland / Was für Neuwahlen bereits im Januar spricht – und was dagegen
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat am Rande des EU-Gipfel in Budapest erklärt, unter Bedingungen die Vertrauensfrage früher zu stellen als ursprünglich angekündigt Foto: AFP/Ferenc Isza

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Kanzler Scholz hat sich offen gezeigt, über den Termin für seine Vertrauensfrage im Bundestag zu sprechen, und ihn an Voraussetzungen geknüpft. Die Debatte über den Zeitpunkt läuft weiter, auch die Bundeswahlleiterin schaltete sich ein.

In Deutschland wird nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition derzeit heftig über den geeigneten Zeitpunkt für Neuwahlen diskutiert. In der SPD betont man, vor Neuwahlen erst noch eine Reihe an unaufschiebbaren Gesetzen durch den Bundestag bringen zu wollen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte daher seine Vertrauensfrage im Bundestag für den 15. Januar angekündigt, Neuwahlen würden dann Anfang März stattfinden.

Aus der Union und von anderen Parteien hatte es scharfe Kritik an diesem Plan gegeben. Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) forderte Scholz dazu auf, die Vertrauensfrage bereits in der kommenden Woche zu stellen – Neuwahlen könnten dann schon auf den 19. Januar vorgezogen werden. Nur für diesen Fall sei man als Union bereit, so hieß es, konstruktiv bis zum vorgezogenen Wahltermin dringliche Gesetze mit SPD und Grünen durchs Parlament zu bringen, um Schaden vom Land abzuwenden. Scholz hatte es abgelehnt, die Vertrauensfrage in der kommenden Woche zu stellen.

Doch am Freitag zeigte der Kanzler sich bei seinem Besuch in Budapest offen für Gespräche über den Termin für die Vertrauensfrage, machte dies aber vom Verhalten der Bundestagsfraktionen abhängig – und drehte damit den Spieß in Richtung Union wieder um. „Ich habe bereits am Mittwochabend angekündigt, dass ich zügig Neuwahlen in Deutschland ermöglichen möchte, damit nach dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition bald Klarheit herrscht. Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren“, sagte Scholz.

Gut wäre es nach seinen Worten, wenn nun im Bundestag „unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden können.“ Scholz sagte wörtlich: „Diese Verständigung könnte dann auch die Frage beantworten, welcher Zeitpunkt dann der Richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, auch im Hinblick auf den möglichen Neuwahltermin.“ Daraus lässt sich also ableiten, dass Scholz unter den genannten Voraussetzungen auch für einen früheren Termin als den 15. Januar für die Vertrauensfrage und im Anschluss für Neuwahlen offen wäre.

Trotz dieser Entwicklung wird nun breit darüber debattiert, was für besonders frühe vorgezogene Neuwahlen spricht – und was dagegen. Denn eine Entscheidung darüber dürfte erst nach Gesprächen von Scholz und Merz und nach Gesprächen der Fraktionsmanager im Bundestag in der kommenden Woche fallen. Hier ein Überblick der Argumente, die jenseits parteitaktischer Überlegungen zu Vor- und Nachteilen eines Blitzwahlkampfes genannt werden.

Was für frühe Neuwahlen spricht

Die Union führt als Begründung für ihre Forderung nach der Vertrauensfrage in der kommenden Woche und Neuwahlen im Januar ins Feld, dass dies nach dem Bruch der Ampel-Koalition den Wählern gegenüber geboten sei. Dabei verweisen CDU und CSU auf Umfragen, in denen sich eine Mehrheit für rasche Neuwahlen ausspricht. Man leiste so Populisten und Demokratiefeinden Vorschub, hieß es. Auch führen Vertreter der Union an, dass die Vertrauensfrage qua Verfassung wohl kaum als planbares Instrument gedacht sei. Der Gedanke: Wenn der Kanzler doch schon weiß, dass er wegen des Koalitionsbruchs Mitte Januar kein Vertrauen mehr von der Mehrheit im Bundestag bekommt, gilt das auch schon jetzt. Und das erfordere eine Vertrauensfrage in der kommenden Woche. Außerdem soll Merz in der Unionsfraktionssitzung am Freitag von einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj berichtet haben, in dem der gesagt haben soll, sie seien ausfinanziert bis 2026. Es gäbe also keine Argumente für das Agieren des Kanzlers beim Thema Unterstützung der Ukraine, so Merz den Angaben zufolge.

Was gegen frühe Neuwahlen spricht

Die SPD verweist zum einen auf noch notwendige Beschlüsse etwa zum Nachtragshaushalt, ohne den beispielsweise höhere Kosten auf Kommunen zukämen. Nach der Vertrauensfrage sei ein konstruktives Miteinander mit anderen Fraktionen im Parlament kaum noch möglich, hieß es.

Vor frühen Neuwahlen im Januar oder Februar 2025 warnte auch die Bundeswahlleiterin. Sie appellierte am Freitag an Bundeskanzler Olaf Scholz, beim Termin für eine Neuwahl nichts zu überstürzen. Aus organisatorischen Gründen sei das riskant, schreibt Wahlleiterin Ruth Brand in einem Brief an Scholz, der dem Tageblatt vorliegt. „Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnten“, heißt es darin. Für eine ordnungsgemäße Wahl müsse der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags voll ausgeschöpft werden. „Soweit Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, wäre der nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt“, schreibt Brand. Dies könne zu „unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen“ führen.

Probleme könne es schon bei der Beschaffung von Papier und der Beauftragung von Druckdienstleistern geben. Außerdem seien wegen zunehmender hybrider Bedrohungen besondere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Brand befürchtet zudem, dass Wahlvorschläge in der Eile fehlerhaft eingereicht und dann nicht zugelassen werden. Nicht etablierte Parteien, die Unterstützungsunterschriften sammeln müssten, stünden unter zusätzlichem Zeitdruck. Eine Überlastung der Wahlämter könnte dazu führen, dass Briefwahlunterlagen besonders ins Ausland nicht rechtzeitig versendet werden. Wahlunterlagen könnten fehlen und Wahlvorstände unzureichend geschult sein.

Die Vertrauensfrage

Grundgesetz: Die Vertrauensfrage ist in Artikel 68 des Grundgesetzes geregelt.
Wortlaut: Dort heißt es: „Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.

CESHA
9. November 2024 - 14.43

Verschiedene seriöse deutsche Medien berichten allerdings auch, dass die Wahlleiterin zunächst die Ansicht geäussert habe, es wäre kein Problem, schnellsten Neuwahlen zu organisieren. Anscheinend wurde die SPD-Dame dann aber wohl von Scholz zurückgepfiffen und faselt jetzt von Papiermangel und anderen vorgeschobenen Gründen, welche gegen schnelle Neuwahlen sprechen würden.