Donnerstag23. Oktober 2025

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Naher OstenIsrael greift Finanzstruktur der Hisbollah im Libanon an

Naher Osten / Israel greift Finanzstruktur der Hisbollah im Libanon an
Arbeiter reinigen unter einem riesigen Porträt des verstorbenen Hisbollah-Militärbefehlshabers Imad Mughniyeh, während Rauch aus einem zerstörten Gebäude aufsteigt, das von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde Foto: Hussein Malla/AP/dpa

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Ziel erneuter israelischer Angriffe im Libanon sind diesmal Gebäude des Finanzinstituts der Hisbollah. Derweil bemüht sich Israels wichtigster Verbündeter USA um eine Deeskalation.

Israels Militär weitet den Krieg im Libanon auf Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah aus, die ein wichtiger Machtpfeiler der Schiiten-Miliz sind. In der Nacht seien eine Reihe von gezielten Angriffen gegen Dutzende von Einrichtungen und Anlagen durchgeführt worden, die von der Hisbollah „zur Finanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten gegen den Staat Israel genutzt werde“, teilte die Armee mit. Die Angriffe seien in der Umgebung von Beirut, im Südlibanon und tief im Landesinneren geflogen worden.

Ins Visier gerieten Filialen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah. Diese verwalte Gelder, mit den die Aktivitäten der Hisbollah finanziert würden, einschließlich des Kaufs von Waffen und der Zahlungen an Mitglieder des militärischen Flügels der Hisbollah, teilte die israelische Armee weiter mit. In den Zweigstellen der Vereinigung würden Milliarden von Dollar verwahrt, darunter Gelder, die direkt unter dem Namen der Terrororganisation gehalten würden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Unterdessen wird im Libanon heute US-Vermittler Amos Hochstein erwartet, der sich um eine Deeskalation zwischen der Miliz und Israel bemüht.

Armee: Werden Irans Finanzierung der Hisbollah aufdecken

„In den kommenden Tagen werden wir aufdecken, wie der Iran die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah finanziert, indem er zivile Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen nutzt“, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. Er forderte alle Menschen in der Nähe von Standorten des Hisbollah-Finanzinstituts in Beirut sowie anderen Landesteilen auf, sich umgehend von dort zu entfernen.

Kurz darauf schlug die Luftwaffe los. Die libanesische NNA meldete mindestens elf aufeinanderfolgende Angriffe in Beiruts Vororten. Auch ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des einzigen internationalen Flughafens im Land sei getroffen worden. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie dunkle Rauchwolken vor den Landebahnen südlich von Beirut in den Himmel stiegen. Vom israelischen Militär veröffentlichte Videos der Angriffe zeigten unter anderem einen Luftangriff, der zwei mehrstöckige Häuser zum Einstürzen brachte.

Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, „das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem großen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt“, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Einem Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2021 zufolge fungiert die Vereinigung unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation (NGO) wie eine Bank der Hisbollah, die ohne Zulassung und behördliche Aufsicht Bankautomaten betreibt und Kredite vergibt.

Israels Armee zerstört Wohnviertel und Dörfer im Libanon

Zweck des Angriffs sei, die Hisbollah so zu treffen, dass sie auch nach dem Krieg nicht mehr in der Lage ist, sich wieder aufzubauen und neu zu bewaffnen, sagte ein ranghoher israelischer Militärbeamter der Zeitung vor Beginn der Angriffe. Bislang hatte sich Israels Offensive im Libanon nach Angaben der Armee auf die militärische Infrastruktur der Hisbollah konzentriert, obwohl auch Wohngebäude zerstört und zivile Infrastruktur getroffen wurde.

Die Hisbollah hat im Libanon Zehntausende Gefolgsleute, mit denen sie vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel Beiruts sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes kontrolliert. Gleichzeitig gilt die Miliz als starke politische Macht im kurz vor dem Kollaps stehenden Libanon. Das Land leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Die Schäden infolge der andauernden israelischen Angriffe sind massiv. Im Süden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Ganze Wohngebiete in Beiruts Vororten liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche.

Nur noch Teile von Gebäuden übrig

Israels Angriffe gelten zwar der Hisbollah-Miliz, die seit gut einem Jahr täglich Raketen auf den Nachbarn Israel feuert. Doch unter dem Krieg leidet vor allem die Zivilbevölkerung. In den Vierteln am südlichen Stadtrand von Beirut, die als Hochburgen der Hisbollah-Miliz gelten, seien nur noch Reste von Gebäuden übrig, berichtete eine dpa-Reporterin. Auch die libanesische Armee, die sich in dem Konflikt eigentlich neutral verhält, vermeldet Verluste.

Die israelische Armee berichtete ihrerseits, fünf Soldaten seien im Südlibanon bei einem Gefecht getötet worden. Die Hisbollah feuerte im Laufe des Tages nach israelischen Angaben erneut etwa 200 Raketen auf den jüdischen Staat ab. Auch in der Nacht heulten im Norden Israels wieder die Warnsirenen, wie das Militär auf Telegram mitteilte. Nachdem auch im Jordantal Sirenen schrillten, sei eine von Osten her nach Israel vorgedrungene Drohne abgefangen worden, hieß es am frühen Morgen.

Zuvor sei eine aus dem Irak abgefeuerte Drohne über Syrien abgeschossen worden. Nach einem der Hisbollah zugeschriebenen Drohnenangriff im Küstenort Caesarea, der laut Israels Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegolten hatte, kündigte dieser weitere Schläge gegen Israels Feinde an.

US-Vermittler zu Gesprächen im Libanon

US-Vermittler Hochstein führt heute in Beirut Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten des Libanons, Nadschib Mikati, und dem Parlamentssprecher und Hisbollah-Verbündeten Nabih Berri, wie Regierungskreise der dpa bestätigten. Seit der ersten Wahl nach Ende des Bürgerkriegs 1992 ist die Hisbollah, die politisch und militärisch vom Iran unterstützt wird, im Parlament vertreten. Sie engagiert sich karitativ, besitzt aber auch einen militärischen Arm, dem nach Schätzungen Zehntausende Kämpfer angehören. Dieser wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot für die gesamte Hisbollah.

Auch US-Außenminister Blinken reist erneut in Nahen Osten

Hochstein bemüht sich schon seit Monaten um eine Deeskalation zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel. Auch US-Außenminister Antony Blinken wird nach Angaben von Vizepräsidentin Kamala Harris in den kommenden Tagen zu Gesprächen mit den Konfliktparteien in den Nahen Osten reisen. „Wir brauchen ein Ende des Krieges“, sagte Harris in einem TV-Interview. Medienberichten zufolge wird Blinken am Dienstag in Israel erwartet.

„Die Zahl der unschuldigen Palästinenser, die im Gazastreifen getötet wurden, ist wirklich unerhört, und wir müssen da ehrlich sein“, fügte Harris hinzu. Gleichzeitig werde sie immer für Israels Recht auf Selbstverteidigung eintreten.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas und anderer extremistischer Islamisten auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. In der Folge des Krieges eskalierten auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah.

Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin vereitelt

Deutsche Sicherheitsbehörden haben offenbar einen islamistischen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin vereitelt. Ein mutmaßlicher Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sei in Brandenburg festgenommen worden – der 28-jährige Libyer soll „einen öffentlichkeitswirksamen Anschlag mit Schusswaffen“ geplant haben, teilte die Bundesanwaltschaft am Sonntag in Karlsruhe mit. Nach AFP-Informationen war der Tatverdächtige ein abgelehnter Asylbewerber. Im Zusammenhang mit der Festnahme wurde auch das am Freitag beschlossene Sicherheitspaket der Ampel-Regierung erneut diskutiert. Den Angaben des Bundesanwalts zufolge wurde der Verdächtige Omar A. am Freitagabend in Bernau bei Berlin festgenommen. Ihm wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgeworfen. Der mutmaßliche IS-Anhänger soll den Anschlag spätestens seit diesem Oktober geplant haben. Dazu habe sich der Beschuldigte in einem Messenger-Chat mit einem Mitglied des IS ausgetauscht. Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete am Sonntag Untersuchungshaft für den 28-Jährigen an. (AFP)