Samstag25. Oktober 2025

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NachrufAlex Salmond hat die Politik Großbritanniens verändert

Nachruf / Alex Salmond hat die Politik Großbritanniens verändert
Alex Salmond, ehemaliger schottischer Premierminister, an einem Treffen der Alba-Partei Foto: Jane Barlow/PA Wire/dpa

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Eine monumentale Figur, ein Titan, ein politischer Riese – nach seinem überraschenden Tod dominierte Alex Salmond ein letztes Mal die Schlagzeilen der Zeitungen in Großbritannien, dessen Politik er zwei Jahrzehnte lang in Atem gehalten hatte.

Wenig mehr als ein Jahrzehnt ist jenes Ereignis her, für das der stolze Schotte Zeit seines politischen Lebens gekämpft hatte: das Referendum über die Unabhängigkeit der alten Nation im Norden der britischen Insel. Enttäuscht über die 45:55-Niederlage, übergab der nicht einmal 60-Jährige damals seine Ämter als Ministerpräsident in Edinburgh und Vorsitzender der Nationalpartei SNP an Nicola Sturgeon.

Zu seinen besten Zeiten zählten selbst eingefleischte Gegner Alex Salmond zur Handvoll herausragender Politiker auf der Insel, ebenbürtig mit Größen wie dem dreimal siegreichen Labour-Premier Tony Blair oder dem nordirischen Nobelpreisträger John Hume. Zum engsten Kreis seiner Helfershelfer gehörte damals neben der langjährigen Vizechefin Sturgeon – selbst eines der größten politischen Talente auf der Insel – auch der mittlerweile amtierende Partei- und Regierungschef John Swinney. Der verstorbene Vorgänger habe „unermüdlich gearbeitet und furchtlos gekämpft für das Land, das er liebte“, gab der tief erschütterte Ministerpräsident zu Protokoll.

Salmond, Sohn zweier Verwaltungsbeamter, war während des Wirtschaftsstudiums an der Elite-Uni St. Andrews der SNP beigetreten. Anfang der 80er Jahre wurde er wegen seiner Propaganda für „die schottische sozialistische Republik“ kurzzeitig aus der Partei ausgeschlossen. In zwei Perioden à zehn Jahren machte der erstmals 1987 ins ungeliebte Unterhaus gekommene Ökonom mit wohltönender, tiefer Stimme sowie scharfem Witz und Verstand die kleine, belächelte SNP zur bestimmenden Kraft seiner Nation. Programmatisch steht sie seither für zivilen, jedem ethnischen Reinheitsgedanken abholden Nationalismus im europäischen Kontext. Aus dem Linksaußen war ein national gesinnter, europäisch denkender Sozialdemokrat geworden, der die Eroberung der Macht vor das Ziel rascher Unabhängigkeit setzte. Auch die Monarchie wollte er erhalten.

Die Wiedereinführung des schottischen Parlaments 1999 eröffnete den Weg zur Erfüllung des uralten Wunsches: der Auflösung des 1707 geschlossenen Bundes mit England und Eingliederung Schottlands in den Reigen kleinerer EU-Mitglieder. „Wir wollen lieber guter Nachbar sein als mürrischer Mieter“, beschrieb Salmond das Verhältnis zum politisch übermächtigen England.

2007 übernahm er erstmals das Amt des Ministerpräsidenten, holte vier Jahre später die absolute Mehrheit der Mandate in Edinburgh und setzte gegenüber Tory-Premier David Cameron die Volksabstimmung durch. Im September 2014 sah es kurzzeitig tatsächlich so aus, als werde aus Großbritannien ein kleineres Land. Erst die Intervention von Queen Elizabeth II. – die Schotten sollten vor der Abstimmung „genau nachdenken“ – rettete das Vereinigte Königreich. Zudem mochte die Mehrheit des Wahlvolks Salmonds kühnen Versprechungen und optimistischen Prognosen nicht recht trauen. Ebenso wenig gingen sie zwei Jahre später den Brexit-Marktschreiern auf den Leim, anders als ihre gutgläubigeren englischen Cousins.

Ein Hauch von Tragik

Salmond widmete sich in der Folgezeit der Verhinderung des Brexits und drängte auf energische Schritte zu einem zweiten Referendum. Zunehmend umwehte ihn ein Hauch von Tragik. Nachdem ihn die Wähler 2017 aus dem Unterhaus verbannt hatten, ließ sich der rastlose Politiker für eine Talkshow bei Russia Today anwerben. Kurz darauf wurden Ermittlungen wegen Sexualverbrechen bis hin zur versuchten Vergewaltigung öffentlich. Gegen die Disziplinaruntersuchung klagte Salmond erfolgreich und erhielt mehr als eine halbe Million aus der Staatskasse: Die Regierung habe „ungesetzlich und unfair“ gehandelt. Der Vorgang führte zum Bruch mit Sturgeon.

Im Prozess selbst wurde der kinderlose, seit 1981 mit seiner 17 Jahre älteren Frau Moira verheiratete Salmond 2020 freigesprochen. Aber der Angeklagte musste unappetitliche Zudringlichkeiten einräumen, seine Reputation erlitt schweren Schaden. Zuletzt machte der einst unangefochtene Nationalistenchef seiner SNP mit der winzigen Partei Alba – im kaum noch gesprochenen Regional-Gälisch das Wort für Schottland – Konkurrenz. „Bündnis Alex Salmond“ wäre als Name für das Vehikel zur Befriedigung der Rachsucht des eitlen Politikers wohl angemessener gewesen.

Bei der jüngsten Unterhauswahl erhielt Alba landesweit 11.784 Stimmen (0,04 Prozent), auch die SNP erlitt eine schwere Schlappe. Die ersehnte Unabhängigkeit ist in weite Ferne gerückt, Salmond aber blieb unermüdlich politisch aktiv. Am Wochenende nahm er mit seiner langjährigen Vertrauten Tasmina Ahmed-Sheikh an der Tagung einer obskuren Stiftung in Nordmazedonien teil. Dort, fern der geliebten Heimat, erlag der stark übergewichtige Asthmatiker am Samstag den Folgen eines Herzinfarkts.