Dienstag28. Oktober 2025

Demaart De Maart

EditorialKojote mit Gefühlen: Wie JD Vance den US-Demokraten eine Lehre erteilte

Editorial / Kojote mit Gefühlen: Wie JD Vance den US-Demokraten eine Lehre erteilte
Ein Reporter schaut sich im „Spin Room“ in New York die Debatte zwischen JD Vance und Tim Walz auf einem Monitor an Foto: Getty Images via AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Es ist eine Stunde in der Debatte, als JD Vance den Kopf senkt. „Tim, ich wusste das nicht, dass das passiert ist. Es tut mir leid, das ist schrecklich.“ Und damit verkehrt er einen weiteren Versuch seines Kontrahenten, bei den Zuschauern mit Menschlichkeit und bitteren Erfahrungen zu glänzen, ins Gegenteil.

Es ist mal wieder „debate time“, am Dienstagabend in den USA. Diesmal treffen die „Running Mates“ aufeinander, also die Kandidaten für den Vizepräsidentenposten bei den Wahlen im November. Gerade geht es um Schusswaffengewalt. Tim Walz, Running Mate der Demokratin Kamala Harris, erzählt, wie sein 17-jähriger Sohn Zeuge einer Schießerei geworden ist. Mit Sicherheit ein von seinen Spin-Doktoren wohlgeplanter Scoop, von dem Trump-Mann JD Vance eigentlich nichts wissen sollte.

Aber ob überrascht oder nicht – Vance übernimmt das Ruder. Während Walz seine Geschichte erzählt – die offensichtlich an verängstigte Eltern adressiert ist –, verschwindet das Lächeln auch aus dem Gesicht von Vance. Er blickt nach unten auf sein Pult, schüttelt den Kopf. „Schrecklich“, murmelt er, dann lauscht er andächtig den Ausführungen von Walz. Als Vance dann selbst das Wort hat, dreht er sich zu seinem Kontrahenten um – und drückt sein Mitleid aus. Walz ist von dieser Gefühlswallung komplett überrascht, schaut sein Gegenüber entgeistert an und drückt gerade noch ein dünnes „Ich weiß das zu schätzen“ heraus. JD Vance erteilte dem 20 Jahre älteren Tim Walz am Dienstag eine Lehrstunde in politischer Kommunikation. Und das nicht nur mit Rhetorik, sondern auch mit Gefühlen.

Dabei sollte es doch genau andersrum laufen.

Tim Walz wurde von den Demokraten auf das Harris-Ticket gesetzt, um deren vermeintliche Abgehobenheit auszugleichen. Als „emotional support animal“ – Therapiehund – bezeichnete CNN-Kommentator David Axelrod den 60-Jährigen. Walz wurde als Figur gezeichnet, die die Probleme des durchschnittlichen Amerikaners kennt. Jemand, der zwar politisch ganz oben mitspielen kann und erfolgreich einen Bundesstaat lenkt – aber der trotzdem Gefühle, Emotionen, Schicksal kennt. Einen, den sie den „Coach“ nennen, nicht nur, weil er auch Football-Trainer war.

Dieser Figur fügte JD Vance am Dienstagabend tiefe Kratzer zu. Der republikanische Hardliner war in jüngster Vergangenheit vor allem mit absurden Lügen über Katzen verspeisende Migranten und haarsträubenden Aussagen über das Abtreibungsrecht aufgefallen. Für David Axelrod, offenbar ein großer Liebhaber von Tiermetaphern, ist der Senator aus Ohio ein „Kojote“. Vance war einer der Republikaner, die Trump zuvor verteufelt hatten – um dann eine magische 180-Grad-Wende zu vollführen, als Trump doch wieder Kandidat wurde. Seitdem zog Vance lautstark alle Register der altbekannten Trump-Orgel. Bis Dienstagabend.

Da sahen Millionen Amerikaner plötzlich einen ganz anderen Vance, einen vorgeblich sachlichen, einfühlsamen, kompromissbereiten Politiker. Genau das, was eigentlich von Walz erwartet wurde.

Walz selbst war auf den neuen Vance offenbar nicht vorbereitet. Der Gouverneur von Minnesota ließ sich immer wieder von Vance’ scheinbaren Friedensangeboten einlullen – um dann von dessen abschließendem Punch überrascht zu werden. Mal stierte Walz entgeistert hinüber zu seinem Kontrahenten, mal nickte er zustimmend. Manchmal machte er den Eindruck, als würde er gleich begeistert hinüberrufen: „Also meine Stimme haben Sie.“

Nach dem Biden-Duell ist die Debatte vom Dienstag für die Demokraten mehr als das zweite verlorene Duell. Denn trotz der offensichtlichen Lügenmärchen, die JD Vance auch dabei wieder auftischte – die Republikaner haben für diesen Moment das letzte Hoheitsgebiet der Demokraten erobert: das der zivilisierten Diskussion.

Dunord Hagar
4. Oktober 2024 - 21.25

Da hat der 12,5 % Luxieburger aber zimlich besch..... aus der Wäsche geschaut!

fraulein smilla
3. Oktober 2024 - 10.19

Punktsieg fuer die Spin Doktoren von Vance gegenueber denen von Walz . Donald Trump schein seit Jahrzehnten der erste Presidentschaftskandidat zu sein ,der vor einer Debatte nicht stundenlang mit Spin Doktoren zusammensitzt um zu ueben .

JJ
3. Oktober 2024 - 8.48

Auch mit "Gefühlen" kann man pokern. Das scheint Vance zu beherrschen. Amerikaner wollen Happy Ends mit Gefühl.Das hätte Walz wissen müssen und auch dass er darauf eingehen muss,sonst hat er sofort die Arschkarte. Wie einst Merkel:" Gemeinsam schaffen wir das." Darauf kann man nicht kontern.