„Wir hätten uns mehr Verbindlichkeit erwartet von der neuen Regierung“, sagt Gery Oth. Der Co-Präsident der Vereinigung der bildenden Künstler Luxemburgs („Association des artistes plasticiens du Luxembourg“, AAPL) hätte zum Beispiel gerne gesehen, dass der Kulturentwicklungsplan „in Beton gegossen“ worden wäre. Stattdessen schreiben CSV und DP an dieser Stelle in ihrem Koalitionsabkommen schlicht: „Der Kulturentwécklungsplang (KEP) 2018-2028, der im Austausch mit der Kulturszene erarbeitet wurde und der 2018 in Kraft getreten ist, wird fortlaufend evaluiert.“
Die AAPL ist Teil der während der Corona-Pandemie gegründeten Luxemburgischen Union der Vereinigungen des Kultursektors („Union luxembourgeoise des associations du secteur culturel“, ULASC). Zur ULASC gehören neben der AAPL auch die Schriftstellervereinigung A:LL sowie die Vereinigungen der Schauspieler, der Filmemacher und Drehbuchautoren, der Komponisten, der audiovisuellen Techniker und der Fachleute aus dem Bereich der darstellenden Kunst. Für die ULASC sei das große Oberthema die Professionalisierung des Berufs Künstler, so Oth. Ein zentrales Anliegen auch im KEP, der eine Art „Rahmenvertrag“ zwischen Kulturschaffenden und Regierung bilden soll. Eine Entwicklung, die unter der vorangegangenen Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) vorangetrieben wurde.
Eric Thill, der große Unbekannte
Tanson habe immer ein offenes Ohr gehabt, erinnert sich Oth. Dasselbe wünscht er sich nun von ihrem Nachfolger Eric Thill (DP). Auch für Oth und die ULASC war die Ernennung Thills zum Kulturminister eine Überraschung. Der junge DP-Politiker sei in der Kulturbranche nicht bekannt gewesen. Das bestätigt auch Pablo Chimienti von der „Theater Federatioun“ (offiziell: „Fédération luxembourgeoise des arts de la scène“, FLAS), dem landesweiten Dachverband für die professionellen Theater, Kulturzentren, Kompanien sowie freischaffenden Künstler im Bereich Theater und Tanz in Luxemburg. Chimienti findet im Koalitionsvertrag der Regierung viele gute Ansätze, wenn auch die Passagen zur Kulturpolitik sehr vage gehalten seien. Und: Er lobt den neuen Kulturminister für seinen Elan in den ersten Tagen im neuen Amt: „Seit er Minister geworden ist, sieht man Eric Thill fast überall“, so Chimienti. In der Philharmonie, bei den Walfer Bicherdeeg. Beim Zusammentreffen des International Network for Contemporary Performing Arts (IETM) in der Abtei Neumünster habe Thill vor wenigen Tagen eine Rede gehalten. „Er hat Lust, vor Ort präsent zu sein“, sagt Chimienti.
Nicht alle sind bereit, dem neuen Minister diesen Vertrauensvorschuss zu geben. Das queerfeministische Escher Kunstkollektiv Richtung22 bezeichnete Thill in einem Statement kürzlich ironisch als „Quotenminister“, der nur qua seiner Herkunft aus dem Wahlbezirk Norden als DP-Minister infrage gekommen war. Und das in einer Partei, in der es ganz ausdrücklich keine Geschlechterquote gebe, wie Xavier Bettel bei der Unterzeichnung des Koalitionsabkommens auf die Frage nach Geschlechterparität in der neuen Regierung noch einmal unterstrichen hatte. Thill sei außerdem nicht bei den Koalitionsverhandlungen auf Schloss Senningen anwesend gewesen, die Pläne der neuen Regierung zur Kulturpolitik habe der Kulturminister also nicht mitgestalten können.
Chimienti von der „Theater Federatioun“ ist sich sicher, dass Thill einiges nachholen müsse. Man müsse ihm aber auch ein paar Wochen Einarbeitungszeit zugestehen. Sowohl Oth als auch Chimienti hoffen auf eine Kontinuität in der Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium. „Die Kontakte, die wir mit den Beamten hatten und haben, sind extrem gut“, so Oth. Ihre Belange, Sorgen und Vorschläge wolle die ULASC in einem Dialog einbringen. „Wir suchen keine Konfrontationen, weder mit dem Minister noch mit den Beamten, noch mit dem übrigen Kultursektor“, sagt Oth. Kultur sei wichtig für die Kohäsion der Gesellschaft.
Ordentliche Arbeitsbedingungen und Löhne
Aus diesem Grund vermisst die ULASC im Koalitionsabkommen auch eine Erwähnung der „Chartre de déontologie“, die Thills Vorgängerin Tanson 2022 verabschiedet hatte. Eine Charta für kulturelle Einrichtungen, die in Zusammenarbeit und Austausch mit den Kulturschaffenden entstanden ist und die die ethischen und professionellen Werte verteidigen soll, „die das Vertrauensverhältnis zwischen kulturellen Einrichtungen, Künstlern und Bürgern untermauern“, wie es in einer Erklärung der Regierung von 2022 heißt. Maßnahmen wie der KEP oder die Charta seien wichtig, um die Künstler aus der „sozialen Ecke“ zu holen, so Oth. Man fordere ordentliche Arbeitsbedingungen und ordentliche Löhne, damit Künstler professionell arbeiten können, so wie das auch in anderen Sektoren der Fall ist.
Für die Kulturpolitik der nahen Zukunft wartet Chimienti auf konkrete Vorschläge des neuen Ministers. Die Theater Federatioun selbst hatte sich im Sommer vor den Wahlen mit einem Forderungskatalog für die kommende Legislaturperiode an alle Parteien gewandt. Darin geht es neben Bildungsfragen und der finanziellen Unterstützung auch um die weitere Professionalisierung des Kultursektors. Oth, die AAPL und die ULASC sind zuversichtlich, was die Zusammenarbeit mit Minister Thill anbelangt. Man warte auf eine Einladung und hoffe, im gemeinsamen Austausch der Ideen und Sichtweisen möglichst viele Überschneidungen zu finden.
De Maart
luxmann
Ihre Feststellung gilt ganz bestimmt fuer querrfeministische Kunstkollektive .
Kultur wird in der Oberstadt im Café Theatre Rocas gemacht, ohne Kravatte, ohne Helm und ohne Gurt!
Professionalisierung des kultursektors.. klingt auf den ersten blick gut ,aber versteckt sich nicht dahinter der wunsch vieler kulturschaffenden welche nicht auf dem freien markt ueberleben koennen nach massiver subventionierung durch die oeffentliche hand?