Sonntag16. November 2025

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DeutschlandPartei-Neugründung: Was zeichnet Sahra Wagenknecht aus?

Deutschland / Partei-Neugründung: Was zeichnet Sahra Wagenknecht aus?
Sahra Wagenknecht dürfte nicht nur ihre Partei Die Linke mit ihrer Partei-Neugründung in Bedrängnis bringen Foto: dpa/Michael Kappeler

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Das könnte die deutsche Parteienlandschaft in Bewegung bringen: Sahra Wagenknecht treibt die Gründung ihres eigenen Projekts voran. Ihre Noch-Partei übt scharfe Kritik. Und auch die AfD schaut interessiert hin. Wofür steht die prominente Politikerin?

Es ist Herbst 2022. Über Sahra Wagenknecht wird in der Linken-Fraktion heftig gestritten. Gerade hatte sie im Bundestag der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg unterstellt, einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland vom Zaun gebrochen zu haben. Wagenknecht selbst wird am Abend der Fraktionssitzung in einer Talksendung zu Gast sein. Sie wohnt der Debatte daher nur telefonisch bei, sie ist gar nicht mehr in Berlin. Emotionen, Reaktionen ihrerseits: Fehlanzeige. Die Debatte in der eigenen Fraktion interessiert sie herzlich wenig, zumindest erweckt sie diesen Eindruck. Wie es in ihr genau aussieht, daran lässt sie niemanden teilhaben. Doch dass der Bruch mit Partei und Fraktion unausweichlich ist – davon konnte man bereits im vergangenen Jahr einen Eindruck bekommen.

Die 54-Jährige hat lange gezögert, nun hat sie sich entschlossen: Wagenknecht wagt den Neuanfang und wird am Montag in der Bundespressekonferenz das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ vorstellen. Die Partei selbst, so heißt es, werde erst im Januar gegründet, weil dies mit Blick auf die staatliche Parteienfinanzierung von Vorteil sei.

Was bewegt Wagenknecht? Schon während der Flüchtlingskrise 2015/2016 galt die Linken-Politikerin als Kritikerin einer Migrationspolitik, die vor allem auf offene Grenzen setzt. Schon damals sagte sie in Gesprächen, dass sie sich politisch nicht mehr heimisch in ihrer Partei fühle.

Wagenknecht erwähnte auch immer mal wieder, dass sie eine neue Partei für wünschenswert und nötig halte. Sie warf ihrer Parteispitze vor, klassische linke Themen zu vernachlässigen: die Nöte der sogenannten kleinen Leute. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ ging sie mit urbanen sogenannten Lifestyle-Linken hart ins Gericht. Bereits im Frühjahr dieses Jahres bestätigte Wagenknecht dann nicht nur Erwägungen für eine eigene Partei, sondern sagte auch, sie werde nicht mehr für die Linke kandidieren. Daraufhin erklärten die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan für den Vorstand, die Zukunft der Linken sei eine ohne Wagenknecht.

Inhaltlich tiefe Kluft mit Noch-Partei

Inhaltlich trennt sie inzwischen eine tiefe Kluft von der Mehrheit ihrer Noch-Partei. Der Entwurf des Europaprogramms nennt unter anderem die europäischen Klimaziele wenig ambitioniert und wendet sich gegen eine „Abschottung“ Europas in der Asylpolitik. Wagenknecht hingegen kritisiert zu weitreichenden Klimaschutz und zu hohe Migrationszahlen. Ihrer eigenen Partei unterstellt sie, die „kleinen Leute“ zu vernachlässigen und grüner als die Grünen sein zu wollen. Sozial- und wirtschaftspolitisch vertritt sie Positionen für einen starken Sozialstaat und die Besteuerung von Konzernen und Wohlhabenden.

Wagenknechts Vorteil: Sie ist populär und kommt beim Publikum an. Sie ist häufig zu Gast in Talkshows, punktet mit rhetorischem Talent und Charisma. Sie pflegt das Image der kühlen Intellektuellen, die einen vermeintlich unabhängigen Blick auf die Dinge hat. Ihr „Manifest für Frieden“, veröffentlicht mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer zu Beginn des Jahres, befeuerte die Debatte im Land über das vermeintlich „richtige“ oder „falsche“ Vorgehen mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Ihrem Aufruf zur Demonstration „Aufstand für den Frieden“ am Brandenburger Tor folgten viele Menschen – auch aus dem anti-demokratischen Spektrum.

Allerdings: Mit ihrer Sammlungsbewegung „Aufstehen“ hatte die damalige Linken-Fraktionschefin schon im Jahr 2018 für viel Aufregung gesorgt. Doch das Projekt scheiterte gründlich, Wagenknecht zog sich zurück. Im Jahr 2019 machte sie ein Burnout öffentlich. „Zunächst war einfach die Kraft weg. Komplett. Ich war richtig down und hatte das sichere Gefühl: Du kannst so nicht weitermachen. Dann haben der Arzt und mein Mann gesagt: Jetzt ist Schluss. Ich war dann zwei Monate krankgeschrieben.“ Ihr Mann, Oskar Lafontaine, war ebenfalls ein politisches Schwergewicht: Erst bei der SPD, dann bei der Linken. Er gebe ihr Halt, sagte sie mal. Bekannte sagen, die beiden seien sehr eng.

Die Partei der Linken ist aufgebracht

Bei der Linken ist man verständlicherweise aufgebracht: Parteichefin Wissler bezeichnete die Gründung einer Konkurrenzpartei als völlig verantwortungslos. Die mögliche Spaltung ist vor allem für die Bundestagsfraktion problematisch. Träten Wagenknecht und ihre Unterstützer aus, würde es für die Linke wahrscheinlich nicht mehr für eine eigene Fraktion reichen. Ohne Fraktionsstatus ginge finanzielle staatliche Unterstützung verloren, es gäbe weniger Redezeit und weniger parlamentarische Rechte.

Die mögliche Parteigründung weckt aber auch großes Interesse, weil sie die politische Landschaft verschieben könnte. Demoskopen räumen einer Wagenknecht-Partei ein vergleichsweise hohes Potenzial ein, sie ist regelmäßig im Ranking der beliebtesten Politiker auf einer der vorderen Plätze.

Ihre Noch-Partei will nun kämpfen. Der frühere Parteichef Bernd Riexinger sagte: „Für Die Linke ist es eine Befreiung. Unsere Wählerinnen und Wähler wissen nun endlich wieder, wofür Die Linke steht und was sie für sie macht.“ Die politisch spannende Frage ist, ob das Angebot von Wagenknecht möglicherweise derzeit attraktiver erscheint.

Was Wagenknechts Partei-Neugründung bedeutet

Seit Monaten wird darüber spekuliert, wann Sahra Wagenknecht Ernst macht und eine eigene Partei gründet. Wohlgemerkt: Zuletzt ging es eher um den Zeitpunkt. Dass die Linken-Galionsfigur, die wie keine andere ihrer Partei Anhänger um sich scharen kann, diesen Schritt gehen würde, wurde kaum noch bezweifelt. Und nun will sie also am Montag vor die Bundespressekonferenz treten und ihre Pläne vorstellen. Nach Informationen unserer Redaktion wird es dabei zunächst um die Gründung ihres bereits eingetragenen Vereins „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V.“ gehen. BSW, man ahnt es, steht dabei für Bündnis Sahra Wagenknecht. Dieser Verein soll dem Vernehmen nach dazu dienen, die neue Partei zu gründen, womit Anfang 2024 gerechnet wird. Wofür Verein und später die Partei stehen werden, will Wagenknecht aber offenbar schon am Montag skizzieren.
In der Linken, der bisherigen politischen Heimat der 54-Jährigen, hat man nun Gewissheit, nachdem man lange wie das Kaninchen auf die Schlange gestarrt hat. Das ist einerseits gut, damit der für die Partei sehr schädliche Schwebezustand aufhört. Andererseits manifestiert sich nun eine für die Linke sehr gefährliche Alternative, ein attraktiver Mitbewerber am linken Rand des politischen Spektrums. Denn dass Wagenknecht viele Wählerstimmen hinter sich wird versammeln können, bezweifelt niemand. Und dass sie auch namhafte Linken-Mitglieder von ihrer neuen Partei überzeugen kann, ist ebenfalls absehbar. Einige sind ja bereits öffentlich, oder hinter den Kulissen zu Wagenknecht übergelaufen und haben ihr für den Fall einer Parteigründung die Gefolgschaft versprochen. Für die Linke würde das allen Anzeichen zufolge das Ende der Bundestagsfraktion bedeuten. Ohne Fraktionsstatus würden die Linken deutlich an Einfluss verlieren im parlamentarischen Betrieb.
Doch nicht nur im linken politischen Spektrum ist man nun alarmiert oder elektrisiert – sondern auch am rechten Rand. Denn immer wieder hat Wagenknecht mit ihren Thesen und Äußerungen bei Kundgebungen unter Beweis gestellt, dass sie auch AfD-Anhänger für sich begeistern kann. Und so muss die AfD zittern, ob Wagenknecht den aktuellen Umfrage-Höhenflug der in Teilen rechtsextremen Partei stoppen könnte. Das wiederum hoffen die demokratischen Parteien der Mitte: Dass sich die derzeit vor allem bei der AfD tummelnden Protestwähler auf mehrere Parteien verteilen und so den Randparteien kein wachsender Einfluss zukommt. Doch sollten Sozialdemokraten, Christdemokraten, Grüne und Liberale vor allem darauf setzen und ihre eigenen Hausaufgaben vernachlässigen, könnten sie bei den nächsten Wahlen erneut böse Überraschungen erleben. (Jan Drebes, Berlin)

luxmann
24. Oktober 2023 - 21.48

Eine intelligente Frau.
Wenn es allerdings ganz schlecht kommt rutschen linke und die wagenknecht partei beide unter 5% und koennten von der buehne im bundestag verschwinden.

Sam
20. Oktober 2023 - 17.08

Sie sollte sich nicht abspalten, weil die vielen Parteien, die durch grosse Unterschiede glänzen wollen, nur minimale Unterschiede bewirken können.

Werner
20. Oktober 2023 - 14.58

Was zeichnet sie aus? Sie sieht viel besser aus als die anderen Politfrauen.

oh mei
20. Oktober 2023 - 9.54

Weiland/Wagenknecht. Duo de choc. Vielleicht noch Alice "Emma" Schwarzer?