Samstag15. November 2025

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„Manifest für den Frieden“Diskussion um Wagenknecht-Demo in Berlin

„Manifest für den Frieden“ / Diskussion um Wagenknecht-Demo in Berlin
In Berlin forderten am Samstag mehrere Tausend Menschen Verhandlungen mit Russland  Foto: dpa/Monika Skolimowska

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Selten hat eine Demonstration für so viel Unruhe gesorgt wie der „Aufstand für den Frieden“ der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. Die Angaben zu den Teilnehmern liegen weit auseinander.

Demonstration für den Frieden oder ein Sich-Gemein-Machen mit dem Aggressor im Ukraine-Krieg? In Berlin folgten am Samstag trotz Schneeregens und Kälte viele Tausend Menschen einem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung unter dem Motto „Aufstand für den Frieden“. Die Linke-Politikerin und die Frauenrechtlerin wollten damit ihre Forderungen aus ihrem umstrittenen „Manifest für Frieden“ untermauern. Im Internet erklärten bis Sonntagmittag mehr als 670.000 Menschen ihre Zustimmung zum „Manifest“.

Schätzungen der Polizei zufolge nahmen rund 13.000 Menschen teil, Wagenknecht zufolge waren es 50.000 Menschen, die vor dem Brandenburger Tor zusammenkamen. Der Verlauf sei weitgehend störungsfrei gewesen, bilanzierte ein Polizeisprecher am Sonntag. 1.400 Kräfte seien im Einsatz gewesen. Vereinzelt mischten sich Rechte und Rechtsextreme unter die Teilnehmer. Passanten mit ukrainischen Flaggen gerieten teils mit Demonstranten aneinander, wie Fotos bei Twitter zeigten. Vereinzelt waren auf Plakaten Medienkritik und Verweise auf die Corona-Politik zu lesen. Nach AfD-Angaben waren auch zahlreiche ihrer Mitglieder vor Ort.

Heute wollen Politiker unseres Landes, das Gorbatschow seine Wiedervereinigung verdankt, Russland ruinieren

Sahra Wagenknecht

Auf der Bühne forderte Wagenknecht, teils vom Publikum bejubelt, einen Stopp von Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine und mahnte Friedensverhandlungen an. Es gehe darum, „das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden“ und Russland ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, „statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren“. Es gelte, das Risiko einer Ausweitung des Krieges auf ganz Europa und womöglich die Welt zu bannen. Dieses Risiko sei „verdammt groß“.

Kritik an Scholz, aber keine an Putin

Wagenknecht kritisierte vor allem den Kurs der Ampel-Regierung im Bund. Man fühle sich nicht vertreten von Kanzler Olaf Scholz, (SPD) „der zwar zunächst immer zögert und für Bedachtsamkeit und Vorsicht wirbt, aber dann trotzdem regelmäßig vor den Kriegstrommlern in seiner Koalition einknickt und eine rote Linie nach der nächsten überschreitet“. Die Linke-Politikerin beklagte Rufe nach Waffenlieferungen, gerade aus Deutschland. „Heute wollen Politiker unseres Landes, das (Michail) Gorbatschow seine Wiedervereinigung verdankt, Russland ruinieren“, sagte sie mit Blick auf den früheren sowjetischen Präsidenten. „Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgroßeltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden.“ Das sei geschichtsvergessen, sagte sie mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg.

Unter den Demonstranten fanden sich auch Impfgegner wieder
Unter den Demonstranten fanden sich auch Impfgegner wieder Foto: dpa/Christophe Gateau

Russland hat die Ukraine in einem völkerrechtswidrigen Angriff vor einem Jahr auf dem Territorium der Ukraine überfallen. Die westlichen Waffenlieferungen dienen der Ukraine zur Verteidigung ihres Territoriums. Bereits 2014 annektierte Russland unrechtmäßig die Krim.

Die liberale Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisierte Wagenknecht für ihre Wortwahl und die mangelnde Abgrenzung gegen rechts scharf. „Nicht die Demonstration als solche ist das Problem, wir leben schließlich in einem freien Land. Das Besorgniserregende ist, dass die Organisatoren sich mit radikalen Rechten und Linken zusammentun und das Opfer zum Täter stilisieren. Frau Schwarzer, die ein Leben lang für Frauenrechte gekämpft hat, verhöhnt mit ihren Worten Tausende von vergewaltigten ukrainischen Frauen, und Frau Wagenknecht glaubt allen Ernstes, eine Ikone einer neuen Friedensbewegung zu sein. Dabei nutzt sie Putins Sprache. Wie zynisch“, sagte Strack-Zimmermann zum Tageblatt.


Kommentar: Dem Aggressor Russland das Wort zu reden, hat mit linken Positionen nichts gemein​

Man kann sich seine Fans nicht aussuchen. Doch es lässt schon sehr tief blicken, wenn der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke Sahra Wagenknecht einen Parteiwechsel von der Linken zur AfD anbietet. Und es muss allen Linken mulmig werden, wenn man Höcke weiter zuhört. In der AfD könne sie die Politik, von der sie in der Linken nur träume, verwirklichen, so der rechtsextreme Politiker.​

Die linke Parteiführung muss es mit Schaudern gehört haben. Die ehemalige Fraktionschefin lässt die Werte der Linken immer weiter hinter sich. Damit eines klar ist: Für Frieden zu demonstrieren ist das gute demokratische Recht von jedermann. Doch dem Aggressor Russland das Wort zu reden, hat mit linken Positionen nichts gemein.​

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am Samstag in Berlin
Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am Samstag in Berlin Foto: dpa/Christophe Gateau

Nur noch einmal zur Erinnerung: Für Verhandlungen fordert Russland unter anderem ein Ende westlicher Waffenlieferungen und das Einstellen von Kampfhandlungen. Das wohl Wichtigste aber ist die Anerkennung der von Russland völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebiete als russisch. Faktisch hieße das, dass die Ukraine mindestens ein Fünftel ihres eigenen Staatsgebiets aufgeben müsste – so viel ist derzeit von Russlands Armee besetzt. Russland hat die Ukraine im Jahr 2022 völkerrechtswidrig auf ihrem Gebiet angegriffen, nachdem der Aggressor bereits 2014 die Krim unrechtmäßig annektiert hatte.​

Das Kalkül der 53-Jährigen: Sie ist mit pointierten Thesen, die häufig der Linie der Linkspartei widersprechen, und einem rhetorischen Talent prominenter als die meisten Linken. Bereits seit Monaten liebäugelt sie mit der Gründung einer eigenen Partei. Man werde die Stimme so laut erheben, dass sie nicht mehr überhört werden kann, so Wagenknecht am Samstag. Sie kann die Stimme gerne erheben. Aber die Linke sollte dafür sorgen, dass es nicht mehr die Stimme der Linkspartei ist.​ (Kerstin Münstermann)

Grober J-P.
27. Februar 2023 - 10.27

"Heute wollen Politiker unseres Landes, das Gorbatschow seine Wiedervereinigung verdankt, Russland ruinieren."
Gorbi und Putin, 2 Welten!
Sahra und Oskar ab nach Moskau, das wird schon!