„Senkt die Mieten“, sprühten Unbekannte auf etliche Hausfassaden in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. „Es reicht“, rufen die Demonstranten, die seit Wochen durch Lissabon und andere Städte marschieren und beklagen, dass ihre Löhne nicht einmal dazu reichen, die immer höheren Wohnungsmieten zu bezahlen. Der Druck der Straße bleibt nicht ohne Wirkung: Portugals sozialdemokratischer Regierungschef António Costa, der mit absoluter Mehrheit regiert, kündigte einen Krisenplan an, um die große Wohnungsnot in dem südeuropäischen EU-Land zu bekämpfen. „Niemand kann die Auswirkungen ignorieren, welche die brutalen Steigerungen der Mietpreise verursachen“, erklärte Costa. „In den letzten Jahren stiegen die Mieten sehr viel mehr als die Inflation. Diese Preise sind zu hoch.“
Das Krisenprogramm „Mehr Wohnraum“, das formal noch vom Parlament gebilligt werden muss, enthält drastische Schritte. Allen voran das Verbot von neuen Touristenappartements, deren Verbreitung den Immobilienmarkt und die Spekulation anheizen. In der Innenstadt Lissabons gibt es heute in manchen Vierteln mehr Ferienappartements als normale Mietwohnungen.
Das Geschäft mit dem Urlaub blüht in Portugal. Bei mittleren Tarifen von 100 Euro pro Tag lohnt sich die Vermietung eines Appartements an Touristen sehr viel mehr als an einen festen Mieter. Das weltoffene Land am Atlantik und vor allem seine bunte Hauptstadt Lissabon sind bei Urlaubern in Mode. Das vergangene Jahr bescherte Portugal Rekordeinnahmen aus dem Tourismus, der das wichtigste Standbein der Nation ist und rund 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.
Ferienwohnungen als Geldanlage
Nun also soll ein Moratorium helfen: Es gibt keine Lizenzen mehr für Urlaubsappartements. Wenigstens nicht in den touristischen Hochburgen Lissabon, Porto und an der Algarve-Küste. Nur noch in ländlichen Gebieten, in denen der Immobilienmarkt noch nicht aus den Fugen geriet, soll es noch Ausnahmen geben. Zudem sollen Ferienvermieter mit Steuergeschenken dazu bewegt werden, ihre Appartements wieder in normalen Wohnraum zu verwandeln.
Auch die Ankündigung der Regierung, leerstehenden Wohnraum notfalls zu beschlagnahmen und zu moderaten Preisen an bedürftige Familien zu vermieten, provozierte den Zorn der Vermieterbranche.
In einem weiteren Schritt werden die „goldenen Visa“ abgeschafft, mit denen Portugal seit zehn Jahren ausländische Immobilieninvestoren ins Land lockt. Mit dem „Goldvisum“ wurden bisher all jene Investoren aus nicht zur EU gehörenden Ländern belohnt, die mehr als 500.000 Euro in Immobilien investierten. Mehr als 1.000 wohlhabende Ausländer machten jedes Jahr davon Gebrauch und erhielten dafür Reisefreiheit im Schengenraum. Dabei handelte es sich vor allem um Chinesen, aber auch um Amerikaner, Brasilianer und Russen, die ihr Geld vorzugsweise in Ferienwohnungen anlegten.
Auch die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt sollen gedeckelt werden. Im Zuge eines Inflationsentlastungspakets war bereits 2022 beschlossen worden, dass bei bestehenden Verträgen die Miete nur um maximal zwei Prozent steigen darf. Was manche Vermieter dazu verleitete, alte Verträge zu kündigen, um mit einem neuen Vertrag einen dicken Aufschlag fordern zu können. Nun wird auch dieser Lücke ein Riegel vorgeschoben, mit einer jährlichen Mietenbremse, die sich ebenfalls am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent orientieren soll.
Über 720.000 Wohnungen stehen leer
Der Wohnungskrisenplan und vor allem der Mietendeckel sorgen nicht gerade für Freude bei den Verbänden der Wohnungsbesitzer, die mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht drohen. Auch die Ankündigung der Regierung, leerstehenden Wohnraum notfalls zu beschlagnahmen und zu moderaten Preisen an bedürftige Familien zu vermieten, provozierte den Zorn der Vermieterbranche.
In Portugal, ein Land mit 10,5 Millionen Einwohnern, stehen nach der jüngsten Erhebung des Statistikamtes mehr als 720.000 Wohnungen leer. Ein Grund dafür ist der verbreitete Mietwucher. In Lissabon zum Beispiel sind in manchen Vororten ganze Wohngebäude ohne Bewohner. Warum? Weil die Mieten, die schon bei einer Einzimmerwohnung oft bei über 1.000 Euro liegen, so explodiert sind, dass sich keine Mieter mehr finden, die diese Wohnungen noch bezahlen können.
Dabei muss man wissen, dass Portugal zu den ärmsten Ländern der Europäischen Union gehört. Der gesetzliche Mindestlohn, berechnet mit zwölf Zahlungen pro Jahr, beträgt nur 887 Euro – rund ein Viertel der portugiesischen Arbeitnehmer hat nicht mehr in der Tasche.
De Maart
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