Samstag15. November 2025

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Rede in WarschauBiden beschwört Kampf für Freiheit

Rede in Warschau / Biden beschwört Kampf für Freiheit
US-Präsident Joe Biden auf dem Weg zum Rednerpult vor dem Königsschloss in Warschau Foto: Mandel Ngan/AFP

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Zehn Auslandsreisen hat Joe Biden seit seinem Amtsantritt vor gut zwei Jahren unternommen. Für sein großes Nachbarland Kanada, einen wichtigen Verbündeten im Ukraine-Krieg mit vielen ukrainisch-stämmigen Bürgern, hatte er bisher keine Zeit. Dafür ist Biden am Dienstag zum zweiten Mal binnen Jahresfrist in Polen.

Dies ist Balsam für die polnische Seele, die sich gerne als Opfer der großen Mächte sieht: Von deutschen Rittern, Schweden und Russen überfallen, Ende des 18. Jahrhunderts aufgeteilt für 123 Jahre, von Hitler und Stalin 1939 aufgeteilt und 1945-89 unter einer realsozialistischen Diktatur von Moskaus Gnaden.

Dennoch drehte sich die mit Spannung erwartete Warschauer Grundsatzrede Joe Bidens anlässlich des ersten Jahrestages der russischen Invasion im östlichen Nachbarland Ukraine weniger um Polen als die Gastgeber offenbar gehofft hatten. Biden betonte dafür am Dienstagabend im Garten des Warschauer Königsschlosses um so mehr den Kampf für die Freiheit in der Ukraine, aber auch auf dem Kriegsnebenschauplatz Moldawien.

Dabei vergaß Biden indes nicht, vor allem der polnischen Zivilgesellschaft für die Aufnahme von Millionen ukrainischer Kriegsflüchtlinge zu danken. Im Kern aber handelte Bidens Rede, die von rund 20.000 Zuschauern im Schlossgarten live mitverfolgt wurde, von der Freiheit, die es nun gemeinsam gegen Wladimir Putins Autokraten-Hunger zu verteidigen gelte.

„Wir sehen heute, was die Polen und ganz Europa vor Jahrzehnten gesehen haben: Den Appetit von Autokraten kann man nicht bedienen, man muss sich ihm entgegenstellen. Der Autokrat versteht nur ein Wort: Nein!“, sagte Biden unter großem Beifall und spielte dabei auf den Anschluss Böhmens und Mährens ans Dritte Reich 1938 an, der Hitlers und Stalins Überfall auf Polen im September 1939 nicht verhindern konnte.

Nachkriegsordnung bedroht

„Vor einem Jahr zitterte die Welt vor dem Fall von Kiew. Ich habe es gerade besucht und ich kann mitteilen: Kiew hält sich gut. Kiew steht aufrecht und hoch“, begann Biden seine kurze Rede mit einem Satz, den er später auch twitterte. Wie bereits in Kiew sicherte Biden den Ukrainern auch in Warschau noch einmal die volle Unterstützung zu, solange diese nötig sei.

Ein Jahr nach der russischen Invasion bestehe kein Zweifel mehr daran, dass die amerikanische Unterstützung für die Ukraine nicht einbreche und die NATO nicht auseinanderbreche. „Wir werden auch nicht müde“, versprach Joe Biden. „Präsident Putins feiger Hunger nach Land und Macht wird scheitern und die Liebe der Ukrainer für ihr Land wird siegen“, sagte Biden.

Laut Biden geht es im Ukraine-Krieg um mehr als nur die Ukraine. Bedroht werde die ganze Nachkriegsordnung von 1945, die demokratische Welt und die Freiheit schlechthin, sagte Biden in Warschau unter großem Applaus der Tausenden Zuhörer. Auf den Ehrenplätzen in unmittelbarer Nähe waren der gesundheitlich angeschlagene Regierungsparteichef Jaroslaw Kaczynski, aber auch Oppositionsführer Donald Tusk, Lech Walesa und die moldawische Staatspräsidentin Maia Sandu auszumachen.

Biden versprach, dass die Schuldigen für die Invasion und die dabei begangenen Kriegsverbrechen sich eines Tages dafür verantworten müssten. Er unterstützte damit das von Vizepräsidentin Kamala Harris bei der Münchner Sicherheitskonferenz erwähnte Kriegsverbrechertribunal.

Dank für die Hilfe Polens

Wie bereits bei seiner Warschauer Rede vom März kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wandte sich Biden erneut ans russische Volk, dem er versicherte, dass Putins am Vormittag geäußerte Behauptung, der Westen wolle Russland vernichten, falsch sei. Dieser Krieg sei nie nötig gewesen, Putin habe sich dafür entschieden. Wenn er wirklich den Frieden wolle, könne er seine Truppen zurückziehen, meinte Biden.

Kurz vor seiner Rede hatte der US-Präsident seinen polnischen Gastgeber Andrzej Duda in dessen Präsidentenpalast besucht. „Die USA brauchen Polen genauso, wie Polen die USA braucht“, wandte sich Biden danach an den selig lächelnden Duda. „Unsere Armee bleibt in Polen; gerade sind wir dabei, eine neue strategische Partnerschaft zu bauen“, versicherte der US-Präsident. Dann dankte Biden Duda für die polnische Ukraine-Hilfe, sowohl die Waffenhilfe in Höhe von rund 3,8 Milliarden Dollar wie vor allem auch die große Solidarität bei der Aufnahme von bis zu 1,8 Millionen ukrainischen Flüchtlingen, immerhin rund fünf Prozent der polnischen Bevölkerung.

Bidens Eingeständnis, auf Polen angewiesen zu sein, bezog sich vor allem auf die große Rolle Polens bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. So werden die meisten US-Waffen direkt zum Zivil- und Militärflughafen Rzeszow-Jasionka im Südosten Polens unweit der ukrainischen Grenze geflogen und von dort mit der Bahn in die Ukraine geliefert. Auch Biden war am Sonntagabend heimlich auf diesem kleinen polnischen Flughafen gelandet, bevor auch er im Zug nach Kiew weiterreiste.