Samstag15. November 2025

Demaart De Maart

Laut UNHCRImmer mehr Migranten sterben beim Versuch, Westeuropa über den Balkan zu erreichen

Laut UNHCR / Immer mehr Migranten sterben beim Versuch, Westeuropa über den Balkan zu erreichen
Auf diesem Laster hatten die Schlepper über 50 Menschen eingepfercht Foto: Handout/Bulgarian prosecutors office/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Nach dem Erstickungstod von 18 jungen Afghanen in einem LKW in Bulgarien warnen UN-Flüchtlings- und Kinderschutzorganisationen vor der zunehmenden Zahl von Todesopfern unter den Flüchtlingen, die Westeuropa auf dem Landweg zu erreichen versuchen.

Die Reise in den qualvollen Erstickungstod hatten die Familien der Opfer bezahlt. Nachdem 52 Afghanen im Alter zwischen 13 und 33 Jahren den Grenzzaun zwischen der Türkei und Bulgarien mit Leitern überwunden hatten, quetschten sie ihre Schlepper am Freitagmorgen in einen mit Folie ausschlagenden Planenwagen. Nicht nur wegen der drangvollen Enge, sondern auch wegen des Einatmens von Auspuffgasen gerieten die jungen Männer in dem völlig überladenen LKW bei der stundenlangen Fahrt von der bulgarisch-türkischen an die bulgarisch-serbische Grenze bald in Atemnot.

Auf die verzweifelten Klopfzeichen ihrer Passagiere reagierten der Fahrer und sein Begleiter zunächst nicht. Erst am Nachmittag brachten sie den LKW im Dorf Lokorsko 20 Kilometer nordöstlich von Sofia zum Stehen. 18 der illegalen Transitmigranten – darunter ein minderjähriger Junge – hatten die Fahrt nicht überlebt. Die wie in „eine Konserve gezwängten“ Opfer seien „langsam und qualvoll“ erstickt, berichtete am Wochenende der zuständige Staatsanwalt Borislaw Sarafow: Ihr Sterben habe „zwischen 30 und 60 Minuten“ gedauert.

Sieben mutmaßliche Mitglieder des Schlepperrings sind mittlerweile verhaftet worden – darunter der Fahrer und Beifahrer. Die dehydrierten und völlig ausgehungerten Überlebenden wurden zum Teil mit Kohlenmonoxidvergiftungen in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert.

Nach Angaben der bulgarischen Justiz hatten ihre Familien für die erhoffte Passage der Jugendlichen von der Türkei nach Westeuropa mit Hilfe des sogenannten „Hawala-Banking“ pro Passagier zwischen 6.000 bis 7.000 Euro bezahlt. Für den bulgarischen Teilabschnitt hatten die Schlepper zwischen 500 und 1.000 Euro pro Person in Rechnung gestellt. Die Fahrer sollten davon 100 Euro pro Passagier erhalten. Geldgier war laut der Staatsanwaltschaft der Grund, warum statt der 35 über 50 Menschen in den LKW gezwängt wurden.

Geschäfte der Schlepper florieren

In einer gemeinsamen Erklärung haben die UN-Flüchtlingsorganisationen UNHCR und IOM sowie das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Wochenende „schockiert“ auf die jüngsten Todesfälle reagiert – und vor allem für Kinder und minderjährige Migranten auf der Balkanroute einen besseren Schutz gefordert. „Hunderte von Menschen“ seien seit 2014 bei „gefährlichen Transporten“ bereits erstickt, verstorben oder von Frachtwagen oder Zügen überrollt worden.

Die Folgen der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, aber auch das vermehrte Abschieben von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei hat den Flüchtlingsdruck auf die Balkanroute im letzten Jahr erheblich verstärkt. Von den 330.000 illegalen Immigranten, die die EU-Grenzschutzorganisation Frontex 2022 registrierte, reisten 146.000 über die sogenannte Balkanroute ein – gegenüber 2021 eine Steigerung von 136 Prozent.

Die sich ständig ändernde Hauptroute, auf denen die Schlepper ihre Kunden in den Westen zu schleusen versuchen, läuft derzeit von der Türkei über Bulgarien nach Serbien und Ungarn – und von dem Schengenland weiter nach Westen. Mehr Grenzzäune und verschärfte Kontrollen scheinen den Flüchtlingsandrang kaum zu stoppen, sondern allenfalls für Umleitungen der Route zu sorgen – und lassen vor allem die Geschäfte der Schlepper florieren. Letztendlich seien es die Schlepper, die den Routenverlauf bestimmten, berichtet Milica Svabic von der Hilfsorganisation klikAktiv im serbischen Belgrad: „Auf eigene Faust ist – anders als bis vor eineinhalb Jahren – heute fast niemand mehr unterwegs.“