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Brexit-NachwehenDer britische Premier Rishi Sunak strebt Lösung für Nordirland an

Brexit-Nachwehen / Der britische Premier Rishi Sunak strebt Lösung für Nordirland an
Im  Culloden Hotel nahe Belfast sprach der britische Premierminister Rishi Sunak gestern mit den lokalen Parteien über das Nordirland-Protokoll zum Brexit-Vertrag Foto: Paul Faith/AFP

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Mit einem Besuch in Belfast hat Rishi Sunak das größte Wagnis seiner politischen Karriere eingeleitet. Den Vorsitzenden sämtlicher wichtiger Parteien Nordirlands präsentierte der Premierminister am Freitag die Grundzüge einer neuen Vereinbarung mit der EU über den Status des britischen Teils der Grünen Insel.

In Gesprächen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und anderen wichtigen Protagonisten der Brüsseler Gemeinschaft soll übers Wochenende am Rand der Münchner Sicherheitskonferenz der Deal festgeklopft werden. Bis dahin gebe es „noch ein Stück harter Arbeit“, prophezeite Naomi Long von der liberalen Alliance-Partei. Wenige Wochen vor dem 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens über den Frieden in Nordirland wollen London und Brüssel einen Streit beenden, der praktisch am Tag des EU-Austritts der Brexit-Insel vor drei Jahren begann. Er dreht sich um die praktische Anwendung des sogenannten Nordirland-Protokolls, das Teil des Austrittsvertrages war. Das Ziel: die Landgrenze zur Republik im Süden offenhalten, wie von der katholisch-nationalistischen Bevölkerung gefordert, und gleichzeitig die Integrität des Binnenmarktes gewährleisten. Deshalb wurden zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel Zoll- und Einfuhrkontrollen fällig, was die königstreu-protestantischen Unionisten verärgert.

EU-Chefverhandler Maros Sefcovic hat die zunächst allzu kleinlichen Checks nun aufs Mindestmaß verringert. Zukünftig soll es für die Wareneinfuhr nach Nordirland zwei Wege geben: Was für den Verbrauch im britischen Nordosten Irlands gedacht ist, wird nur noch in Sonderfällen kontrolliert. Hingegen bleibt es bei den Kontrollen für Waren, die in die Irische Republik und damit den EU-Binnenmarkt weitergeleitet werden. Zeitnaher Datenaustausch zwischen britischen und europäischen Behörden soll vor allem bewährten und als integer eingestuften Händlern das Leben erleichtern.

Puristen wollen EuGH-Zuständigkeit kippen

Umstritten bleibt das Ausmaß der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs EuGH, der über die Binnenmarkt-Regeln wacht. Diese Einschränkung britischer Souveränität kränkt die Puristen von der unionistischen DUP, die als einzige größere Partei 2016 den Brexit befürwortete und damit eine Minderheitsposition einnahm – 56 Prozent der Nordiren wollten in der EU bleiben. Ein skizzierter Kompromiss könnte darin bestehen, dass bei Streitfragen zunächst nordirische Gerichte zuständig sind. Diese könnten dann entscheiden, ob sie die Meinung des EuGH einholen wollen.

Ob das der DUP reicht? Es gebe Fortschritte, sagte DUP-Chef Jeffrey Donaldson am Freitag, aber: „Wir haben den endgültigen Text noch nicht gesehen.“ Ohnehin habe die Gesprächsrunde mit dem Premierminister nur dazu gedient, spottete Alliance-Boss Long, „um die DUP auf die Realität vorzubereiten: Wir sind nun mal ein besonderer Teil des Vereinigten Königreichs.“

Unverhofften Rückenwind erhielt Sunak diese Woche durch die Nachricht aus einem anderen Teil des Königreichs. Der angekündigte Rücktritt von Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon holt eine der talentiertesten Politikerinnen des Landes, zudem die eloquenteste Befürworterin der schottischen Unabhängigkeit, vom politischen Schachbrett. Zum Scheitern der 52-Jährigen hat Sunak sein Scherflein beigetragen, indem er gegen Sturgeons hochumstrittenes neues Transgender-Gesetz sein Veto einlegte. Anders als von der Nationalpartei SNP erhofft, empfanden die Schotten dies nicht als demokratische Anmaßung des Londoner „Generalgouverneurs“, wie Sturgeon ihr Gegenüber verächtlich titulierte.

Brexit-Hardliner verstecken sich hinter der DUP

Das Vorhaben einer zweiten Volksabstimmung zur Abspaltung von England und Wales ist mit Sturgeons Rückzug keineswegs vom Tisch. Der Regierungschef hat aber ein wenig Spielraum gewonnen, nicht zuletzt in der eigenen Partei, die ihren jungen Vorsitzenden misstrauisch beäugt. Im Kampf um einen pragmatischen Kompromiss über Nordirland muss Sunak weniger neue Finten der EU-Verhandler fürchten als vielmehr die Brexit-Betonköpfe auf den Fraktionshinterbänken, angeführt von Boris Johnson. Sollte sich der Ex-Premier an die Spitze der in der lachhafterweise Europäischen Reformgruppe (ERG) zusammengefassten Hardliner setzen, könnte es für Sunak rasch ungemütlich werden.

Allerdings trifft auf den Chaos-Populisten zu, was auch für dessen bereits heftig agitierenden Ex-Chefverhandler David Frost gilt: Das ursprüngliche Nordirland-Protokoll trägt seine Unterschrift, und sämtliche Hardliner hatten der Vereinbarung im Unterhaus zugestimmt. Vielleicht verstecken sich deshalb die ERG-Vertreter etwas verschämt hinter der DUP: Sollten die beinharten Unionisten dem Deal nicht zustimmen, sei dieser qua Definition gescheitert, heißt es aus der Gruppe, deren einstiger Kopf Steve Baker inzwischen als Nordirland-Staatssekretär fungiert.

Wenn alles nach Plan läuft, will Sunak kommenden Dienstag die neue Vereinbarung vom Kabinett absegnen lassen und anschließend dem Unterhaus vorlegen. Als Belohnung winkt dem Premier die Anerkennung als Bewahrer der Einheit seines Landes. Für die Briten würde die längst fällige Entspannung gegenüber den nächsten Nachbarn und engen Verbündeten die schlimmsten Brexit-Folgen mildern. Beispielsweise könnte Großbritannien doch noch am Horizon-Wissenschaftsprogramm teilnehmen, was Brüssel bisher blockierte.

Grober J-P.
17. Februar 2023 - 23.37

A propos Brexit. Mein Freund Gregory sagte mir Sunak hätte bei seinem Freund Modri nachgefragt ob England eine Chance hätte von Indien als Kolonie aufgenommen zu werden. Über diese Schiene könnte auch mit Wladimir verhandelt werden die NHS zu sanieren. Ist das nicht schön?
Gregory meint auch, dass es dann vorüber wäre mit den teuren Torfbriketts, endlich wieder mal Gas zum Kochen.