Sonntag16. November 2025

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GastronomieWenn Bier nicht gleich Bier ist: Luxemburger Biersommelier Ralph Schmitt im Interview

Gastronomie / Wenn Bier nicht gleich Bier ist: Luxemburger Biersommelier Ralph Schmitt im Interview
Mit Bieren kennt er sich aus: Biersommelier Ralph Schmitt bei der Arbeit Foto: André Feller

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Bier passt nicht nur zu Kochkäse und Bohnensuppe mit Mettwurst. Wieso, erklärt der diplomierte Biersommelier Ralph Schmitt im Tageblatt-Interview. Der Koch aus Kleinbettingen spricht unter anderem über die Kombination von Bier und Wein, die hiesige Bierkultur und über den „Millejang“ aus der Feder von Carlo Schneider.

Tageblatt: Gleich zu Beginn die klassische Frage. Wie kamen Sie eigentlich zu diesem Berufszweig?

Ralph Schmitt: Biersommelier ist ein sehr exotischer Beruf innerhalb des Gastgewerbes. Weltweit gibt es nur um die 6.000 Biersommeliers. Nach dem Abschluss meiner Grundausbildung in Luxemburg zog ich mit meiner Gattin Fabienne nach München, um uns dort weiter zu spezialisieren und an Erfahrung zu gewinnen. Die Wahl für München hatte zwei Gründe: Ich habe eine Vorliebe für bayerisches Bier und bin Fan des FC. Bayern. Während des Praktikums im Augustiner Stammhaus teilten die dortigen Braumeister ihr Wissen mit mir. Wenige Tage später las ich in einem Fachmagazin einen Bericht über Karl Schiffner, den ersten Weltmeister der Biersommeliers. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest: Ich werde Biersommelier und möchte dieses Wissen für unsere gastronomische Zukunft nutzen.

Welches Bier schmeckt Ihnen am besten?

Ich muss gestehen, ich bin ein großer Fan von einfachen, aber guten kleinen und mittelgroßen bayerischen Brauereien.

Welche Bierkultur unterscheidet sich denn die Bierkultur in München von der in Luxemburg?

Wir Luxemburger ärgern uns gerne darüber, dass viele Wirtshäuser in Bayern um 18 Uhr Toresschluss haben. Doch die Häuser in München öffnen schon früh morgens, ab 9 Uhr. Dort gibt es gerne zum Frühschoppen ein Bier. Ab 11 Uhr servieren die Wirte traditionelle Weißwürste und wissen vor allem mit einer Vielfalt von guten Bieren, teilweise vom Holzfass, zu überzeugen. Wenn man den Tag über ein paar Bier getrunken hat, vergeht einem die Lust fürs Bier am Abend von selbst.

In Luxemburg erlebte die Bierkultur im Laufe der Zeit einen Rückgang, das Sortiment schrumpfte erheblich. Jede gute bayerische Brauerei hat auch heute noch eine große Sortenvielfalt, mindestens ein helles, ein dunkles und eine Vielzahl an saisonalen Spezialitäten wie ein Maibock oder ein Bockbier nach Fastnacht.
Hierzulande versuchen in den letzten paar Jahren kleine Brauereien ein erweitertes Sortiment anzubieten.

Wie schaut es mit der Kombination Wein und Bier aus? 

Ich bin Juror in der Austrian Beer Challenge. Dort wird uns zu den Meisterschaften ein Vier-Gänge-Menü serviert, jedes Gericht begleitet von Bier und Wein. Und jedes Mal stellen wir alle fest: Uns wird nicht schlecht. Also ein Mythos. Aber alles ist eine Sache der Dosierung. Geschmacklich passen Bier und Wein sogar sehr gut zueinander. Verschiedene Bieren sind durch einen säuerlichen Charakter geprägt, andere Sorten wiederum durch eine gewisse „Schwere“ oder aber durch einen süßlichen Geschmack. Also eine Geschmacksvielfalt, wie man sie auch in der Önologie kennt.

Die richtige Temperatur treffen: Das ist auch beim Bier wichtig
Die richtige Temperatur treffen: Das ist auch beim Bier wichtig Foto: André Feller

Welche Biersorten können Sie zu Mahlzeiten empfehlen?

Bier passt sehr gut zu Käse, sogar besser als Wein. Auch wenn rote Weine gerne mit Käse serviert werden, so harmoniert diese Kombination nicht. Bier hingegen beeinflusst durch die natürliche Kohlensäure den Genuss von Käse im Positiven. Bei charaktervollen Käsesorten würde ich ein Bockbier, ein Eisbock oder eine Duchesse de Bourgogne aus Belgien empfehlen. Klassiker wären ein dunkles Bier wie ein blauer Chimay zu Schimmelkäse. Bei Wildmenüs auf jeden Fall ein dunkles Bier, bei Fasan einen leichten dunklen Münchener.

Ähnlich wie beim Wein empfiehlt sich bei weißem Fleisch oder Fisch ein leichtes Weizenbier. Fisch verträgt sich sehr gut mit einem Pils, eine „Blonde“ harmoniert wunderbar mit Geflügel. Eine IPA oder Pale Ale würde ein Grillhähnchen mit einer Paprika-Gewürzmischung wunderbar begleiten.

Die richtige Auswahl eines passenden Bieres zu einem bestimmten Gericht ist schwieriger als beim Wein. Und das aus einfachem Grunde: Es gibt wesentlich mehr Biersorten als Weine. Beispielsweise in den hellen Bieren findet man neben den Klassikern verschiedene Spezialitäten wie IPA, Pale Ale, Blonde, Triple aus Belgien, mit oder ohne saisonale Kräuternoten.

Das Bier sollte zur Mahlzeit passen
Das Bier sollte zur Mahlzeit passen Foto: André Feller
Das Fassbier ist wesentlich weniger empfindlich bezüglich Lagerung und Transport, weil kein Licht und kein Sauerstoff durch die Fässer dringen kann. Beim Flaschenbier spielen Lagerung und Transport eine wichtige Rolle, der größte Feind des Biers ist Licht.

Ralph Schmitt, Biersommelier

Und welches Bier gehört in den Kochtopf?

In einem unserer Kurse hat uns einer der Sterneköche seine Experimente mit Malz und später mit einem Malzsud vorgeführt. Dann vermischt sich der Malzgeschmack mit einer süßen Note zu einem prachtvollen Aroma in der Soße. Dunkle Biere geben viel Geschmack auf, ein Pils hingegen ist weniger empfehlenswert aufgrund des bitteren Nachgeschmacks. Dennoch spricht nichts dagegen, Gemüse mit Bier aufzukochen. Sauerkraut mit Bier passt übrigens auch hervorragend.

Schmeckt Bier vom Fass besser als aus der Flasche?

Ich würde behaupten, jedes Gezapfte schmeckt anders, weil jeder Zapfvorgang anders ist. Das Fassbier ist wesentlich weniger empfindlich bezüglich Lagerung und Transport, weil kein Licht und kein Sauerstoff durch die Fässer dringen kann. Beim Flaschenbier spielen Lagerung und Transport eine wichtige Rolle, der größte Feind des Biers ist Licht. Demnach ist die Lagerung wichtig, doch manche Getränkehändler lassen mal gerne ein paar Paletten Bier in der Sonne stehen. Die Biere haben danach einen Lichtgeschmack, wie man ihn von Bieren kennt, die in grünen, lichtdurchlässigen Flaschen abgefüllt werden.

Die Luxemburger Biere von Wolff Brewing
Die Luxemburger Biere von Wolff Brewing Foto: André Feller

Müsste Bier denn nicht in temperaturregulierten Lkws transportiert werden?

Seriöse Händler und Brauer sind im Transport und der Lagerung sehr gewissenhaft. Bei hochwertigen Bieren werden die Transporte gekühlt durchgeführt. Geschäftsvitrinen sind UV-undurchlässig und gekühlt. Das ist aber nicht der Fall bei Massenware, sondern, wie gesagt, nur bei sehr hochwertigen Bieren.

Wie schätzen Sie die Qualität in der Luxemburger Bierszene ein?

Ich mache jetzt nicht gerne Werbung, aber von den größeren Brauereien haben meines Erachtens in Sachen Qualität Simon aus Wiltz und Bofferding die Nase vorn. Wir hatten bis vor kurzem Mousel, und das seit 119 Jahren, von 1900 bis 2019. Die ABInbev-Gruppe möchte die Marke Mousel eh nicht mehr fortsetzen und lieferte nur noch 50-Liter-Fässer. Seither beziehen wir Bier von der Brauerei Simon aus Wiltz, aber ohne an ein Vertragsverhältnis gebunden zu sein.

Solche Konzessionsverträge verstoßen teilweise gegen EU-Recht. Ein Kläger würde vermutlich gegen diese Konzessionsverträge gewinnen, weil sie den freien Handel des Wirtes oder Restaurateurs behindern. Und nicht nur die Geschäfte des Hausherren, sondern auch jene der Konkurrenten, insbesondere der lokalen Mikrobrauereien und somit einer Produktvielfalt.

Das hauseigene Bier von Ralph Schmitt
Das hauseigene Bier von Ralph Schmitt Foto: André Feller

Was halten Sie von Bieren, die mit Likören oder Sirups versetzt sind?

Ich bin kein Fan von diesen Sorten. Dennoch haben Kräuter oder Früchte ihre Berechtigung im Bier, insofern sie als Pflanze oder Pflanzenteil dem Brauprozess zugefügt werden. Bis zum Mittelalter gab es noch keinen Hopfen, stattdessen fanden Kräutermischungen den Weg ins Bier, sogenannten Brutbiere. Biere, die mit Früchten gebraut worden sind lecker, aber Supermarktbiere mit Himbeersirup, die geschmacklich an Limonade erinnern, sind nicht mein Ding.

Bier wird meist kalt getrunken. Gibt es auch Glühbier?

Es gibt, so weit ich im Bilde bin, drei oder vier Brauereien, die eine Art Glühbier anbieten. Das ist Geschmackssache. Man kann solchen Glühbier selbst zubereiten, mit Gewürzen und/oder Orangen. Ich bevorzuge bei meinen Verkostungsabenden die alte Tradition des Bierstachels. Dabei tauche ich ein heißes Eisen in kalten Bier. Vor allem bei kräftigen, dunklen Bieren karamellisiert durch diesen Prozess der Restzucker. Somit entsteht ein einzigartiger und sehr intensiver Geschmack; der Schaum wird ausgesprochen feinporig. Das Bier bleibt im Inneren heiß, außen herum kalt.

Im Restaurant „De Bräiläffel“ kann man auch in die Luxemburger Biergeschichte eintauchen
Im Restaurant „De Bräiläffel“ kann man auch in die Luxemburger Biergeschichte eintauchen

Haben Sie als Biersommelier ein eigenes Hausbier?

Da ich selbst keinen Platz für einen Braukessel habe, arbeite ich mit der „Den Heischter“ aus Heiderscheid zusammen. Dort wird ein exklusives Bier, der Bettener, ein ungefilterter Pils, für unser Restaurant gebraut. Das Etikett stammt aus der Feder des Revue– und Tageblatt-Karikaturisten Carlo Schneider. Mir war es wichtig, eine Kombination zwischen der Bierwelt und dem Wahrzeichen von Kleinbettingen, der Mühle, zu vereinen. Carlo Schneider ist dies mit seiner Darstellung des „Millejang“, der die Bierzutaten zur Mühle bringt, äußerst gut gelungen.

Ist der „Bettener“ im Handel erhältlich?

Nein, nur hier im Restaurant. Wir bieten unser Hausbier aber auch zum Verkauf an.