Das Kurzvideo aus der Ukraine sammelte am Donnerstag in den sozialen Netzwerken viel Lob. Denn die Regierung in Kiew hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, zwischen 7 Uhr in der Früh und 23 Uhr möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Grund sind die über 300 russischen Angriffe in den letzten zehn Tagen gegen die zivile Energieversorgung. Dabei wurden allein am Mittwoch drei Kraftwerke zerstört, obwohl es der ukrainischen Luftabwehr gelungen war, 14 iranische Shahed-136-Drohnen abzuschießen.
Am Donnerstag setzte die russische Armee bei Angriffen auf 25 Städte in der Ost- und auch Westukraine mindestens zehn Shahed-136-Drohnen ein. Die Mehrheit von ihnen startete laut ukrainischen Generalstabsangaben von belarussischem Gebiet.
Iran liefert diese 2021 entwickelten Drohnen offenbar seit August an die russischen Streitkräfte. Laut Wolodymyr Selenskyj soll Russland 2.400 Stück gekauft haben. Der ukrainische Militärgeheimdienst berichtete kürzlich von iranischen Instruktoren auf der 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Laut amerikanischen Geheimdienstangaben ist unklar, ob es sich dabei nur um Schulungspersonal handelt oder die Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden selbst Drohnen auf das ukrainische Festland steuern. Offiziell hat Teheran die Lieferung von Drohnen an die Kriegsparteien in der Ukraine dementiert.
Russland reagierte am Mittwochabend seltsam nervös auf eine UNO-Ankündigung, Experten in die Ukraine entsenden zu wollen, die die abgeschossenen Drohnen untersuchen sollen. Laut UNO-Generalsekretär Antonio Guterres könnte der Iran mit der Lieferung UNO-Sanktionen gebrochen haben. Wenn die UNO an ihrer Kontrollmission in der Ukraine festhalte, müsse Russland seine weitere Zusammenarbeit überdenken, drohte der Kreml. Bisher war es der UNO immer wieder gelungen, Gefangenenaustausche zwischen Kiew und Moskau zu vermitteln. Erst kürzlich kamen dabei über 200 Verteidiger des „Asovstal“-Werks in Mariupol aus russischer Kriegsgefangenschaft frei.
Allein im Oktober seien 233 Drohnen des Typs Schahed-136 abgeschossen worden, berichtete Staatspräsident Selenskyj in seiner allabendlichen Ansprache an die Nation in der Nacht zum Donnerstag. „Wir werden alles tun, um die normale Energieversorgung unseres Landes wiederherzustellen“, versprach er, „aber es braucht Zeit und unsere gemeinsamen Anstrengungen.“
Aufruf zum Energiesparen
Laut Selenskyj ist es den Russen in den vergangenen zehn Tagen gelungen, rund 30 Prozent der Kraftwerke zu zerstören und rund 40 Prozent der gesamten Energie-Infrastruktur zu beschädigen. Die Behörden haben deshalb die Bevölkerung dazu aufgerufen, möglichst viel Energie zu sparen. Landesweit gestaffelt sollte am Donnerstag das ganze Stromnetz für jeweils vier Stunden ausgeschaltet werden. In der Hauptstadt Kiew sprach der staatliche Stromlieferant Ukrenergo von möglicherweise zwei Lieferstopps. Sie sollen straßenweise erfolgen, nicht in der ganzen Stadt auf einmal. „Wir schließen nicht aus, dass wir mit dem Einsetzen der Kälte öfter um Ihre Hilfe bitten werden“, hieß es bei Ukrenergo. Laut dem Kiewer Rathaus wurden am Donnerstag alle Trolleybusse durch Dieselbusse ersetzt.
Weit schlimmer traf es am Donnerstag die nordukrainische Obast Sumy. Dort wurde tagsüber die wegen der Pumpstationen ebenfalls auf Elektrizität angewiesene Wasserversorgung unterbrochen. Die Straßenbeleuchtung wurde abgeschaltet, elektrische Transportmittel wie Züge, Trams und Trolleybusse verkehrten nicht mehr.
Laut Energieminister Herman Haluschtschenko rechnet die Regierung mit rund 20 Prozent weniger Stromverbrauch durch freiwillige Einschränkungen. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, komme es zu mehr Lieferstopps, warnte der Minister am Donnerstag.
De Maart
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