Alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Der ehemalige Grünen-Vorsitzende hat sich in den vergangenen sechs Jahren als Politiker mit den höchsten Popularitätswerten etabliert. Das lag nicht – wie bei ebenfalls populär gewesenen Vorgängern – so sehr an einer tagespolitischen Absenz des über dem parteipolitischen Hickhack stehenden Ersatzkaisers. Zwar vermied auch Van der Bellen jede Einmischung ins Regierungsgeschäft, dennoch stand er wie kein Bundespräsident vor ihm im Rampenlicht.
Österreich laboriert noch immer an den Folgen des im Mai 2019 geplatzten Ibiza-Skandals um einen FPÖ-Chef, der bei einem geheim aufgezeichneten Treffen mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte seinen Korruptionsfantasien freien Lauf ließ. In der Folge stürzte die ÖVP-FPÖ-Regierung, koalierte Kanzler Sebastian Kurz nach dem ÖVP-Wahlsieg mit den Grünen, ehe er durch im Zuge der Ibiza-Ermittlungen sichergestellte Handychats aus der Bahn geworfen wurde und vor einem Jahr an Alexander Schallenberg übergeben musste, welcher kurz darauf Platz für den nunmehrigen Kanzler Karl Nehammer machte. In diesen turbulenten Jahren kam dem Bundespräsidenten eine tragende Rolle zu. Als Krisenmanager agierte er nicht nur souverän, sondern bildete in einer hochdramatischen, viele auch irritierenden Phase einen Ruhepol.
Den Dank dafür erntete VdB an diesem Sonntag: Mit 56 Prozent der Stimmen war gleich nach der ersten Hochrechnung um 17 Uhr klar, dass die sechs Herausforderer ihr gemeinsames Ziel, Van der Bellen in eine Stichwahl zu zwingen, verfehlt hatten. Das Endergebnis kann sich nach der heute beginnenden Auszählung der Briefwahlstimmen zwar noch leicht ändern, ein Wahlkrimi wie 2016 ist jedoch auszuschließen. Damals hatte VdB die Stichwahl gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer mit 50,3 zu 47,9 Prozent so knapp gewonnen, dass die FPÖ auf eine – wegen tatsächlicher Mängel im Wahlprocedere erfolgreiche – Anfechtung setzte. Erst sieben Monate nach dem ersten Wahlgang eroberte der Ex-Grüne in der wiederholten Stichwahl mit 53,8 Prozent die Hofburg.
Obwohl nun so viele Herausforderer wie noch nie dem Amtsinhaber die Hofburg streitig machten, legt dieser sogar noch ein wenig zu. Nicht nur grüne, auch bürgerliche und sozialdemokratische Wähler fühlten sich von Van der Bellen angesprochen, weshalb ÖVP und SPÖ sowie die liberale Neos-Partei gar nicht erst einen Kandidaten gegen den Amtsinhaber ins Rennen schickten.
Zersplitterte Rechte
Die FPÖ hatte als einzige Parlamentspartei mit Walter Rosenkranz einen Präsidentschaftskandidaten nominiert. Der im Gegensatz zum brachial-populistischen FPÖ-Chef Herbert Kickl besonnen auftretende Volksanwalt musste sich allerdings mit 17,9 Prozent begnügen, deutlich weniger als die FPÖ derzeit in den Umfragen auf die Waage bringt. Das liegt jedoch nicht etwa an einem Schrumpfen des rechten Lagers, sondern an dessen Zersplitterung. Neben Rosenkranz fischten der EU-kritische, von der einflussreichen Kronen Zeitung unterstützte Anwalt und Kolumnist Tassilo Wallentin sowie der Ex-FPÖ-Politiker Gerald Grosz und der Gründer der Impfgegnerpartei MFG, Michael Brunner, im FPÖ-Wählerteich. Wallentin kam auf 8,3, Grosz auf 5,6, Brunner nur auf 2,2 Prozent. Da heißt: Insgesamt kam das rechte Lager am Sonntag auf deutlich über 30 Prozent, was auch erklärt, dass die FPÖ mit dem Ergebnis ihres Kandidaten durchaus zufrieden ist. Denn Grosz hat bereits klargestellt, auch künftig nicht mehr parteipolitisch aktiv sein zu wollen. Und Brunners MFG ist hauptsächlich mit internen Streitigkeiten beschäftigt.
Von einem unterlegenen Kandidaten könnte man allerdings künftig noch mehr hören: Dominik Wlazny, mit 35 Jahren bisher jüngster Präsidentschaftskandidat, hat mit 8,4 Prozent und praktisch null Wahlkampffinanzen wahrscheinlich Platz drei erobert. Der Arzt, Rockmusiker und Gründer der ursprünglich nur als Satireprojekt für Wiener Wahlen gedachte „Bierpartei“ hat sich als ernstzunehmender Newcomer etabliert. Er spricht junges, urbanes Publikum an und kommt dabei ohne jeglichen Populismus aus.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können