Samstag25. Oktober 2025

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Informeller EU-Gipfel„Was Deutschland macht, ist richtig“ – Streit über eine Deckelung der Gaspreise

Informeller EU-Gipfel / „Was Deutschland macht, ist richtig“ – Streit über eine Deckelung der Gaspreise
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz wurde für das sogenannte Familienfoto in die hinterste Reihe platziert. Die Mienen seiner unmittelbaren Nachbarn, inklusive Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel, sprechen für sich. Foto: Petr David Josek/AP/dpa

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Gerade noch haben die EU-Verantwortlichen ihr Signal der Einigkeit gegen Putins Krieg gefeiert, da scheitern sie bei dem Versuch, Einvernehmen über den Umgang mit der Energiepreisexplosion zu finden. Im Mittelpunkt der Kritik: Deutschland.

An den Anfang des EU-Gipfeltages stellt der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Freitag ganz bewusst den Schulterschluss. Er kommt nicht alleine über den roten Teppich zur Prager Burg, sondern zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte. Die drei haben sich gerade zusammen darum bemüht, eine europäische „Leerstelle“ zu schließen: eine europäische Denkfabrik auf den Weg zu bringen. Diese könnte sich dann als Erstes damit befassen, wie es einem einzelnen EU-Gipfelteilnehmer gelingt, die meisten anderen gegen sich aufzubringen. Scholz hat es geschafft.

Das zeigt sich bereits wenig später auf dem offiziellen Gruppenbild. Der Deutsche, mit 170 Zentimetern ohnehin nicht zu den körperlich herausragenden Politikern zu zählen, ist in der letzten Reihe gelandet, verschwindet fast aus der Wahrnehmung wichtiger Europäer. Es kann auch als Symbolbild für diesen Gipfel dienen, in dessen Vorfeld sich viele andere Nationen bereits auf das 200-Milliarden-„Doppelwumms“-Projekt von Scholz einschossen. Der für seine Alleingänge berüchtigte ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán fasste die Stimmung unter den Kollegen sehr schnell auf und rief die Kommission auf, schnellstmöglich gegen Deutschland vorzugehen, um ein Auseinanderbrechen der Union zu verhindern.

Kurz vor Beginn des informellen Gipfels stellte sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Seite der Kritiker und betonte, dass Wettbewerb „nur durch Qualität, nie durch Subventionen“ geschehen dürfe. Denn das ist die übereinstimmend verbreitete Befürchtung: Wenn Deutschland mit seinen 200 Milliarden nicht nur deutschen Familien, sondern auch deutschen Firmen in der Krise unter die Arme greift, bedeutet das automatisch einen Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen in den kleineren Staaten, die sich solche Summen bei weitem nicht leisten können.

Luxemburg unterstützt Gaspreisdeckel

Sie erhöhen den Druck auf Deutschland, um bei Scholz den Widerstand gegen einen europäischen Gaspreisdeckel zu brechen. Scholz will da nicht ran. Er wiederholt bei den internen Beratungen immer wieder das doppelte Ziel: Erstens müssen die Energiepreise runter, aber zweitens darf dabei die Versorgungsicherheit nicht gefährdet werden. Aus seiner Sicht droht ein Engpass in der EU, wenn die verbliebenen Lieferanten anderswo mehr für ihr Gas bekommen. Deshalb müsse mehr mit Lieferländern wie den USA und Norwegen gesprochen werden. Intensiv haben die deutschen Diplomaten im Vorfeld versucht, den Ansatz des 200-Milliarden-Pakets den Partnern zu vermitteln. Es sei kein „Doppelwumms“ für jetzt, sondern für 2022, 2023 und 2024. Das relativiere die Summe doch erheblich. Und es würde auch nur ein Grundverbrauch bezahlbar gehalten, kein Spitzenverbrauch.

Allein, die Botschaft scheint beim Gipfel in Prag noch keine Wirkung entfaltet zu haben. Auf dem Tisch liegt bereits ein gemeinsamer Vorschlag von Polen, Italien und Griechenland, die einen „dynamischen Preiskorridor“ für Gas in der EU einführen wollen. Beim Reingehen markiert Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins vor den Kameras: „Es wäre großartig, wenn eine Preisobergrenze für Gas erreicht werden könnte.“ Und drinnen legt sich auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die traditionell das erste Wort hat, glasklar fest. Sie bezeichnet den Gaspreisdeckel als „zwingend“. Die Deckelung des Gaspreises wird auch von Luxemburg unterstützt.

600 Milliarden Euro noch nicht abgerufen

Nach dem Gipfel nimmt Scholz das Wort „Gaspreisdeckel“ nicht einmal in den Mund. Er spricht lediglich von „Ideen“, die „sehr vielfältig“ seien. Das alles müsse nun durchgerechnet und geprüft werden, bevor es erst beim nächsten Gipfel in Brüssel in zwei Wochen – vielleicht – zu Entscheidungen komme.

Nur bei seinem 200-Milliarden-„Doppelwumms“ bleibt der Kanzler eisern. „Was Deutschland macht, ist richtig“, sagt er am Gipfel-Ende fast trotzig. Es passe sich ein in das, was andere Staaten schon gemacht hätten oder gerade vorbereiteten. „Doppelwumms“ nennt er es allerdings nicht mehr, sondern „Schutzschirm“ – für die Privathaushalte und die Unternehmen in Deutschland. Als Land mit der geringsten Schuldenquote habe Deutschland auch die Möglichkeit, das zu machen. Aber aus dem Corona-Wiederaufbaufonds seien auch noch 600 Milliarden Euro nicht abgerufener Mittel da, meint Scholz, und will damit den Hinweis geben, dass auch die EU noch über erhebliche finanzielle Reserven verfüge, um gegen die Auswirkungen der Energiekrise vorgehen zu können.

Gerne fasst Scholz die beiden Treffen zusammen. Die Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft mit 44 Nationen am Vortag und den informellen Gipfel. Es sei das Prager Signal an Putin, dass Europa seine Scheinreferenden und Annexionen niemals anerkennen und immer fest an der Seite der Ukraine stehen werde. Wie die Unterstützung noch verstärkt werden könne, sei auch in Prag erneut Thema gewesen. Dazu hatte Metsola die Forderung nach Lieferung von Kampfpanzern wie den deutschen Leopard-2-Modellen in den Raum gestellt. Scholz geht darauf nicht ein, kündigt dafür eine europäische Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten an, an der sich Deutschland beteiligen werde.