Kapitalspritze oder Insolvenz?

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Geht es Praktiker wie Schlecker? Die Baumarktkette mit dem Billig-Image steht auf der Kippe - glaubt man dem Vorstand. Er wirbt bei den Aktionären um Zustimmung für ein Rettungspaket. Die fühlen sich in die Enge getrieben.

Die Schieflage der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker scheint wesentlich ernster als bislang bekannt. Auf der Hauptversammlung sprach die Unternehmensführung am Mittwoch in Hamburg offen von der Gefahr der Insolvenz, sollte das von ihr erarbeitete Rettungskonzept nicht die Zustimmung der Aktionäre erhalten. Die Anteilseigner reagierten aufgebracht, warfen dem Management Erpressung vor und stellten Rücktrittsforderungen.

Der Schlagabtausch bei der Hauptversammlung zog sich bis in den Abend hin, ohne dass eine Abstimmung zu einer dringend benötigten Finanzspritze absehbar war. Die Heimwerkermärkte brauchen nach Angaben des Vorstands eine Kapitalspritze von mehr als 200 Millionen Euro – sonst droht die Insolvenz. Vorstandschef Kay Hafner warb eindringlich um Zustimmung für sein Rettungspaket. „Es geht um die Zukunft, oder noch konkreter: Es geht ums Überleben“, sagte Hafner.

Rücktrittsforderungen

Wegen des Drucks und der Drohkulisse sprachen Aktionäre von Erpressung, allen voran die Vertreterin der beiden Großaktionäre, Isabella de Krassny. Sie bezeichnete das Sanierungskonzept als inakzeptabel und skandalös und skizzierte einen Gegenentwurf. Wie sie forderten Anteilseigner den Rücktritt des Aufsichtsrats – und auch des Vorstands, unter anderem wegen Missmanagement, Planlosigkeit, ungenügender Informationen, mangelnder Transparenz.

Praktiker-Finanzvorstand Markus Schürholz verschärfte das Insolvenz-Szenario vor den Aktionären: Lehnten sie den geplanten Sanierungskurs ab, sehe er keine Alternative, sagte Schürholz. „Praktiker wäre in diesem Fall unmittelbar von der Insolvenz bedroht. Der Wert der Aktie würde wohl gegen Null sinken.“ Der Kurs des SDAX-Unternehmens brach am Mittwoch zeitweise um mehr als 9,0 Prozent ein. Mehrmals wollten Aktionäre wissen, wann genau die Insolvenz bevorstünde.

„Vorstand versteht nichts vom Geschäft“

„Wir lassen uns nicht erpressen“, rief die österreichische Fondsmanagerin Isabella de Krassny. „Es ist grob fahrlässig, dass wir seit einem Jahr keinen Vorstand haben, der etwas vom Geschäft versteht.“ Praktiker hatte 2011 eine halbe Milliarde Euro Verlust geschrieben. Die Managerin vertritt den zypriotischen Finanzfonds Maseltov (10 Prozent Anteil) sowie die österreichische Privatbank Semper Constantia mit rund 5,0 Prozent Anteil.

Bei der Hauptversammlung waren 26,9 Prozent des Grundkapitals vertreten. „Angesichts dieser geringen Präsenz haben wir großen Einfluss“, sagte de Krassny. Sie vertrat folglich die Stimmen-Mehrheit. „Wir verlangen zumindest den Rücktritt des Kontrollgremiums.“ Den Abtritt der kompletten Führungsriegen verlangte auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Sie können es nicht“, polterte SdK-Vorstandsmitglied Markus Neumann. Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) verwies Dirk Unrau darauf: „Sie haben das Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht, und gewiss nicht die Aktionäre.“

Märkte mit neuem Namen

Vorstandschef Hafner plant, 120 der 234 Praktiker-Märkte auf die angesehenere Schwestermarke Max Bahr umzuflaggen. Max Bahr (aktuell 78 Filialen) solle zur „Hauptvertriebslinie in Deutschland“ weiterentwickelt werden, erklärte Hafner. Auch die Marke Praktiker solle – mit der Strategie „Weg vom Preisaktionismus“ hin zum «dauerhaft niedrigen Regalpreis» – zukunftsfähig werden. Sie ist wegen einer verfehlten Rabattstrategie mit Slogans wie „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“ ins Straucheln geraten.

Fondsmanagerin de Krassny stellte einen Gegenentwurf zum Sanierungskonzept vor. Die von ihr vertretenen Großaktionäre wollten das Unternehmen als Ganzes voranbringen – mit ihrem Management und Kapital. 55 Millionen Euro hätte sie zur Verfügung, die weiteren 30 Millionen ließen sich auch noch aufbringen, sagte de Krassny. Der US-Fonds Anchorage Capital Europe will 85 Millionen Euro als Darlehen bereitstellen, aber nur nach einer Kapitalerhöhung von 60 Millionen Euro. Dies würde den Aktienwert noch weiter verwässern. Außerdem könnte Anchorage Zugriff auf die Perle des Konzerns bekommen, die höherpreisige Baumarktkette Max Bahr. Ihr Wert wird auf 112 Millionen Euro taxiert.

2014 wieder in die schwarzen Zahlen

In die Finanzierung der Sanierung hat der Vorstand auch 70 Millionen Euro eingerechnet, die aus Veräußerungen sowie einer Kreditlinie über 40 Millionen Euro kommen sollen. Spätestens 2014 will Hafner mit der Zwei-Marken-Strategie wieder schwarze Zahlen schreiben.

Aktuell hat Praktiker rund 7700 Arbeitsplätze, Max Bahr knapp 2900. Rund 8300 kommen im Ausland hinzu, wo 111 Filialen ebenfalls auf den Prüfstand stehen. Derzeit verlegt das Unternehmen seinen Firmensitz von Kirkel im Saarland nach Hamburg. Dieser Umzug soll im September abgeschlossen sein.

Die Kette betreibt unter dem Namen „Bâtiself“ auch drei Geschäfte in Luxemburg: In Ingeldorf, in Strassen und in Foetz.