RWE steht vor Gericht, weil in Peru ein Gletscher schmilzt

RWE steht vor Gericht, weil in Peru ein Gletscher schmilzt

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Der deutsche Energiekonzern RWE soll sich vor dem Oberlandesgericht in Hamm (Deutschland) dafür verantworten, dass in Peru ein Gletscher schmilzt. Das Gericht ordnete eine ausführliche Beweiserhebung an, heißt es in einer umfangreichen Mitteilung, die der Redaktion vorliegt.

Der Kläger Saul Luciano Lliuya wird RWE vor Gericht ziehen

Saul Luciano Lliuya ist Landwirt in den Anden von Peru. Sein Dorf Huaraz wird von den eiskalten Wassern des Sees Palcacochale bedroht. Und nicht nur das. Tritt der See über seine Ufer, dann überschwemmt er auch die Hauptstadt der peruanischen Provinz Ancash mit ihren 50.000 Einwohnern, etwa 450 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lima. Das Drama, das Lliuya befürchtet, spielt sich in einer Höhe von 3.000 Metern ab. Hier liegt der Gletscher Churup, der sein Schmelzwasser in den See ergießt.

Der Gletscher schmilzt immer schneller, gibt immer mehr Wasser in den See. Schuld daran, so der Landwirt, ist unter anderem RWE. Der Essener Stromkonzern produziert Elektrizität mit Kohle- und Braunkohlekraftwerken. Die von ihnen ausgestoßenen Kohlendioxide sollen in den Anden mit daran beteiligt sein, dass der Gletscher Churup hinwegschmilzt.
Peru will seine Provinzhauptstadt und den Besitz von Lliuya und anderen Landwirten schützen und plant den Bau eines Staudammes.

Unterstützung von Germanwatch

RWE soll sich an den Kosten als Wiedergutmachung beteiligen und auch die Kosten in Höhe von 6.300 Euro übernehmen, die Lliuja bisher aufgewendet hat, um seinen Besitz vor den befürchteten Wassermassen des Sees Palcacochale zu schützen. Der Gemeindeverband von Huaraz würde seine Kosten in Höhe von 17.000 Euro auch gerne ersetzt haben. An den Staudammkosten soll sich RWE mit 70.000 Euro beteiligen. Das entspricht 0,47 Prozent der Baukosten. Mit 0,47 Prozent, so Lliuja vor dem Oberlandesgericht in Hamm, sei RWE auch an der Aufheizung der Atmosphäre im 10.000 Kilometer entfernten Peru beteiligt, die zum schnelleren Abschmelzen des Gletschers führt.

Nun steht Lliuya nicht alleine als Kläger vor den Richtern in Hamm. Die Nichtregierungsorganisation Germanwatch hat die Auswirkungen berechnet und unterstützt den peruanischen Landwirt in seinen Bestrebungen, RWE verurteilen zu lassen. Eine erste Klage hatte das Landgericht Essen im vergangenen Jahr abgewiesen. Das Oberlandesgericht in Hamm sah das anders. Die Richter nahmen die Klage an und beschlossen ein umfangreiches Beweisverfahren.

Ist die Mitverantwortung messbar?

Zu beweisen ist: Besteht eine Bedrohung des Besitzes von Saul Luciano Lliuya durch das Abschmelzen des Gletschers? Entsteht eine Verdichtung des Atmosphäre durch das freigesetzte Kohlenstoffdioxid der RWE? Hat die Verdichtung der Treibhausgasmoleküle eine Verringerung der globalen Wärmeabstrahlung zur Folge? Schmilzt der Gletscher schneller infolge des Klimawandels, füllt sich deswegen der See und gibt es deswegen Gefahr für Habe und Leben der unterhalb des Sees lebenden Menschen? Ist die Mitverantwortung der Beklagten (RWE) messbar und berechenbar? Beträgt sie 0,47 Prozent? Gibt es Abweichungen von den vorgelegten Berechnungen?

Der fünfte Senat des mit über 900 Mitarbeitern größten Oberlandesgerichtes in Deutschland geht damit die Sachlage so gründlich an, dass er sich offenbar auf ein Grundsatzverfahren vorbereitet. Kommt es dazu, muss auch mit einem weiteren Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gerechnet werden.

Da es sich um ein Zivilverfahren handelt, müssen die Parteien ihre Kosten zunächst selbst tragen. Die Gesamtkosten können später dem Verlierer des Prozesses angelastet werden. Das Gericht verfügt, dass Sachverständige sich mit den Fragen beschäftigen sollen. Die Sachverständigen sollen in Übereinkunft zwischen dem Gericht und den Parteien benannt werden. Vorschusskosten haben die Richter auch schon festgelegt. Saul Luciano Lliuya muss 20.000 Euro vorab bezahlen. Tut er das nicht, findet das Verfahren nicht statt. Es ist davon auszugehen, dass er das Geld nicht hat. Wer für ihn bezahlen wird, ist nicht bekannt. RWE hat Verständnis für die Sorgen des peruanischen Landwirtes geäußert, sieht sich aber nicht in der Verantwortung.