Mehr Privates, weniger News

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Von unserem Korrespondenten John Dyer

Facebook wird die Inhalte seiner Seite neu strukturieren. Künftig sollen Nutzer stärker miteinander kommunizieren, die Information durch Nachrichten wird in den Hintergrund treten. Das soziale Netzwerk war zuletzt stark in die Kritik geraten und hat Nutzer verloren.

Facebook reagiert auf die harsche Kritik der vergangenen Monate. Das soziale Netzwerk hat die erste einer Reihe von Änderungen bekannt gemacht, die in den kommenden Monaten erfolgen sollen. So sollen die Nutzer in Zukunft über die sogenannten News Feeds verstärkt auf Inhalte aufmerksam gemacht werden, die von ihren Facebook-Freunden veröffentlicht wurden, statt auf Mitteilungen von Medien und kommerzielle Inhalte, wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Donnerstag erklärte.

„Videos und andere öffentliche Inhalte sind in den vergangenen Jahren auf Facebook regelrecht explodiert“, sagte Zuckerberg. „Da es mehr öffentliche Inhalte als Posts von Freunden und Familie gibt, hat sich das Gleichgewicht der News Feeds verändert – zu Lasten von dem Wichtigsten, was Facebook tun kann – nämlich dabei zu helfen, Kontakte herzustellen.“

Durch die Entscheidung sei es möglich, dass die Nutzer weniger Zeit mit Facebook verbringen, erklärte Zuckerberg. Doch langfristig würden sowohl die Nutzer als auch Facebook davon profitieren. Laut des Unternehmens wird die Werbung nicht von der Änderung beeinflusst.

In die Kritik geraten

US-Behörden hatten im vergangenen Jahr enthüllt, dass Russen, die wahrscheinlich für den Kreml gearbeitet hätten, während des Wahlkampfs 2016 Anzeigen platziert hätten, welche die politische Führung der USA bei den Nutzern diskreditieren sollten. Im November erklärten Kongressabgeordnete, dass die Anzeigen in Rubel bezahlt worden seien, bei Facebook habe aber trotzdem niemand Fragen gestellt.

Zudem haben zwei Studien zu Kritik an Facebook geführt, da darin eine Verbindung zwischen der Nutzung des sozialen Netzwerkes und Selbstmorden von Jugendlichen gezogen wurde. Im Oktober veröffentlichte Common Sense Media Daten, nach denen amerikanische Jugendliche täglich 6,5 Stunden mit ihrem Smartphone, Tablet oder Computer verbringen. Zuvor hatte die Behörde Zentren für Gesundheitskontrolle und Prävention erklärt, dass sich die Selbstmordrate bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren verdoppelt und bei Jungen desselben Alters um ein Drittel erhöht habe. Als Gründe wurden unter anderem Anfeindungen und Einsamkeit ausgemacht. Ehemalige Führungskräfte von Facebook haben in den vergangenen Monaten eingeräumt, dass das soziale Netzwerk Nutzer wissentlich in die Abhängigkeit treibt, um sie als Kunden zu behalten.

Ein weiterer Vorwurf an Facebook beruht auf Forschungen, nach denen Nutzer bereits bestehende Vorurteile festigen, indem sie lediglich Inhalte konsumieren, die ihnen zusagen, eine herausfordernde Auseinandersetzung jedoch scheuen.

Der für die News Feeds zuständige Facebook-Vizepräsident Adam Mosseri sagte gegenüber CNN, dass die Neuausrichtung dem entgegenwirken würde. Nutzer würden eine bestimmte Publikation bevorzugen, weil sie deren vertretene Meinung teilen würden. „Aber einen Freund wählt man aus ganz anderen Gründen.“ Durch die neue Fokussierung auf Inhalte von Freunden würde auch der News Feed profitieren, da er dadurch ausgewogener werde. Facebook hat aktuell zwei Milliarden Nutzer monatlich. Die in den zwölf Monaten zwischen September 2016 und August 2017 generierten Einnahmen von 36 Milliarden Dollar (30 Milliarden Euro) stammen hauptsächlich aus Werbung. Doch in jüngster Zeit hat Facebook Nutzer verloren, über die Ursache wird noch gerätselt. Analyst Brian Wieser von Pivotal Research hält die nun beschlossene Änderung daher auch nicht für so großherzig, wie Zuckerberg der Öffentlichkeit glauben machen wolle. „Facebook reagiert auf einen Rückgang der Nutzung, das Unternehmen will nicht zu einer reduzierten Nutzung anregen.“