Streit um Danziger Museum kommt vor Straßburger Richter

Streit um Danziger Museum kommt vor Straßburger Richter

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Der Streit um das Museum zum Zweiten Weltkrieg in Danzig kommt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Sein ehemaliger Direktor sieht seine Autorenrechte gefährdet. Doch eigentlich geht es um die Bewertung der polnischen Geschichte.

Pawel Machcewicz sieht durch Veränderungen in der Hauptausstellung des Museums zum Zweiten Weltkrieg in Danzig seine Autorenrechte verletzt. Nun will der ehemalige Direktor des Museums vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg klagen. Das meldet die Warschauer Zeitung Gazeta Wyborcza.

Kommunistische Partisanen unerwünscht

So wurde die Anzahl der kommunistischen sowjetischen Partisanen in einer Ausstellung herausradiert. Sie war mit 400.000 bis 500.000 Teilnehmern angegeben – vermutlich zu hoch für die neue Museumsleitung. Auch wurden Angaben zum Partisanenkampf in Jugoslawien verändert.

Machcewicz, der ehemalige Direktor des Museums, stört sich auch an Löchern in der Ausstellung, die den Blick auf Irena Sendler und Wladyslaw Bartoszewski unterstreichen sollen. Beide waren bei der Rettung von Juden während des Zweiten Weltkriegs aktiv – derzeit ein wichtiges Thema für die polnische Regierung, die sich gerade mit Israel über den richtigen Umgang mit der Geschichte streitet. Machcewicz spricht bei den Löchern von „Vandalismus“ und „pseudopatriotischem Klischee“.

Mit Trick entmachtet

Machcewicz war 2008 von der damals regierenden Bürgerplattform (PO) mit der Ausrichtung des Museums betraut worden und hatte das Museum im Frühjahr 2017 eröffnet. Sein Museum wurde dann aber mit der Gedenkstätte Westerplatte vereint, Machcewicz wurde überflüssig. Der 51-jährige Historiker hat bereits vor einem polnischen Verwaltungsgericht gegen die Verletzung seiner Autorenrechte geklagt. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig, so dass Machcewicz nur der Weg nach Straßburg bleibt.

Doch ist es fraglich, ob sich Warschau einem Urteil aus Straßburg beugen wird. Die Regierung unter Mateusz Morawiecki will die Deutungshoheit über die polnische Geschichte auf vielen Feldern durchsetzen. Dies zeigt sich auch in dem Konflikt um das umstrittene „Holocaustgesetz“. Danach steht unter anderem die Behauptung unter Strafe, das polnische Volk trage eine Mitschuld an Naziverbrechen. Die israelische Öffentlichkeit wirft Polen vor, ein Berichten über polnische Kollaboration verhindern zu wollen.

Polnische Retter von Juden im Blick

Karol Nawrocki, der neue Direktor des Museums, soll nun das Museum patriotischer gestalten. Bezeichnenderweise wurde die Hauptausstellung um die Geschichte der Familie Ulma erweitert. Die polnischen Bauern versteckten im ostpolnischen Dorf Markowa mehrere Juden und wurden dafür 1944 von der deutschen Ordnungspolizei erschossen. „Die Bereitschaft der Polen zu zeigen, sich auch für andere Völker im Kampf mit dem Bösen aufzuopfern“, ist nach den Worten von Direktor Karol Nawrocki eine wichtige Mission des Museums. Er verweist darauf, dass 6.532 polnische Staatsbürger die Ehrung „Gerechter unter den Völkern“ erhalten haben, die größte nationale Gruppe. Die Auszeichnung der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem ehrt Menschen, die sich an der Rettung von Juden vor dem Holocaust beteiligt haben.

Die Museumsleitung unter Nawrocki plant auch einen monumentalen Gedenkbau auf der Halbinsel Westerplatte. Der Beschuss eines dortigen polnischen Munitionsdepots durch das deutsche Schiff „Schleswig Holstein“ gilt in Polen als die erste Kampfhandlung des Zweiten Weltkriegs. Die Stadt Danzig, die vom Liberalen Pawel Adamowicz regiert wird, sträubt sich aber gegen das Projekt.