Jean und Valéry, Gaston und Raymond

Jean und Valéry, Gaston und Raymond

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Montag beginnt die Staatsvisite in Frankreich. Die letzte offizielle reicht schon länger zurück. Vor fast 40 Jahren besuchte das großherzogliche Paar Jean und Joséphine-Charlotte das französische Präsidentenpaar Valéry und Anne-Aymone Giscard d’Estaing. Die Parallele zu heute: Auch damals hatte Luxemburg einen DP-Staatsminister.

Zufälle gibt’s für den, der dran glauben mag. Knapp 40 Jahre nach der letzten offiziellen Staatsvisite in Frankreich vom September 1978 ist es wieder so weit. Doch werden am Montag kein Großherzog Jean und keine Großherzogin Joséphine-Charlotte von einem französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing und seiner Frau Anne-Aymone empfangen. Es sind heute die großherzoglichen Nachfolger Henri und Maria Teresa, die vom französischen Präsidentenpaar Emmanuel und Brigitte Macron mit allen Ehren begrüßt werden. Während damals ein luxemburgischer Premierminister Gaston Thorn seinen französischen Amtskollegen Raymond Barre traf, unterhalten sich ab Montag in Paris Xavier Bettel und Edouard Philippe.

Die Parallele aber bleibt: Die beiden letzten Staatsvisiten zum Nachbarn, der mehr als nur ein Nachbar ist, fallen in diese politische Ausnahmeerscheinung Luxemburgs einer Regierung ohne Beteiligung der CSV. Während das Großherzogtum damals von einer DP-LSAP-Koalition regiert wurde, ist es dieses Mal am Dreierbündnis aus DP, LSAP und Grünen, die Bande mit Frankreich zu festigen.

Die Sonne schien über Paris an diesem 18. September vor fast 40 Jahren. Valéry Giscard d’Estaing lobte die Gäste in seiner Ansprache als „gleichwertige Partner“. Zu dem Zeitpunkt, da „Europa einen entscheidenden Schritt vorbereite“, müssten Luxemburger und Franzosen „mehr denn je zusammenhalten“. Mit dem Schritt waren die geplanten Beitritte von Griechenland, Spanien und Portugal gemeint, die dann doch noch ein paar Jahre auf sich warten ließen. Nicht zu vergessen in dem Kontext ist die damalige Diskussion um den Standort für das Europäische Parlament, für den sich Luxemburg beworben hatte und damit in Konkurrenz zu Frankreich stand.

Europa, Atom und Stahl

„Die nächsten Etappen des Ausbaus Europas“ standen am zweiten Tag des Staatsbesuches im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Gaston Thorn und Raymond Barre. Da an diesem Bündnis auch heute ordentlich geschraubt wird, nur nicht alle derselben Meinung sind, welche Schrauben wie fest angezogen werden sollen, werden auch kontroverse Diskussionen zu diesem Thema in diesem Jahr nicht fehlen. Barre meinte damals, in unmittelbarer Zukunft böten sich beiden Ländern „Perspektiven enger Abstimmung, vor allem in den Bereichen der Stahlindustrie (das große damalige Sorgenkind, Anm.) und der Energie im Zusammenhang mit den geplanten Mosel-Kraftwerken“. Cattenom qualmt seit Mitte der 80er Jahre nach Luxemburg hinüber – so viel zur damals verlautbarten „engen Abstimmung“ – und dürfte auch bei der diesjährigen Visite wieder Thema sein.

Trotzdem sollte das Politische bei einer solchen Staatsvisite nicht überbewertet werden. Das war auch damals schon der Fall. Zumindest drang aus den Vier-Augen-Gesprächen der Politiker kaum etwas nach außen. Vielmehr ging und geht es darum, die nachbarschaftlichen und vor allem freundschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Oder wie Danièle Fonck damals über die Staatsvisite von Paris aus für das Tageblatt schlussfolgernd schrieb: „Dès lors, les visites d’Etat revètent un caractère purement amical. On en profite certes, pour avoir des échanges de vue, et le cas échéant, pour évoquer le problème du jour, s’il y a lieu de le faire. A part cela, on se fait des courbettes, comme il y a lieu de le faire entre gens biens élevés.“

Die Streitfragen, die damals zwischen beiden Ländern standen, wurden beim Staatsbesuch nicht beantwortet. Doch war das auch nicht das Ziel. Vielmehr ging es darum, sich einmal mehr des gegenseitigen Respektes und der gemeinsamen Freundschaft bewusst zu werden. Das wird diese Jahr nicht anders sein. Und das ist immer noch wichtig.