Gedenkstein löst Ermittlungen aus

Gedenkstein löst Ermittlungen aus
Wir verzichten an dieser Stelle auf die Verbreitung von Nazi-Propaganda, weswegen der Grabstein nicht abgebildet wird.

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von unserem Korrespondenten Robert Schmidt

Seit Jahren schon veranstalten Verehrer der Ideologie des Dritten Reiches in ostfranzösischen Dörfern rechtsextreme Konzerte. Nun hat ein Gedenkstein zu Ehren der Waffen-SS die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen.

Kein Supermarkt, der Bus fährt nur alle paar Stunden, an jedem zweiten Haus hängt ein „Zu Verkaufen“-Schild: Das lothringische Volmunster hat einiges mit der luxemburgischen Provinz gemeinsam. Doch in einem unterscheidet sich das Dorf unweit der deutschen Grenze. Der Ort ist schon länger ein in der Szene bekannter Anlaufpunkt für glühende Verehrer des Nazi-Regimes aus ganz Europa. Mehrfach berichteten insbesondere französische Medien über von Deutschen organisierte Rechtsrock-Konzerte mit mehreren hundert Teilnehmern, die wenigstens einmal im Jahr auf einem privaten Grundstück im Ortsteil Eschviller stattfinden.

Durch einen Artikel der regionalen Tageszeitung Républicain Lorrain ist nun bekannt geworden, dass dort auch ein Gedenkstein zu Ehren einer Einheit der Waffen-SS angebracht worden ist. „Wir haben am Donnerstagmorgen von der Existenz des Gedenksteines erfahren“, bestätigt Jean-Luc Jaeg, der zuständige Staatsanwalt in Saargemünd. Die Tafel habe sich gut sichtbar auf dem Feld eines Deutschen befunden, sei aber noch am selben Tag entfernt worden. Mittlerweile ermittelt die örtliche Polizei gemeinsam mit einer nationalen Sondereinheit gegen die Grundstücksbesitzer wegen „Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

„Das ist doch skandalös“

Über die Geschichte mit der Gedenktafel zur 17. SS-Panzergrenadierdivision ist in Volmunster offenbar fast jeder im Bilde. „Schockierend“ sei das, „traurig“ und „eine Provokation“, so äußern sich die meisten der befragten Anwohner. Diese Reaktion ist verständlich, schließlich wird einem Teil der SS-Division ein Massaker im französischen Dorf Maillé im August 1944 mit 124 Toten zur Last gelegt. „Das ist doch skandalös, dass wir uns mit so etwas rumschlagen müssen“, ärgert sich auch Claude Koeberle, der ehemalige Bürgermeister des Ortsteils. „Man muss diesem Treiben nun endlich einmal Einhalt gebieten.“

Gemeinsam mit anderen Bewohnern des Ortes macht Koeberle schon seit Jahren auf die Aktivitäten der Rechtsextremen am Rande seines Ortes aufmerksam. Da es bei den Veranstaltungen aber nur zu geringfügigen Verstößen wie Falschparken gekommen sei, seien die Behörden nicht eingeschritten. Von „lauter Rockmusik“ an Sommerabenden sprechen die Anwohner, von ganzen Reisebussen voller Besucher und von „glatzköpfigen“ und „tätowierten“ Deutschen im Ort. Ein Nachbar will mehrmals deutlich „Heil“-Rufe ausgemacht haben. Diese Angaben decken sich mit Informationen aus dem Jahresbericht 2016 des saarländischen Verfassungsschutzes.

Als Geburtstag getarnt

Demnach wird das betreffende Grundstück seit Jahren genutzt für „musikalische Großereignisse“ mit rechtsextremen Szenebands. Die Initiative gehe dabei von den saarländischen Hammerskins (HS) aus, einer Gruppe, die ein „rassistisches und nationalistisches Weltbild“ pflegt. Volmunster ist bei weitem kein Einzelfall. Im benachbarten Lengelsheim wurden schon mehrfach als Geburtstage getarnte Neonazi-Konzerte in einer Scheune veranstaltet, zuletzt im vergangenen Februar. Laut dem Bürgermeister der Gemeinde zeichnete in diesem Fall ein Rechtsextremist aus dem baden-württembergischen Rastatt verantwortlich.

Auch im nicht weit entfernt gelegenen Rohrbach-les-Bitche und in der Stadt Toul gab es immer wieder Auftritte von Bands, die den Nationalsozialismus verharmlosen. „Die Initiative zu solchen Konzerten geht meist von Deutschen aus, die auch wenigstens die Hälfte der Besucher stellten“, erklärt der französische Rechtsextremismus-Forscher Jean-Yves Camus auf Anfrage.

Um ungestört feiern zu können, suchten die deutschen Organisatoren, die nicht nur aus dem Hammerskin-Umfeld stammten, sondern auch bei der ebenfalls rechtsextremen Blood&Honour-Bewegung zu finden seien, zunehmend Anlaufstellen im grenznahen Ausland. Lothringen und das Elsass bieten sich laut Camus besonders an: „Die Nähe nicht nur zu Deutschland, sondern auch zu Ländern wie Luxemburg und Belgien sorgt dafür, dass es ausreichend zahlendes Publikum gibt.“