Das 277-277-Unentschieden

Das 277-277-Unentschieden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Um ein Haar hätten die EP-Abgeordneten dafür gestimmt, das Großherzogtum auf die schwarze Liste der Steuerparadiese zu setzen.

Um ein Haar hätten die EP-Abgeordneten dafür gestimmt, das Großherzogtum auf die schwarze Liste der Steuerparadiese zu setzen. Doch auch so ist das Ergebnis kein Ruhmesblatt…

Von Guy Kemp und Armand Back

Worum es gestern im Europaparlament ging

Mit einem denkbar knappen Abstimmungsergebnis wurde gestern im Europäischen Parlament die Forderung abgelehnt, auch die EU-Staaten Malta, Irland, die Niederlande und Luxemburg auf die vergangene Woche vorgestellte schwarze Liste der Steuerparadiese zu setzen. Bei einem Resultat von 277 gegen 277 wurde ein entsprechender Änderungsantrag zum Bericht über die Aufarbeitung der Panama-Papers abgelehnt. Ein Unentschieden kommt bei solchen Abstimmungen einer Ablehnung gleich. Der Bericht des Pana-Ausschusses hingegen wurde mit breiter Mehrheit angenommen.

Hätte die EU-Kommission dem Antrag stattgegeben?

Dazu wäre es wohl nicht gekommen, da dies nur in Übereinstimmung mit dem EU-Rat erfolgen kann. Die Finanzminister aus Luxemburg, den Niederlanden, Irland oder Malta hätten im Rat gegen die Entscheidung stimmen können. Was sie auch sicher getan hätten. Immerhin sähen sie bei einem solchen Schritt ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht.
Ohnehin hatte die Kommission es bereits abgelehnt, EU-Staaten als „nicht kooperierende Steuergebiete“, wie es in EU-Sprech heißt, zu führen. Bereits vergangenen Woche wies die Kommission in diesem Bezug auch auf die gemeinsamen Regeln bei Steuerstandards hin. Anders ausgedrückt: Setzte man als EU-Kommission EU-Staaten auf eine schwarze Liste, kreidete man sich sozusagen selber an in dem Sinne, dass die eigenen Regeln nichts taugten. Ein kaum vorstellbarer Vorgang. Dazu sind ja die umstrittenen Steuervorbescheide, die Tax-Rulings, in der EU per se nichts Verbotenes.
Das Problem hat aber auch die Kommission erkannt. Der EU-Kommissar für Wirtschaft, Pierre Moscovici, nannte die von den Finanzministern beschlossene Liste der 17 Steueroasen einen „ersten positiven Schritt“. Allerdings gebe es auch in einigen EU-Staaten „schwere Probleme und Versäumnisse“ beim Kampf gegen Steuervermeidung, sagte der französische Sozialist. Diese Praktiken müssten bekämpft werden.

Was die Abstimmung für Luxemburg bedeutet

Ob Luxemburg nun bei einer weiteren Stimme für den Änderungsantrag stärker gebrandmarkt wäre, als es ohnehin schon ist, darüber lässt sich streiten. Der Antrag war in drei Teile aufgeteilt. Das Votum für die Ergänzung der schwarzen Liste fiel wie bereits erklärt unentschieden aus. Die anderen Teile des Änderungsantrags wurden hingegen angenommen. Und auch die haben es in sich. Immerhin beschreiben sie, dass die vier genannten EU-Staaten die Gewinnverschiebung von Unternehmen zum Nachteil anderer EU-Mitgliedstaaten begünstigen.

Wie die Luxemburger Abgeordneten abstimmten

Von den Luxemburger EP-Abgeordneten stimmten alle bis auf einen gegen den Änderungsantrag, der Luxemburg auf die schwarze Liste der Steuerparadiese hieven wollte. Die CSV-Politiker und Mitglieder der konservativen Fraktion EVP, Viviane Reding, Georges Bach und Frank Engel, stimmten ebenso gegen den Antrag wie der Liberale Charles Goerens und die Sozialdemokratin Mady Delvaux. Der Grünenpolitiker Claude Turmes enthielt sich.

Eine Stimme mehr gegen Luxemburg – was dann?

Der sogenannte Pana-Ausschuss befasste sich in seinem Bericht mit Geldwäsche sowie Steuervermeidung und Steuerhinterziehung in der EU. Ausschlaggebend für die Gründung des Ausschusses war die Veröffentlichung der Panama Papers, die Wege der Steuervermeidung unter anderem von multinationalen Konzernen offenlegten. Wäre der Änderungsantrag durchgekommen, hätten die EP-Abgeordneten damit die EU-Kommission aufgefordert, die vier genannten Länder in die EU-Liste von Steueroasen aufzunehmen.

Worum ging es dem Europaparlament tatsächlich?

Natürlich wissen das auch die EU-Abgeordneten. Auch der deutsche Sozialdemokrat Peter Simon, der den Änderungsantrag einbrachte, weiß dies. Es muss dem Europäischen Parlament also um etwas anderes gegangen sein, als die Namen der vier Staaten tatsächlich auf der Liste zu sehen. Vielmehr war es eine Abstimmung mit reiner Symbolkraft. Die Botschaft, die ausgesendet wurde, ist aber unmissverständlich und wird von dem knappen Ergebnis noch untermauert: Das Europaparlament ist nicht gewillt, dem Steuer-Treiben einiger seiner Mitgliedstaaten weiter tatenlos zuzuschauen.

Kritik und Lob für Luxemburg im Abschlussbericht

Der Abschlussbericht des „Panama Papers“-Untersuchungsausschusses ist mit breiter Mehrheit angenommen worden. Der Untersuchungsausschuss hatte sich 18 Monate lang mit den Enthüllungen der „Panama Papers“ über weltweit verbreitete Praktiken zu Steuerflucht und Geldwäsche beschäftigt. Er stellte schwere Versäumnisse auch in der EU fest. In „gewissen EU-Ländern“ fehle es an politischem Willen, um effiziente Reformen voranzutreiben, heißt es in dem Bericht. Bei dessen Zusammenstellung hatte es heftige Kritik an Luxemburg gegeben. Vor allem, da „relevante Banker, Anwälte, Steuerberater und Buchhalter“ im März diesen Jahres ihrer Einladung zu einem Treffen mit den Mitgliedern des Pana-Ausschusses nicht nachkamen. Dem Land wird hingegen bescheinigt, Fortschritte bei der Regelbefolgung in Sachen internationale Berichterstattung und Transparenzstandards in Steuerfragen gemacht zu haben, auch wenn noch mehr Kooperation möglich sei. „Luxemburgs öffentliche Behörden haben proaktiv auf LuxLeaks und die Panama Papers reagiert“, heißt es weiter in dem Bericht. In den vergangenen zwei Jahren seien viele Gesetze dazu verabschiedet worden.

Wer alles auf der schwarzen Liste der EU draufsteht

Auf der vergangene Woche vorgestellten EU-Liste der Steueroasen befinden sich Bahrain, Barbados, Grenada und Guam, Macau, die Marschall-Inseln, die Mongolei, Namibia, Palau, Panama sowie Samoa und Amerikanisch-Samoa, St. Lucia, Südkorea, Trinidad und Tobago, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate.