„Kleiner Apfel“-Fieber erfasst China

„Kleiner Apfel“-Fieber erfasst China
(Youtube-Screenshot)

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Ganz China hat einen Ohrwurm. Überall im Land tönt der Internet-Hit "Xiaopingguo" ("Kleiner Apfel") in Endlosschleife.

Ob im Park in Peking, in den Wolkenkratzern von Shanghai, in den Fabriken von Guangzhou oder den Karaoke-Bars von Macao – überall tönt der Internet-Hit „Xiaopingguo“ (chinesisch für „Kleiner Apfel“) in Endlosschleife. Sogar Armee und Polizei haben den Song für sich entdeckt. Verantwortlich für den Überraschungserfolg sind die Videoprofis „Chopsticks Brothers“, wörtlich „Stäbchenbrüder“. Zwar sind Xiao Yang und Wang Taili weder Brüder noch Komponisten, und das Lied sollte ursprünglich auch nur ihren jüngsten Film bewerben. Trotzdem wurde das Filmchen zum viralen Hit, schon nach einmaligem Hören bekommen viele die Melodie nicht mehr aus dem Kopf – Kritiker sprechen gar von „geistiger Vergiftung“.

Das sechsminütige Musikvideo zeigt Xiao und Wang nach einer misslungenen Schönheitsoperation im Garten Eden – nackt samt Apfel und Schlange. Bei den eingeschobenen Tanzsequenzen tritt auch die südkoreanische Popsängerin Bae Seul Ki auf. „Dieser Song ist eingängig, der Rhythmus ist simpel und repetitiv. Sogar die alten Damen in den Parks lernen es schnell“, sagt Zeng Qiumei, eine junge Frau aus der Provinz Sichuan. Mehr als zwei Millionen Mal wurde das Video inzwischen auf Youtube angeklickt, obwohl es auf dem chinesischen Festland der Zensur unterliegt.

Landesweiter Hype

Beim chinesischen Portal sohu.com kommt es sogar auf 20 Millionen Aufrufe, bei iqiyi.com auf zwölf Millionen. „Kleiner Apfel“ erklingt überall in China, ob als Klingelton der Smartphones, im Einkaufszentrum, Nachtclub oder Fitnessstudio. Vor ein paar Tagen nutzte die Polizei der Provinz Shandong im Osten des Landes das Lied in einer Warnung vor betrügerischen Anrufern. „Wir haben den Text geändert, um die Leute zu warnen“, erklärte ein Polizeibeamter dem Fernsehsender CCTV.

Auch die Volksbefreiungsarmee setzt auf den Song: Die Militärbehörde der Stadt Xian im Norden unterlegte ein patriotisches Rekrutierungsvideo mit den kämpferischen Discorhythmen und löste damit einen landesweiten Hype aus. Im August verbreitete sich ein „Kleiner Apfel“-Clip, in dem Soldaten mit Kindern dazu tanzen. Es waren Überlebende des Erdbebens im Südwesten des Landes, bei dem 600 Menschen starben. Auf zahllosen Videos schwingen Gelegenheitstänzer wie Stewardessen, Arbeiter, Cheerleader, Feuerwehrmänner oder Studenten ihre Hüften.

Gemeinschaftlicher Tanz

Eine Parodie zeigt den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un mit US-Präsident Barack Obama, Russlands Präsident Wladimir Putin, Japans Premier Shinzo Abe und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Der Siegeszug des Liedchens rückt auch die „Da Ma“ wieder ins Rampenlicht, ältere Damen, die sich auf öffentlichen Plätzen zum Tanzen treffen. Der 76-jährigen Zheng Xiaomin gefällt das Phänomen: „Als ich jung war, mochte ich den gemeinschaftlichen Tanz, der von meiner Arbeitseinheit organisiert wurde. Aber in einem Park ist es peinlich, die Hand auf die Schulter oder Hüfte seines Partners zu legen“, sagt sie in einem Pekinger Park. „Bei ‚Kleiner Apfel‘ ist das nicht der Fall.“

Dass der Internet-Hit ähnlich wie „Gangnam Style“ des südkoreanischen Rappers Psy die ganze Welt erobern könnte, bezweifeln Beobachter: „Der Stil der Lieder in China ist altmodisch und ‚Xiaopingguo‘ nimmt den Discorhythmus der 1980er und 1990er Jahre wieder auf“, urteilt der renommierte chinesische Musikkritiker Hao Fang. „Dadurch kann der Song es mit den Welthits nicht aufnehmen.