Zugunglück in Bettemburg: Die Bilder waren erschreckend

Zugunglück in Bettemburg: Die Bilder waren erschreckend

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Genau vor einem Jahr, also am Morgen des 14. Februar 2017, kam es in der Nähe des Stellwerks in Bettemburg zu einem schweren Zugunglück. Dabei ließ ein Mensch sein Leben und zwei weitere wurden verletzt. Ein persönlicher Rückblick.

Es war kurz vor 9.00 Uhr, als an diesem Dienstag ein aus Frankreich kommender Güterzug mit einem Passagierzug der CFL zusammenprallte. Vor Ort herrschte Chaos, denn zunächst war überhaupt nicht klar, warum und wie sich der Unfall ereignet hatte. Die Lage war zunächst völlig unübersichtlich.

Gegen 10.00 Uhr hatten sich zahlreiche Journalisten an der Unglücksstelle eingefunden. Die mussten allerdings lange warten, bis es Details zu dem Unfall gab. Die Bilder der beiden ineinander verkeilten Züge waren erschreckend. All das sahen die Journalisten aus der Distanz, da die Sicherheitskräfte sie nicht nah heranließen. Es gab reichlich Gerüchte, da auch der Informationsfluss nicht optimal war. Anfangs wurde sogar von mehreren Verletzten gesprochen.

Erst kurz vor 12.00 Uhr herrschte dann Gewissheit, als die traurige Nachricht kam, dass eine Person beim Unfall ums Leben gekommen war. Zwei weitere seien verletzt worden. Gegen 13.00 Uhr durften die Journalisten näher an den Ort des Unglücks heran.

Knall des Aufpralls drei Kilometer weit zu hören

Ein Mann, der knapp drei Kilometer vom Unfallort entfernt wohnt und sich ebenfalls ein Bild von dem schrecklichen Ereignis machte, erklärte, dass er den Knall des Zusammenpralls bis zu sich nach Hause vernommen hatte. Ihm schwante Schlimmes.
Er habe einst selbst bei der CFL gearbeitet. Die Züge würden an diesem Ort in Richtung Frankreich beschleunigen, erklärte er weiter. „Dies war wahrscheinlich auch hier der Fall. Der Güterzug hat meiner Meinung nach gebremst, weil er ins Stellwerk einfahren wollte“, so der Mann damals.

Erst am Nachmittag, nachdem die Verantwortlichen der CFL den Bordcomputer ausgewertet hatten, wurde nach und nach deutlich, dass der Lokführer des Personenzuges ein Stoppsignal nicht beachtet hatte. Der Lokführer des aus Frankreich kommenden Zugs konnte sich noch in den hinteren Bereich der Zugmaschine flüchten. Er wurde mit schweren, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen ins diensthabende Krankenhaus gebracht.

„Musterschüler in Europa“

Im Prinzip soll das europäische System ETCS (European Train Control System) zum Einsatz kommen, um genau solche Kollisionen zu verhindern. Mit dem System werden beispielsweise Züge automatisch gestoppt, wenn sie ein rotes Signal überfahren.
Laut dem Vorbericht, der kurze Zeit nach dem Unfall vorgestellt wurde, hatte der Lokführer des CFL-Zuges ein rotes Signal überfahren. Das ETCS war damals nicht eingeschaltet, weil der Zug nach Frankreich unterwegs war und die französischen Behörden das System, das bei den Luxemburger Loks installiert worden war, noch nicht geprüft hatten.

Am Mittwoch, ein Jahr danach, heißt es von Seiten der Pressestelle des Transportministeriums, dass die französischen Behörden das luxemburgische System bei allen Passagierloks geprüft hätten. Damals war der luxemburgische Zug nämlich noch mit dem „Memor II+“-Sicherheitssystem unterwegs. Einem eher simplen System mit hauptsächlich mechanisch-elektrischer Funktionsweise.

Damals wie auch heute heißt es sowohl vom Ministerium als auch von der CFL weiter: „Unser Netz und unsere Maschinen gehören zu den sichersten in Europa. Unser gesamtes Netz ist mit ETCS ausgestattet und wir sind ein Musterschüler in Europa.“

Philippe Hammelmann


Klarheit am 19. Februar

Ein Jahr, nachdem bei einer Zugkollision zwischen Bettemburg und Düdelingen ein Lokführer ums Leben gekommen ist, steht die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts kurz bevor. Am 19. Februar soll das Dokument online gehen.

Metall, gefaltet wie Papier: Beim Zusammenstoß wirkten unvorstellbare Kräfte. (Foto: Jean-Claude Ernst)

Dies hat Dany Frank, Pressesprecherin im Transportministerium, am Dienstag mitgeteilt. Näheres zu Inhalt oder Umfang des Berichts könne sie aber nicht sagen. Als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft hatte Henri Eippers am Dienstag erklärt, dass sogar zwei Berichte in Arbeit seien: So gebe es auch noch eine rein juristische Aufarbeitung, die aber sicherlich zu ähnlichen Schlüssen kommen werde wie der eher technische Bericht, sagte Eippers. Wann hier mit einer Veröffentlichung zu rechnen ist, sei nicht sicher.

Klar ist: Die Dokumente werden mit Spannung erwartet. Denn viele Details dazu, wie genau es zum Zusammenstoß der beiden Züge kommen konnte, sind noch unbekannt. Immerhin schon kurz nach dem Unglück wurde bekannt, dass der Luxemburger Zugführer ein „Halt“ gebietendes Vorsignal nicht beachtet hat. Und ein Sicherheitssystem, dass in diesem Fall den Zug hätte automatisch bremsen sollen, hat ebenfalls nicht reagiert.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom März 2017 habe der Lokführer beim Erblicken des roten Hauptsignals zwar noch eine Notbremsung eingeleitet. Doch „da der verfügbare Bremsweg zu kurz wurde“, blieb der Aufprall „unvermeidlich“.

Das ist umso erstaunlicher, da der Zug sogar mit einer ganzen Reihe Sicherungssysteme ausgestattet war: Doch das vorhandene, moderne ETCS war nicht aktiv, da es noch nicht grenzüberschreitend genutzt werden konnte – und das bisherige System Memor II+ hat nicht funktioniert. Nach dem damaligen Technikstand haben die Luxemburger Züge in Frankreich das dortige KVB-System genutzt.

Parallelen zu Zoufftgen

Der Frachtzug war zwar leer – zwei E-Loks verliehen ihm aber doch hohe kinetische Energie.
(Foto: Jean-Claude Ernst)

Schon beim schweren Unglück bei Zoufftgen im Oktober 2006 mit sechs Toten geriet das Nebeneinander der grundsätzlich verschiedenen Sicherungssysteme in den Fokus: Führt es, paradoxerweise, nicht zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit? Die Eisenbahngewerkschaft Syprolux sieht kein grundsätzliches Problem: „Das Zusammenspiel mehrerer Zugbeeinflussungssysteme ist für luxemburgische Lokführer nichts Neues“, erklärt die Präsidentin Mylène Bianchy auf Tageblatt-Anfrage. Die Ausbildung trage dem stets Rechnung. Allerdings bedaure man, dass die Nachbarländer „sich lange gegen ein europäisches System gesträubt“ hätten: Durch das jahrelange Festhalten der französischen und belgischen Eisenbahngesellschaften an ihren jeweiligen Systemen seien „Jahre vergeudet“ worden, die CFL habe dagegen ihre „Hausaufgaben gemacht“.

Die französische Eisenbahngesellschaft SNCF und die Region Grand Est haben vor Kurzem erklärt, dass 25 Loks, die auch nach Luxemburg fahren, mit dem hochmodernen Sicherungssystem ERTMS ausgestattet werden, das mit dem Luxemburger Ausstattungslevel von ETCS kompatibel ist.

Insgesamt 22,3 Millionen Euro gibt die Region Grand Est dafür aus, weitere 5,1 Millionen schießt die EU-Kommission dazu. Derzeit befinde sich das System noch in der Zertifizierungsphase, heißt es in der Mitteilung. Erste Maschinen sollen ab Mitte 2019 einsatzbereit sein. Das wäre auch höchste Eisenbahn: Luxemburg will das ältere Kontrollsystem Memor II+ schließlich am 1. Januar 2020 endgültig abschalten.
Bis dahin wird es also noch beim Nebeneinander der Sicherungssysteme bleiben. Ob sich ein Unglück wie vor einem Jahr noch einmal ereignen könnte und ob es sogar Streckenabschnitte gibt, auf denen effektiv gar kein System greift, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden: Entsprechende Fragen unsererseits an die CFL blieben unbeantwortet.

Frank Göbel


„Wir fragen uns, warum es so lange dauert“

Über die Ursachen des Zugunfalls will Georges Merenz, der Präsident des Landesverbandes (FNCTTFEL), nicht spekulieren. Fragen stellt er sich aber reichlich. Wie kam es zu dem Unfall? Was sind die Ursachen? Vorgreifen will er, der selber 18 Jahre lang Lokführer war, aber nicht. Kopfschmerzen bereitet ihm vor allem der Umstand, dass der Untersuchungsbericht so lange auf sich warten lässt. „Wir fragen uns, warum es so lange dauert“, so Merenz am Dienstag dem Tageblatt gegenüber.

Mittlerweile sind zwölf Monate vergangen und es gibt immer noch keine definitiven Angaben über die Ursachen. „Ist das normal, dass so ein Bericht so viel Zeit beansprucht?“, fragt er sich mit Blick auf die untersuchende Behörde. Kollegen, Beteiligte, Betroffene und die Familie des Opfers und der Verletzten brauchen Klarheit. Klarheit darüber, was am 14. Februar 2017 genau passiert ist. Und Gewissheit darüber, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt.

Lg