„Es hat mir immer Freude bereitet“

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Banque du Timbre: Nach fast 75 Jahren im Geschäft ist Schluss.

Nach fast 75 Jahren im Geschäft wird die „Banque du timbre“ am Boulevard Prince Henri in Luxemburg-Stadt ihre Türen für immer schließen. Das Tageblatt unterhielt sich mit dem Geschäftsführer Serge Ungeheuer.

Die „Banque du timbre“ gehört seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu Luxemburg. „Mein Vater gründete das Geschäft im Jahr 1945 in Mondorf“, so Serge Ungeheuer. Fünf Jahre später wechselte es den Standort und das bei den Philatelisten beliebte Geschäft war fortan in der Hauptstadt „gleich gegenüber der Post“ ansässig.

Anfang der 1960er fand die Bank dann ihren endgültigen Platz am Boulevard Prince Henri. Als der Gründer in Rente ging, musste er nicht lange suchen, da sein Sohn und heutige Geschäftsführer die Passion seines Vaters teilte. „Nun werde ich bald in Rente gehen“, erklärt Serge Ungeheuer dem Tageblatt. Doch sein Sohn wird die Nachfolge nicht antreten können.

„Während nun schon zwei Jahren sind wir auf der Suche nach einer Person, die bereit ist, das Geschäft weiterzuführen“, so Ungeheuer. Doch die Suche war nicht erfolgreich, selbst die Post, „der richtige“ Kandidat für das Fortführen der Aktivitäten, hatte abgewunken. „Es ist wirklich Schade“, so der Besitzer. „Vor allem, da das Geschäft immer noch gut funktioniert.“

Keine Nachfolge gefunden

„Als der Euro eingeführt wurde, teilte die Post mit, dass die Franken-Briefmarken entwertet würden“, so Ungeheuer. Die Sammler hätten diese Nachricht mit Grauen aufgenommen, da sie dachten, dass ihre Sammlungen ebenfalls weniger wert würden.

„Aus diesem Grund haben sie sich von ihrer Sammelleidenschaft abgewendet und wir verkauften weniger Briefmarken.“ Doch die Leute hätten sich geirrt. „Die Vorkriegsmarken waren ja auch entwertet worden und sind sogar im Preis gestiegen.“ Doch die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung hat dem Laden gegenüber des Parks auch ein neues Geschäftsmodell beschert.

Auch Münzen im Sortiment

„Als Reaktion auf die vielen Kundennachfragen haben wir uns dann entschieden, auch Münzen in unser Sortiment aufzunehmen“, erinnert sich der Geschäftsinhaber. Heute macht der Handel mit Euromünzen aus allen Ländern der Eurozone einen großen Teil des Umsatzes aus. Neben diesen hatte das Geschäft aber auch mit alten Silbermünzen aus allen Herren Ländern und aus allen Epochen gehandelt.

An Goldmünzen traute sich die „Banque du timbre“ nicht so recht heran. „Manchmal stammen diese aus zweifelhaften Quellen und ich hätte mich mehr in das Thema einarbeiten müssen.“ In diesem Zusammenhang erinnert sich Serge Ungeheuer an eine bemerkenswerte Fälschung. „Ich stieß einmal an eine Goldmünze, die zwar aus echtem Gold war, die jedoch mehr wog als das Original.“ Noch heute kann er sich diese Fälschung nicht erklären.

Überfälle, bei denen der Geschäftsmann in eine Waffe blicke, seien ihm erspart geblieben. Doch auch so gab es Einbrüche und „viele Ladendiebstähle“. Ein ganz „schmerzhafter“ bleibt ihm bis heute in Erinnerung. „Ein Ladenbesucher flüchtete mit einem ganzen Ordner mit alten Briefmarken durch den Park“, so Ungeheuer. „Diese Sammlung konnte ich bis heute nicht ganz ersetzen.“

Fälschungen und Diebstähle

Dieser „Kunde“ sei aber die absolute Ausnahme geblieben. „99 Prozent der Kundschaft ist korrekt.“ Es stimme auch nicht, dass sich nur ältere Semester für die Briefmarkenkunde interessieren. Mache Jugendliche wären sogar trotz elterlichen Verbots in sein Geschäft gekommen, um ihre Sammlung zu vervollständigen. Die Kundschaft sei dann auch breit gefächert, sie reicht vom „Straßenkehrer bis zum Großherzog“. Auch manche Paare hätten die Philatelie als gemeinsames Hobby. „Diese verbringen oft Stunden im Geschäft, bis sie sich entschieden haben.“

Im Gespräch wurde immer deutlicher, dass der An- und Verkauf von alten Briefmarken viel mehr als nur ein Broterwerb für den angehenden Rentner ist. „Es ist wirklich schade, dass unsere Kundschaft in Zukunft keine Anlaufstelle mehr hat.“ In Luxemburg würde es zwar einige Flohmärkte und Briefmarkenbörsen geben, jedoch kein Geschäft mehr.

Sammelleidenschaft und Spekulanten

Da der passionierte Sammler selbst „2-3 Löcher“ in seiner privaten Sammlung hat, weiß er, was es bedeutet, das fehlende Stück nicht zu finden. Er erinnert sich an einen Kunden, der auf der Suche nach einer ganz speziellen Briefmarke war. Mit einem Verkaufswert von 10 Euro war sie nicht besonders wertvoll, in der Sammlung war jedoch ein weißes Loch. „Es dauerte zehn Jahre, bis ich die Briefmarke fand.“

Der unter Sammlern bekannte und beliebte Katalog „Prifix“ war auch ein Produkt der „Banque du timbre“. „Mein Vater hatte damals begonnen, die luxemburgischen Briefmarken zu katalogisieren.“ Als sich die Druckerei im Jahr 2009 entschloss, den Katalog nicht mehr zu drucken, war (vorerst) Schluss mit dem „Prifix“. Als die Verfasser des Kataloges beim Preis einer Marke einmal „eine Null zu viel“ eintrugen, gab es sogar eine Reaktion der größten deutschen philatelistischen Fachzeitschrift. „Was ist in Luxemburg los? Die Preise gehen durch die Decke“, hätten die Fachspezialisten geschrieben. Daran hätte man erkannt, dass das Interesse an Briefmarken aus dem Großherzogtum nicht an den Grenzen haltmacht.

Angst vorm Internet

Existenzängste hatte die „Banque du timbre“, als der Internethandel in Mode kam. „Wir hatten Angst, dass Amazon und Co. uns in den Rücken fallen würde“, so Ungeheuer. „Lo geet alles d’Baach erof“, so die Befürchtungen. Doch so schlimm ist es dann nicht gekommen. „Die Leute haben sich zwar online informiert, zum Kauf sind sie dann aber immer noch ins Geschäft gekommen.“

Nun müssen die Philatelisten eine andere Bezugsquelle finden, die „Banque du timbre“ wird bald ihre Türen für immer schließen. „Es bricht mir das Herz“, so Ungeheuer. „Die Sammlung von Briefmarken und Münzen ist ein altes Hobby, das immer noch gut funktioniert.“ Den Kunden wird in Zukunft dann nichts anderes übrig bleiben, als sich auf dem „grauen Markt“ umzuschauen. Serge Ungeheuer hat seinen Beruf gerne ausgeübt, „es hat mir immer Freude bereitet“.

Serge Ungeheuer hatte das Glück, seine Passion zum Beruf zu machen.

Drei Fragen an: Maurice Kirsch

Maurice Kirsch ist Präsident des „Cercle philatélique Hollerich-Bonnevoie“ und jüngster Vorsitzender eines Philatelistenvereins Luxemburgs.

Welche Rolle spielt der Internethandel ?

Über diese Plattformen wird viel umgesetzt, und so manche Briefmarkenausgaben haben dadurch auch an „Wert“ verloren. Allerdings sorgen diese Plattformen öfters für Enttäuschungen. Bei einem Sammlertreffen kann man die gewünschten Briefmarken vor dem Kauf begutachten, im Internet kann man sich nur auf ein Foto verlassen, und manchmal wird man enttäuscht. Dennoch leben die Tauschbörsen weiter und sind immer gut besucht. Eine langjährige Tradition, die Tauschbörse im März in Ettelbrück, wird jedes Jahr von rund 700 Interessenten besucht.

Sie sind seit drei Jahren Vorsitzender des „Cercle philatélique Hollerich-Bonnevoie“ und mit 26 Jahren recht jung. Wie hat sich die Philatelie aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren entwickelt?

Nun, die Zahl der Vereine und auch die Mitgliedszahl innerhalb der Vereine nehmen ständig ab. Die Philatelie ist aber keineswegs am Aussterben. Immer mehr Philatelisten, besonders junge Menschen, sehen keinen Sinn mehr an einer Vereinsmitgliedschaft. Alle Tauschbörsen sind öffentlich zugänglich und die dort anwesenden Sammler und Verkäufer bieten eigentlich alles an, was das Herz begehrt.

Wurden früher noch häufig Briefmarken als Kiloware erworben, so ist das heute nur noch eine Ausnahme. Die heutigen Philatelisten beschränken sich auf ein bestimmtes Sammelgebiet, sei es ein Land, eine Region oder ein bestimmtes Motiv oder eine Kombination beider Gebiete. Heute zählt vielmehr die Qualität als die Quantität.

Schlussfolgern könnte man also, dass die Philatelie noch nicht am Aussterben ist?

Nein, keineswegs. Alleine in Luxemburg gibt es heute mehrere tausend Sammler, die regelmäßig ihre Neuausgaben bei der Post Philately beziehen und „alte“ Ausgaben, Karten, Briefe und philatelistische Belege auf Tauschbörsen erwerben. Internetforen verbinden die Sammler untereinander und ermöglichen einen regen Wissensaustausch.

Sanny
12. Januar 2018 - 8.50

D'Timbere ginn nach just gedréckt fir de Sammelmaart, d'Betriber hunn eng Affranchisséiermaschinn an déi Privat drécken se aus dem Internet direkt op d'Enveloppe, wann se da mussen eppes op eng Krankekeess aschécken.