Ein weiterer Pfeil im Köcher gegen HIV

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Die HIV-Tests sind effizienter geworden. Das diagnostische Fenster bei den Bluttests wurde verkürzt. Jetzt laufen in Luxemburg die Vorbereitungen für die Einführung des Schnell- oder Selbsttests. Erklärungen.

Der Kampf gegen das HI-Virus ist noch lange nicht vorbei. Einen Impfstoff gibt es noch nicht. Die Gesundheitsbehörden setzen deshalb große Hoffnungen auf die Vorbeugung. Und dazu gehören auch die HIV-Tests. Neben den klassischen mittels Blutabnahme existiert auch ein Schnelltest, der bereits nach etwa einer bis 15 Minuten Auskunft darüber geben kann, ob man sich mit HIV angesteckt hat oder nicht – vorausgesetzt, die Risikosituation liegt mindestens drei Monate zurück. Erst dann ist das Resultat nämlich zu 100 Prozent zuverlässig.

Im Gegensatz zu Frankreich und Belgien kann man die Tests in Luxemburg aber noch nicht in der Apotheke kaufen. Der Grund ist eine anfängliche und durchaus berechtigte Skepsis. 2014 hatten mehrere Stichproben von HIV-Selbsttests in der Schweiz gezeigt, dass die Fehlerquote noch sehr hoch war. Im September 2015 hatte hierzulande eine Mehrheit der Mitglieder des „Comité de surveillance du SIDA, des hépatites infectieuses et des maladies sexuellement transmissibles“ ihre Bedenken bezüglich der Zuverlässigkeit der Tests geäußert.

Bis zu 99 Prozent zuverlässig

Der Test ist inzwischen aber viel präziser geworden. Die Zuverlässigkeit beträgt bis zu 98-99 Prozent – und bei Bluttests gar 99 bis 100 Prozent, so Carole Devaux, die Präsidentin des Überwachungskomitees. Die neuen Bluttests der vierten Generation (Elisa) suchen nämlich nicht nur nach Antikörpern, sondern auch nach dem Antigen p24. Sie sind sehr präzise, sodass schon nach sechs Wochen mit quasi 100-prozentiger Sicherheit eine Infektion ausgeschlossen werden kann. Wenn die Risikosituation weniger als 72 Stunden her ist, kann man sich im CHL in Luxemburg-Stadt testen lassen und eine HIV-Postexpositionsprophylaxe erhalten.

Der Selbsttest richtet sich laut Carole Devaux vor allem an Personen, die sich diskret – zum Beispiel zu Hause – testen lassen wollen. Dazu gehören u.a. Homo- oder Bisexuelle, die sich nicht outen wollen. „Wir schätzen, dass etwa 40 Prozent der Nutzer des Selbsttests zu einer dieser beiden Kategorien gehören.“ Der Schnelltest bietet aber allen Personen, die eine Risikosituation gehabt haben und keinen klassischen Bluttest durchführen lassen wollen, die Möglichkeit, Sicherheit über ihren serologischen Status zu bekommen.
Momentan sind HIV-Tests hierzulande lediglich den Laboren vorbehalten. Allerdings soll noch vor Sommer über eine Gesetzesänderung abgestimmt werden, die es Apotheken erlauben soll, Selbsttests anzubieten – und zwar von ausgebildetem Personal. Apotheker haben bereits Interesse an Ausbildungskursen über die Schnelltests bekundet. Sie fordern auch die Veröffentlichung von Informationsbroschüren über die Selbsttests. Diese kosten rund 30 Euro. Der Verkauf im Supermarkt ist im Augenblick in Luxemburg noch kein Thema.

Carole Devaux warnt jedoch vor den im Internet angebotenen Selbsttests. Sie seien nicht überprüft worden und würden nicht den Hinweis „CE IVD“ tragen. „Somit besteht keine Garantie, was ihre Zuverlässigkeit und ihre Qualität betrifft“, so die Expertin weiter.
Die Selbsttests seien aber sicherlich ein wichtiges Element im Kampf gegen die Epidemie, so Devaux. Sie betont zudem, dass die Kommunikation an die Öffentlichkeit permanent weiterentwickelt werden müsse. In diesem Zusammenhang spielt der nationale AIDS-Plan eine wichtige Rolle. Der zuverlässigste Schutz gegen die Übertragung des Virus biete immer noch das Kondom. Denn eines müsse absolut klar sein: Trotz der Fortschritte in der Behandlung der Infizierten und bei den Tests sei HIV/AIDS immer noch eine tödliche Krankheit. „Das muss weiterhin in die Köpfe, besonders bei den Jugendlichen.“


Wo kann man sich testen lassen?


Wie funktioniert der Selbsttest?

Ein HIV-Selbsttest funktioniert ähnlich wie ein Schwangerschaftstest. Die Handhabung ist denkbar einfach, das Resultat zuverlässig.

Einige HIV-Selbsttests suchen nach HIV1- und HIV2-Antikörper. Sie funktionieren mit Speichel, andere mit einem Bluttropfen. Hierzulande soll in den Apotheken der Test, der mit einem Bluttropfen funktioniert, verkauft werden, da er zuverlässiger ist.

Auf einem Teststreifen erscheint bei den meisten Tests dann nach 15 Minuten ein Ergebnis: positiv oder negativ. Positiv bedeutet, dass HIV-Antikörper im Blut vorhanden sind, was auf eine Infektion schließen lässt. Ist das Resultat positiv, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen. Die Krankheit ist besser behandelbar, wenn sie rechtzeitig medizinisch betreut wird.

Man soll dann umgehend den „Service national des maladies infectieuses“ des „Centre hospitalier Luxembourg“ (CHL) kontaktieren (Telefon: 4411-3091 oder 4411-8348). Er ist 24 Stunden am Tag erreichbar.


HIV in Zahlen


In der Grenzregion

Während in Luxemburg die gesetzlichen Vorbereitungen laufen, um die HIV-Schnelltests in den Apotheken verfügbar zu machen, werden sie bereits in Belgien und Frankreich mit großem Erfolg angeboten.

So gibt eine Apotheke im belgischen Arlon an, jeden Tag mehrere Tests zu verkaufen. Viele Selbsttests würden an Kunden aus Luxemburg verkauft, erzählt Jeanne, die Apothekerin.
Auch in Frankreich gehen viele Selbsttests über die Theke. In Longwy schätzt die Mitarbeiterin einer Apotheke die Anzahl der verkauften HIV-Schnelltests auf ein Dutzend pro Woche. „Wir erklären dem Kunden, wie er funktioniert, aber die meisten wissen es bereits“, so die Frau.

Einige würden gar regelmäßig einen Test bei ihr kaufen. „Wir haben einen jungen Mann, der nach jedem One-Night-Stand – und er hat anscheinend viele – einen Test hier kauft. Wir müssen ihm jedes Mal erklären, dass das Resultat erst nach drei Monaten absolut sicher ist“, schmunzelt die Verkäuferin und schlussfolgert: „Aber besser einen Test zu viel machen als gar keinen. Die Gesundheit geht vor.“

Die offiziellen Stellen gehen davon aus, dass jede Woche etwa 650 Schnelltests in ganz Frankreich verkauft werden.


„Man muss die Krankheit akzeptieren“

Manu (37) bekam vor fünf Jahren die Schock-Diagnose „HIV-positiv“. „Zuerst dachte ich, ich müsste sterben und mein Leben sei zu Ende“, so der Betroffene. Infiziert hatte sich der Bankangestellte bei einem Urlaubsflirt. „Es passierte auf Ibiza. Ich lernte eine Frau im Club kennen, war mit einigen Freunden dort. Kurz vor dem Urlaub hatte meine Freundin mich verlassen. Zuerst benutzten wir ein Gummi. Nach drei oder vier Treffen, ließ ich den Schutz aber weg. Zu umständlich. Diese Entscheidung bereue ich bis heute“, so Manu.
Nach der Bekanntgabe seiner Infektion wendeten sich viele Freunde von ihm ab. „Man kommt sich vor wie ein Aussätziger.“ Er suchte Hilfe bei der „HIV-Berodung“. „Die Leute dort waren sehr nett. Sie halfen mir, wieder auf die Beine zu kommen. Am Anfang konnte ich mich selbst nicht mehr leiden, machte mir ständig Vorwürfe“, so der 37-Jährige. Auch sein Boss zeigte entgegen seiner Erwartungen viel Verständnis. Er behielt seinen Job. „Das ist leider immer noch nicht selbstverständlich“, bedauert Manu.

Heute nimmt er jeden Tag eine Pille. Seit einiger Zeit ist die Viruslast unter die Nachweisgrenze gesunken. „Das ist gut für den Kopf.“ Inzwischen hat er auch wieder eine Freundin. „Sie hat kein Problem mit meiner Erkrankung. Ich liebe sie und wir planen, eine Familie zu gründen“, so der junge Luxemburger. Er erklärt, dass seine Lebensqualität quasi dieselbe sei wie die aller anderen. Inzwischen hätte auch sein Umfeld seine Erkrankung akzeptiert und gelernt, damit umzugehen. „Es war ein Lernprozess, nicht nur für mich. Man muss die Krankheit akzeptieren und nach vorne schauen“, schlussfolgert der Banker.
Manu gewinnt seiner Erkrankung sogar etwas Positives ab. „Früher achtete ich nicht auf meine Gesundheit. Heute lebe ich bewusster und intensiver, konzentriere mich auf das Wesentliche: Meine Familie, meine Freunde und meine Gesundheit. Der Rest ergibt sich dann irgendwie von selbst.“


Eine Chronik