6.000 Gebäude sind Abriss-geschützt

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Patrick Sanavia, Chef des „Service des sites et monuments nationaux“ (SSMN), im Gespräch mit dem Tageblatt.

Der Denkmalschutz zieht sich wie eine rote Linie durch viele Schöffenratserklärungen, so auch in der Hauptstadt. Das Tageblatt sprach mit Patrick Sanavia, dem Chef des „Service des sites et monuments nationaux“ (SSMN) über den Denkmalschutz in Luxemburg.

Von René Hoffmann    

Tageblatt: Wie viele Gebäude sind in Luxemburg-Stadt geschützt?

Patrick Sanavia: Augenblicklich sind 276 Gebäude in Luxemburg-Stadt national geschützt. Davon sind 74 als nationales Monument eingestuft und 202 auf der Zusatzliste („Inventaire supplémentaire“) eingetragen. Viele dieser Bauwerke liegen in der Oberstadt, im Grund und auf Limpertsberg. Mit dem neuen Bebauungsplan (PAG) hat die Stadt Luxemburg fast 6.000 Gebäude geschützt. Sie können nicht mehr abgerissen werden. Vorher waren es nur 800.
Welche verschiedenen Bauwerke werden geschützt (Industrie, Monumente, Häuser, Brücken …)?

Hauptsächlich sind es Wohnhäuser, die geschützt werden.

Welche Bedingungen müssen erfüllt werden, um ein Bauwerk als schützenswert einzustufen?

Alle Kriterien, die infrage kommen, sind veröffentlicht worden (ssmn.public.lu). Wichtige Bedingungen sind Authentizität der Bausubstanz, Seltenheitswert und die Rolle des Gebäudes für die Sozial-, Lokal- und Architekturgeschichte.

Welchen Einfluss hat die Einstufung von Luxemburg als Unesco-Weltkulturerbe auf den Denkmalschutz?

Das von der Unesco definierte Kulturgut muss von der Stadt Luxemburg und vom Luxemburger Staat geschützt und gepflegt werden. Auch muss hier die nationale Unesco-Kommission sowie der neu eingesetzte Unesco-Site-Manager eine wichtige Rolle spielen.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und der nationalen Denkmalschutzbehörde aus?

Während den letzten acht Jahren war diese Zusammenarbeit sehr intensiv. Mehr als 500 Untersuchungen und Besprechungen haben stattgefunden und über 28.000 Gebäude wurden landesweit als kommunal schützenswert eingestuft. 27 Gemeinden haben bislang die Regeln des kommunalen Denkmalschutzes in ihren Bebauungsplänen (PAG) neu aufgestellt. So wurden von den 9.892 in diesen Gemeinden gefundenen Objekten 8.603 lokal geschützt. Die ganze Liste kann auf ssmn.public.lu eingesehen werden. Viele Gemeindeverantwortlichen haben ihre vom Gesetz vorgeschriebene Rolle als lokale Denkmalschützer ernst genommen. Einige wenige leider nicht. Wir hoffen, dass sich die restlichen Gemeinden dort inspirieren, wo auf lokaler Ebene verantwortungsvoll für das gebaute Erbe gehandelt wurde. Denn der Staat kann und will nicht alles, was lokal schützenswert ist, als nationales Monument kategorisieren.

Was darf man bei einem geschützten Bauwerk tun, was nicht?

Die historische Substanz und das Erscheinungsbild müssen respektiert werden. Bei einer Restaurierung und Umnutzung soll schonend mit dem Erbe umgegangen werden. Aber manches bleibt möglich, auch um die
energetische Effizienz des Gebäudes zu verbessern. Es hängt natürlich vom Projekt des Bauherrn ab. 08/15-Lösungen existieren nicht. Aber es gibt viele gute Beispiele.

Weshalb gibt es den Denkmalschutz?

Es gibt viele Gründe – leider! Denn wenn die öffentliche Hand schützen muss, dann auch weil der Einzelne den Denkmalwert seines Eigentums nicht erkannt hat oder nicht respektieren will.

Denkmalschutz und -pflege ist aber auch das, was in vielen Fällen die gute Zusammenarbeit verschiedenster Akteure benennt: Eigentümer, Gemeinden, Architekten, Ingenieure, Handwerker und wir. Und wenn der Eigentümer unsere Einschränkungen als Chance für den Erhalt des Wesentlichen an seinem Haus versteht und wenn sich seine Umbaupläne ans Haus und nicht umgekehrt anpassen, dann kann einiges passieren. Beispiele gibt es genug. Alle Gebäude, die einen nationalen und/oder kommunalen Schutz haben – und nur diese –, können von dem staatlichen Hilfs- und Zuschussprogramm profitieren. Augenblicklich begleiten wir mehr als 800 private und kommunale Bauherren bei Restaurierungsarbeiten.

Archäologisch sensible Orte werden im Rahmen der Ausarbeitung des PAG inventarisiert. Was bedeutet das?

Dieser Bereich fällt nicht in unser Aufgabenfeld. Hierfür ist das „Centre national de recherche archéologique“ verantwortlich.


Archäologie

Das „Centre national de recherche archéologique“ (CNRA) spielt im Denkmalschutz eine bedeutende Rolle. Es wurde 2011 durch ein großherzogliches Reglement ins Leben gerufen und soll auf nationalem Plan die wissenschaftliche und administrative Verwaltung des archäologischen Erbes gewährleisten. Der Sitz des Zentrums liegt in Bartringen. Dort befinden sich auch Ateliers, in denen Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden.

Das CNRA bearbeitet mitunter archäologische Anfragen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Teilbebauungsplänen (PAP) und allgemeinen Bebauungsplänen (PAG). Das Zentrum erteilt den Gemeinden Ratschläge, weist Schutzgebiete aus und kann auch archäologische Auflagen festlegen. Die Ausstellung einer Forschungs- oder Aufgrabungserlaubnis fällt ebenfalls in seinen Kompetenzbereich. Zudem erstellt es eine Karte von allen archäologisch wertvollen Gebieten hierzulande und inventarisiert deshalb archäologisch sensible Orte im Rahmen der Ausarbeitung des PAG. Des Weiteren setzt sich das CNRA allgemein für die Förderung der Archäologie ein. In diesem Zusammenhang arbeitet es mit Forschungseinrichtungen aus dem In- und Ausland zusammen.


Kirchen

Aktuell stehen 64 Kirchen und Kapellen unter nationalem Denkmalschutz. 29 weitere sind im Zusatzinventar zu finden. Bei weiteren Gebäuden befindet sich eine dementsprechende Anfrage auf dem Instanzenweg. Das Gesetz, das die Abschaffung der Kirchenfabriken und die Schaffung eines Kirchenfonds vorsieht, kommt aller Wahrscheinlichkeit nach im Januar im Parlament zur Abstimmung. Darin wird u.a. auch die Frage aufgeworfen, was mit den leer stehenden Kirchengebäuden passiert. Eine Desakralisierung und eine neue Nutzung sind möglich. Bei architektonisch wertvollen Bauwerken ist der Spielraum aber begrenzt. Experten können sich aber – wie im Ausland – eine Nutzung zu kulturellen, schulischen oder sozialen Zwecke vorstellen.